Naher Osten 07.10.23 – Tag 34 ++ Mehr als 2.000 Ausländer aus Gaza ausgereist ++
8. November 2023Der Grenzbehörde Rafah zufolge haben mehr als 2.000 Ausländer und Palästinenser mit zweitem Pass den Gazastreifen in Richtung Ägypten verlassen. Laut UN fliehen zunehmend Menschen in den Süden der Region.
- Gaza: Zahl der nach Süden fliehenden Zivilisten steigt
- Erhöhter Schutz für jüdische Einrichtungen am 9. November
- Baerbock: Mehr als 200 Deutsche und Angehörige aus Gaza ausgereist
- Militärsprecher: In einem Monat über 14.000 Ziele in Gaza angegriffen
12:11 Uhr
Behörde: Mehr als 2.000 Ausländer haben Gazastreifen verlassen
Im Laufe einer Woche haben mehr als 2.000 Ausländer und Palästinenser mit zweitem Pass den Gazastreifen in Richtung Ägypten verlassen. Das teilte die Grenzbehörde am Übergang Rafah mit. Seit Mittwoch vergangener Woche hatten erstmals Hunderte Ausländer und Palästinenser mit weiterem Pass das Küstengebiet verlassen. Zudem seien seitdem etwa 100 Verwundete, zehn Krebspatienten sowie insgesamt 90 Begleiter nach Ägypten ausgereist.
Außenministerin Annalena Baerbock bestätigte, dass inzwischen mehr als 200 Deutsche und deren Familienangehörige den Gazastreifen verlassen konnten, seitdem der Grenzübergang zu Ägypten wieder geöffnet ist. Unter den Ausreisenden waren unter anderem 40 Philippiner.
„Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass 40 unserer Landsleute den Grenzübergang Rafah in Ägypten sicher und erfolgreich überquert haben“, schrieb der Präsident des südostasiatischen Landes, Ferdinand Marcos Jr., auf X. „Sie sind nun auf dem Weg nach Kairo, von wo aus sie in den nächsten Tagen endgültig in unser Land zurückkehren werden.“ Auch eine dreiköpfige australische Familie habe Gaza über Nacht verlassen, teilte Australiens Außenministerin Penny Wong mit.
Hamas-Behörde: Mindestens 10.569 Tote im Gazastreifen
Im Gazastreifen sind bei israelischen Luftangriffen nach palästinensischen Angaben mindestens 10.569 Palästinenser ums Leben gekommen. Davon seien 4.324 Kinder, teilte die Gesundheitsbehörde des von der militant-islamistischen Hamas kontrollierten Küstengebiets mit. Verletzt worden seien 26.457 Menschen.
Konfliktparteien als QuelleAngaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Stellen der palästinensischen und der israelischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Bildungsstätte: Gedenken nach 7. Oktober tiefere Bedeutung
Zum Jahrestag der Pogromnacht am 9. November hat die Bildungsstätte Anne Frank einen entschlossenen Kampf gegen Antisemitismus gefordert. Das Gedenken bekomme seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober eine noch tiefere Bedeutung, sagte Direktorin Deborah Schnabel in Frankfurt. Deutschland erlebe eine beispiellose Welle antisemitischer Gewalt. Der Kampf gegen Judenhass müsse entschlossen vorangetrieben werden, ohne ihn für populistischen Stimmenfang zu instrumentalisieren.
Politiker würden es sich zu bequem machen, wenn sie den Antisemitismus jetzt ausschließlich bei Muslimen, Geflüchteten oder unter Linken verorteten, betonte Schnabel. Selbstverständlich müssten islamistische Terrororganisationen in Deutschland konsequent verfolgt werden. Aber: Die Klage über einen angeblich „importieren Antisemitismus“ nähre ein rassistisches Narrativ. Antisemitismus sei „in allen gesellschaftlichen Milieus verbreitet“.
Organisation: Fast 40 Journalisten getötet
Seit Beginn der jüngsten Eskalation im Nahen Osten sind der Journalistenorganisation CPJ zufolge mindestens 39 Journalistinnen und Journalisten getötet worden. Darunter befänden sich 34 Palästinenser, vier Israelis und ein Libanese, teilte das Komitee für den Schutz von Journalisten (CPJ) in New York mit. Das habe zum tödlichsten Monat für Journalisten geführt, seit das CPJ 1992 mit der Datenerfassung begann. Zudem könne das CPJ acht Journalisten als verletzt melden, drei Journalisten als vermisst, und neun Journalisten wurden Berichten zufolge festgenommen.
Sherif Mansour, CPJ-Programmkoordinator für den Nahen Osten und Nordafrika, sagte, dass Journalisten Zivilisten seien, die in Krisenzeiten wichtige Arbeit leisteten und nicht ins Visier von Kriegsparteien geraten dürften. Journalisten, insbesondere diejenigen im Gazastreifen, seien großen Bedrohungen ausgesetzt.
Britischer Labour-Abgeordneter verlässt Fraktionsposten
Aus Protest gegen die Haltung von Parteichef Keir Starmer ist in der Nacht erstmals ein Abgeordneter der britischen Labour-Fraktion von seinem Fraktionsposten zurückgetreten. Er wolle sich für den von UN-Generalsekretär Antonio Guterres geforderten humanitären Waffenstillstand einsetzen, begründete der Abgeordnete Imran Hussain den Schritt. Das Abschneiden Gazas von Lebensmitteln, Wasser, Elektrizität und Medizin sei ein Akt der kollektiven Bestrafung, verletze internationales Recht und stelle ein Kriegsverbrechen dar, so Hussain in seinem Rücktrittsschreiben.
Er kritisierte Starmer für ein Interview, in dem der Chef der britischen Sozialdemokraten den Anschein erweckt habe, er unterstütze das israelische Vorgehen in dieser Hinsicht. Obwohl er eine anschließend veröffentlichte Klarstellung der Äußerungen anerkenne, glaube er, dass die Partei sich für einen Waffenstillstand einsetzen müsse, schrieb Hussain.
Ein Parteisprecher teilte als Reaktion auf den Rücktritt mit, Labour werde an der bisherigen Position festhalten, humanitäre Feuerpausen zu fordern. Zwar verstehe man die Rufe nach einem Waffenstillstand – dies würde den Konflikt allerdings nur einfrieren sowie der Hamas die Infrastruktur und Fähigkeit belassen, Angriffe auf Israel wie am 7. Oktober zu wiederholen.
Blinken gegen israelische Besetzung des Gazastreifens
US-Außenminister Antony Blinken hat sich gegen eine erneute israelische Besetzung des Gazastreifens ausgesprochen. Israel könne das Palästinenser-Gebiet nicht wieder dauerhaft verwalten, aber es könne eine Übergangszeit nach dem Ende des Gaza-Kriegs geben, sagte Blinken nach dem G7-Außenministertreffen in Tokio. „Der Gazastreifen kann nicht weiter von der Hamas regiert werden. Das lädt nur dazu ein, den 7. Oktober zu wiederholen“, erklärte Blinken mit Verweis auf den Überfall der Terrororganisation auf Israel.
Es sei aber auch klar, dass Israel den Gazastreifen nicht wieder besetzen könne. Was er von der israelischen Führung gehört habe, sei, dass sie auch nicht die Absicht dazu habe. Die Realität sehe aber so aus, „dass es nach dem Ende des Konflikts eine Übergangszeit geben könnte“.
Zu den Voraussetzungen für „dauerhaften Frieden und Sicherheit“ solle zudem gehören, „dass die Palästinenser nicht gewaltsam aus dem Gazastreifen vertrieben werden“. Zudem dürfte der Gazastreifen nicht „als Plattform für Terrorismus oder andere gewalttätige Angriffe“ genutzt werden, sagte Blinken.
Israel nennt erneut Zeitfenster zur Flucht aus Nord-Gaza
Israels Armee hat den Zivilisten im nördlichen Gazastreifen auch heute ein Zeitfenster für die Flucht in den Süden des Küstengebiets genannt. Die Armee erlaube zwischen 10.00 Uhr und 14.00 Uhr Ortszeit (13.00 Uhr MEZ) die Durchfahrt auf einer Verbindungsstraße Richtung Süden, schrieb ein Sprecher am Vormittag auf Arabisch auf der Plattform X, vormals Twitter.
Er veröffentlichte dazu eine Karte, auf der die Straße eingezeichnet war. Der Sprecher rief die Menschen dazu, sich zu ihrer eigenen Sicherheit schnellstmöglich in Richtung Süden zu bewegen. „Der Norden des Gazastreifens wird als erbittertes Kampfgebiet betrachtet, und die Zeit zur Evakuierung läuft ab“, schrieb er.
US-Repräsentantenhaus rügt Abgeordnete wegen Kritik an Israel
Das US-Repräsentantenhaus hat die demokratische Abgeordnete Rashida Tlaib, eine Muslimin palästinensischer Herkunft, wegen ihrer harschen Kritik an Israel gerügt. Auch 22 Abgeordnete ihrer eigenen Fraktion stimmten für eine entsprechende Resolution. Diese wirft der 47-Jährigen unter anderem vor, falsche Narrative im Zusammenhang mit dem Terrorangriff der militant-islamistischen Hamas vom 7. Oktober zu verbreiten und zur Zerstörung des Staates Israel aufzurufen.
Wurde vom US-Repräsentantenhaus wegen Falschaussagen gerügt: die Kongressabgeordnete Rashida Tlaib.
G7-Außenminister fordern Feuerpause
Die G7-Staaten fordern von den Kriegsparteien im Gazastreifen, Hilfslieferungen für die notleidende Zivilbevölkerung zuzulassen. Der Zugang müsse ungehindert möglich sein, heißt es in einer Erklärung der Außenminister der sieben größten demokratischen Industriestaaten, die sich zurzeit in Tokio treffen. Dazu müsse es auch vorübergehende Pausen von den Kampfhandlungen geben. Das internationale Völkerrecht müsse eingehalten werden.
Massiver Anstieg deutscher Rüstungsexporte nach Israel
Die Bundesregierung hat laut einem Bericht der Nachrichtenagentur dpa ihre Genehmigungen für Rüstungsexporte nach Israel massiv gesteigert. Bis einschließlich 2. November erlaubte sie Ausfuhren im Wert von knapp 303 Millionen Euro – das ist fast zehnmal so viel wie im gesamten Jahr 2022 mit rund 32 Millionen Euro.
Es geht bei den Genehmigungen demnach insbesondere um Komponenten für die Flugabwehr und Kommunikationsausrüstung. Allein seit dem Überfall der Terrormiliz Hamas auf Israel am 7. Oktober wurden demnach 185 Genehmigungsanträge Israels vom Wirtschaftsministerium abschließend bearbeitet. Kriegswaffen machten den Angaben zufolge mit einem Wert von knapp 19 Millionen Euro nur etwa sechs Prozent des Gesamtvolumens aus. Der Löwenanteil von knapp 284 Millionen Euro entfällt auf sonstige Rüstungsgüter wie etwa gepanzerte Fahrzeuge, Sicherheitsglas oder militärische Lastwagen.
Israel konzentriert sich auf Tunnelnetz im Gazastreifen
Bei seinem Vormarsch im Norden des Gazastreifens hat sich das israelische Militär nach eigenen Angaben darauf konzentriert, das ausgedehnte Tunnelnetz der Terrormiliz Hamas zu zerstören. Laut Militärsprecher Daniel Hagari setzten Spezialeinheiten Sprengsätze ein, um das Tunnelnetz unschädlich zu machen, das sich über Hunderte Kilometer unter dem Gazastreifen erstreckt. Israel habe „ein Ziel: die Hamas-Terroristen in Gaza, ihre Infrastruktur, ihre Kommandeure, Bunker, Kommunikationsräume“, sagte Verteidigungsminister Joaw Gallant.
Gesetzesänderung: Kein Geld aus Bundesmitteln für Terroristen
Als Reaktion auf den Angriff der Terrormiliz Hamas auf Israel will die Bundesregierung im Bundeshaushalt sicherstellen, dass kein Geld an terroristische Organisationen fließt. Dies sieht ein der Nachrichtenagentur Reuters vorliegender Entwurf für eine Gesetzesänderung vor, die heute vom Kabinett auf den Weg gebracht werden soll. Deutsche Gelder sollten nicht für terroristische Zwecke missbraucht werden, heißt es in der Vorlage von Finanzminister Christian Lindner (FDP).
Bereits jetzt werde von den Ministerien bei der Mittelvergabe stets geprüft, dass Gelder nicht in falsche Hände gerieten. Konkret soll im Haushaltsgesetz ein Paragraf zu den Sorgfalts- und Prüfpflichten ergänzt werden. Demnach dürfen Leistungen des Bundes „nicht zur Finanzierung terroristischer Aktivitäten eingesetzt werden“ und „nicht an Empfänger gewährt werden, die terroristische Vereinigungen sind oder terroristische Vereinigungen unterstützen“.
Gestern hatte Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) dem UN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) 91 Millionen Euro für Entwicklungsprojekte, die Vertriebenen in den Palästinensergebieten sowie palästinensische Flüchtlingen in den Nachbarländern zur Verfügung gestellt. Palästinenser-Hilfen waren nach dem Terroranschlag der im Gazastreifen herrschenden Hamas zunächst gestoppt worden.
Israels Armee meldet Tod von Waffenentwickler der Hamas
Israels Armee setzt ihre Angriffe im Gazastreifen fort. Das Militär tötete dabei nach eigenen Angaben einen der führenden Waffenentwickler der Hamas. Muhsin Abu Sina sei unter anderem Experte für die Entwicklung von Raketen gewesen. Diese feuert die im Gazastreifen herrschende Terrormiliz immer wieder auf israelische Gebiete ab.
In der vergangenen Nacht töteten israelische Streitkräfte laut eigenen Angaben auch weitere Hamas-Terroristen im Gazastreifen. Diese hätten Panzerabwehrraketen auf die Soldaten abfeuern wollen. Eine weitere Gruppe war den Angaben zufolge für Raketenbeschuss auf Israel verantwortlich. Auch bei dem Luftangriff auf diese Terrorzelle seien mehrere Personen getötet worden.
Konfliktparteien als QuelleAngaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Stellen der palästinensischen und der israelischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Gaza: Zahl der nach Süden fliehenden Zivilisten steigt
Die Zahl der Zivilisten, die täglich aus dem nördlichen Gazastreifen in Richtung Süden fliehen, steigt nach Angaben von UN-Beobachtern. Gestern hätten 15.000 Menschen die Kampfzone rund um die Stadt Gaza verlassen, teilte das UN-Nothilfebüro OCHA mit. Am Montag seien es 5.000 Menschen gewesen, am Sonntag 2.000.
Für die Flucht in den Süden des Küstengebiets nutzten die Palästinenser ein vom israelischen Militär täglich festgelegtes Zeitfenster von vier Stunden. Der Großteil der Flüchtlinge seien Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen, hieß es. Viele von ihnen seien zu Fuß unterwegs. Berichten zufolge mussten einige der Zivilisten auf ihrem Weg israelische Kontrollpunkte passieren. Dabei sei es zu Festnahmen durch israelische Streitkräfte gekommen. Andere berichteten, sie seien mit erhobenen Händen an israelischen Panzern vorbeigegangen und hätten weiße Fahnen geschwenkt.
Netanyahu: Ohne Freilassung von Geiseln keine Waffenruhe
Nach dem mutmaßlichen Vordringen der israelischen Armee ins Zentrum der Stadt Gaza hat Regierungschef Benjamin Netanyahu erneut eine Waffenruhe ohne eine Freilassung von Geiseln ausgeschlossen. Solange die von der Terrormiliz Hamas verschleppten Menschen nicht frei seien, werde es keine Lieferung von Treibstoff in das Gebiet, keinen Zugang für palästinensische Arbeiter nach Israel und keine Waffenruhe im Gazastreifen geben, sagte Netanyahu laut der Nachrichtenagentur AFP in einer Fernsehansprache.
Berichte von Explosionen in Flüchtlingslager und Gaza-Stadt
In der Stadt Gaza und im anliegenden Flüchtlingslager al-Schati ist es vergangene Nacht nach Augenzeugenberichten zu lauten Explosionen gekommen. Mohammed Abed, ein Bewohner des Viertels Scheich Radwan, berichtete laut der Nachrichtenagentur AP von schweren Bombenangriffen mit nahen Einschlägen. Das von der Terrormiliz Hamas geführte Innenministerium meldete, ein Haus nahe dem Flüchtlingslager Dschabalija im Norden des Gazastreifens sei heute Morgen bei einem Luftangriff getroffen worden.
Konfliktparteien als QuelleAngaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Stellen der palästinensischen und der israelischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Minister: „Israel wird den Gazastreifen nicht erneut besetzen“
Israel will den Gazastreifen nach Angaben eines Ministers der Regierung Netanyahu nicht erneut besetzen. Der Minister für strategische Angelegenheiten, Ron Dermer, sagte in einem Interview mit den US-Fernsehsender MSNBC: „Israel wird den Gazastreifen nicht erneut besetzen.“ Nachdem die militant-islamistische Hamas „nicht mehr an der Macht“ und ihre „Infrastruktur zerschlagen“ sei, werde Israel aber „für unbestimmte Zeit“ eine „allgemeine Verantwortung für die Sicherheit“ tragen.
Zuvor hatte US-Außenministeriumssprecher Vedant Patel sich gegen eine israelische Besetzung des Gazastreifens durch Israel ausgesprochen. „Generell unterstützen wir die Wiederbesetzung des Gazastreifens nicht und Israel auch nicht“, sagte Patel. Washington sei der Ansicht, dass „der Gazastreifen palästinensisches Land ist und bleiben wird“.
Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu hatte am Montag in einem Interview gesagt, Israel wolle für unbestimmte Zeit“ die Verantwortung für Sicherheit im Gazastreifen übernehmen, um weitere Angriffe zu unterbinden.
Erhöhter Schutz für jüdische Einrichtungen am 9. November
Am morgigen Gedenktag für die Opfer der Reichspogrome von 1938 wollen Polizeibehörden noch stärker auf jüdische Einrichtungen achten, als sie das angesichts der Entwicklung im nahe Osten ohnehin schon tun. In einer Umfrage der Nachrichtenagentur dpa zu Schutzvorkehrungen am morgigen Donnerstag verwiesen mehrere Landesinnenministerien darauf, dass diese bereits nach dem Überfall der Terrormiliz Hamas auf Israel am 7. Oktober erhöht wurden. Die örtlichen Polizeistellen seien sich aber der besonderen Bedeutung des 9. November bewusst und stünden in engem Kontakt mit den jüdischen Gemeinden und anderen Einrichtungen.
Am Donnerstag wird vielerorts in Deutschland mit größeren und kleineren Gedenkveranstaltungen an die Opfer der Pogrome der Nationalsozialisten gegen die jüdische Bevölkerung erinnert. In ganz Deutschland brannten damals Synagogen, wurden Geschäfte geplündert und zerstört, Jüdinnen und Juden wurden misshandelt, willkürlich verhaftet und ermordet.
Antisemitismus-Meldestelle beklagt abgerissene und beschmierte Plakate
Die Antisemitismus-Meldestelle RIAS und Organisatoren von Plakataktionen für die Opfer des Hamas-Angriffs auf Israel beklagen die bundesweite Zerstörung dieser Plakate. „Dass Plakate abgerissen werden, auf denen von der Hamas entführte Geiseln und Ermordete abgebildet sind, ist schockierend und nur schwer zu ertragen“, sagte der Vorsitzende des Jungen Forums (JuFo) der deutsch-israelischen Gesellschaft, Constantin Ganß. RIAS spricht von einem bundesweiten Phänomen.
Auch in anderen Staaten würden Plakate regelmäßig geschändet. „Oft bleibt es nicht nur bei abgerissenen Postern, sondern die Bilder der Entführten werden beschmiert und die Gewalt gegen sie geleugnet oder relativiert“, sagte der Sprecher des RIAS-Bundesverbandes, Marco Siegmund, der Nachrichtenagentur dpa. „Wir betrachten diese Fälle als antisemitische Vorfälle, da sie das Gedenken an Jüdinnen und Juden stören und gleichzeitig der Terror und die antisemitische Gewalt der Hamas gutgeheißen wird.“
Hamas feuert erneut Raketen auf Israel
Die im Gazastreifen herrschende Terrormiliz Hamas hat erneut auf das Zentrum Israels Raketen abgefeuert. Auch im Großraum Tel Aviv heulten die Warnsirenen. Der militärische Arm der Hamas reklamierte die Attacken auf Telegram für sich. Verletzt wurde nach ersten Erkenntnissen niemand.
Hamas bestreitet israelische Meldungen von militärischen Erfolgen
Die Terrormiliz Hamas hat Angaben Israels bestritten, wonach dessen Truppen militärische Erfolge verzeichneten und tief in die Stadt Gaza vorgedrungen seien. „Sie sagen den Leuten nie die Wahrheit“, behauptete Hamas-Sprecher Ghasi Hamad in Beirut. Vielmehr seien am Montag zahlreiche israelische Soldaten getötet und „viele Panzer zerstört“ worden. Die Palästinenser würden gegen Israel kämpfen, bis sie die Besatzung beendet hätten.
Israels Militär hatte zuvor gemeldet, dass sich seine Truppen „in den Tiefen“ Gazas befänden und erheblichen Druck auf die Hamas ausübten. Tausende Hamas-Kämpfer seien getötet worden. Die Angaben beider Seiten ließen sich nicht unabhängig bestätigen.
Delegationskreise: G7-Außenminister fordern mehr humanitäre Hilfe für Gazastreifen
Die Außenminister der G7-Staaten fordern nach Angaben aus Delegationskreisen mehr humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen. Bei den Beratungen von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) mit ihren G7-Kolleginnen und -Kollegen am Abend habe Einigkeit geherrscht, „dass angesichts der humanitären Notlage in Gaza die humanitäre Versorgung der palästinensischen Zivilbevölkerung dringend ausgebaut werden muss“, hieß es aus Delegationskreisen. Zudem sei eine enge Koordinierung der Bemühungen um die Freilassung der von der Hamas verschleppten Geiseln vereinbart worden.
Es habe ein „intensiver, tiefgehender und von Einigkeit geprägter Austausch zur Lage im Nahen Osten nach den brutalen Terroranschlägen der Hamas auf Israel“ stattgefunden. Alle Teilnehmer betonten demnach „Israels Recht auf Selbstverteidigung im Rahmen des humanitären Völkerrechts“.
Minister: Saudi-Arabien wird Krisengipfel ausrichten
Saudi-Arabien will in den kommenden Tagen Gipfeltreffen arabischer, islamischer und afrikanischer Staaten ausrichten, um den israelisch-palästinensischen Konflikt zu erörtern. „Diese Woche, in den nächsten Tagen, wird Saudi-Arabien einen arabischen Krisengipfel in Riad einberufen“, sagte der Investitionsminister Khalid Al-Falih auf einem Wirtschaftsforum in Singapur. Auch Treffen mit afrikanischen sowie weiteren islamischen Staaten seien geplant. „Kurzfristig besteht das Ziel dieser drei Gipfeltreffen und anderer Zusammenkünfte unter der Führung Saudi-Arabiens darin, auf eine friedliche Lösung des Konflikts hinzuarbeiten.“
Militärsprecher: In einem Monat über 14.000 Ziele in Gaza angegriffen
Seit Beginn des Militäreinsatzes gegen die islamistische Hamas haben die israelischen Streitkräfte nach eigenen Angaben 14.000 Ziele im Gazastreifen angegriffen. Unter anderem seien in dem vergangenen Monat mehr als 100 Zugänge zu Tunneln zerstört und zahlreiche Hamas-Kommandeure getötet worden, sagte Militärsprecher Daniel Hagari. Zudem hätten israelische Einheiten über 4000 Waffen zerstört, viele seien in Moscheen, Kindergärten und Wohngebieten versteckt gewesen. „Das ist ein Beweis für den zynischen Missbrauch von Zivilisten als menschliche Schutzschilde durch die Hamas“, sagte Hagari.
Baerbock: Mehr als 200 Deutsche und Angehörige aus Gaza ausgereist
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat die Ausreise von mehr als 200 Deutschen und deren Familienangehörigen aus dem Gazastreifen bestätigt. „Das gibt Hoffnung inmitten der furchtbaren Lage in Gaza“, schrieb die Grünen-Politikerin auf der Plattform X (früher Twitter). Sie ergänzte: „Vielen Dank an unsere Partner in Ägypten für die Unterstützung.“ Die Bundesregierung arbeite „weiter, bis jeder Deutsche, der ausreisen will, dies auch kann“.
Baerbock war am Abend (Ortszeit) zu den Beratungen der Außenministerinnen und -minister der G7-Staaten wirtschaftsstarker Demokratien in der japanischen Hauptstadt Tokio eingetroffen. Auf der Plattform X forderte Baerbock erneut humanitäre Feuerpausen im Gazakrieg, um die Notlage der Zivilisten dort zu lindern. „Die Bilder aus #Gaza lassen niemanden los“, schrieb sie. „Deswegen werbe ich so sehr für humanitäre Feuerpausen.“ Sie habe „unzählige Gespräche geführt und mit allen Partnern darüber gesprochen, wie wir humanitäre Feuerpausen zeitlich als auch geographisch endlich auf den Weg bringen können“. Sie fügte an: „Es muss jetzt konkret werden.“