Ab 22 Uhr Bahnstreik: „Bitte verschieben Sie Ihre Reise“

Ab 22 Uhr Bahnstreik: „Bitte verschieben Sie Ihre Reise“

15. November 2023 Aus Von mvp-web
Stand: 15.11.2023 11:01 Uhr

Bahn-Reisende müssen sich von heute Abend an auf viele Zugausfälle und Verspätungen einstellen. Die Lokführergewerkschaft GDL hatte am Dienstag einen ersten bundesweiten Warnstreik in der diesjährigen Tarifrunde angekündigt.

Der Ausstand soll laut Gewerkschaft von heute 22 Uhr bis Donnerstag 18 Uhr dauern. „Der Unmut der Beschäftigen ist groß, ihre Anliegen sind legitim“, erklärte Gewerkschaftschef Claus Weselsky. Wer glaube, zulasten der Mitarbeiter „zynisch auf Zeit spielen“ zu können, befinde sich im Irrtum. „Jetzt ist die Zeit, Verbesserungen zu erzielen, das duldet keinen Aufschub“, sagte Weselky weiter. Die Bahn sei bislang nicht bereit, auf Kernforderungen wie eine Arbeitszeitverkürzung einzugehen.

 

Deutsche Bahn: Angebot an Fahrten wird stark reduziert

Die Deutsche Bahn (DB) rief ihre Kunden dazu auf, Zugreisen zu verschieben, es werde mit „massiven Beeinträchtigungen“ gerechnet. Für den Fernverkehr gebe es einen Notfahrplan. Das Angebot an Fahrten werde stark reduziert. „Für diese Fahrten setzt die DB längere Züge mit mehr Sitzplätzen ein, um möglichst viele Menschen an ihr Ziel bringen zu können“, sagte ein Sprecher. Dennoch könne eine Mitfahrt nicht garantiert werden.

Die Bahn schaltete die Rufnummer (08000) 99 66 33 frei, unter der sich ihre Kunden seit heute früh über die Auswirkungen des Streiks informieren könnten. Informationen zu Kulanzregelungen und Umtauschmöglichkeiten für bereits gekaufte Tickets gibt es auch auf einer Internetseite der Bahn. Dort heißt es, alle Fahrgäste, die ihre für heute Abend und Donnerstag geplante Reise verschieben möchten, könnten ihr Ticket zu einem späteren Zeitpunkt nutzen. Zudem sei die Zugbindung aufgehoben, und die Kunden könnten mit bereits gekauften Tickets auch jetzt schon andere Züge nutzen, um noch vor Streikbeginn am Ziel anzukommen.

Naumann: Nicht glücklich über Zeitpunkt des Streiks bei der Bahn

Der Ehrenvorsitzende des Fahrgastverbandes Pro Bahn sagte auf NDR Info, taktisch sei das Vorgehen der Gewerkschaft GDL verständlich, es hätte aber eine längere Ankündigungsfrist geben müssen.

Fahrgastverband: Streik verständlich, Ankündigungsfrist zu kurz

Der Ehrenvorsitzende des Fahrgastverbandes Pro Bahn, Karl-Peter Naumann, kritisierte heute früh auf NDR Info die knappe Ankündigungsfrist für den Streik: „Die GDL darf streiken, das muss man immer wieder sagen. Aber dass wir nun darüber glücklich sind, kann man wirklich nicht sagen.“ Er forderte, im Sinne der Fahrgäste eine Ankündigungsfrist von mindestens 48 Stunden einzuhalten. Gleichwohl sei der Streikzeitpunkt aus Sicht der Gewerkschaft taktisch verständlich.

Auch Forderungen der GDL, wie eine Arbeitszeit-Reduzierung, halte er für nachvollziehbar: „Das ist ein ganz wichtiger Punkt für die Menschen, die im 24/7-Dienst arbeiten.“ Die Forderung nach einer 35-Stunden-Woche sei „sicherlich verständlich“, so Naumann. „Wir brauchen solche attraktiven Bedingungen im Bereich der Bahn, denn es fehlen ja ganz viele Lokführer, es fehlen viele Stellwerker – und die Leute müssen alle sehr viel arbeiten.“ Damit der Beruf attraktiver werde, brauche es „großzügige Freizeitregelungen“.

Schleswig-Holstein: Notfahrplan auf den Hauptstrecken

Die Bahn veröffentlichte inzwischen auch Notfahrpläne, etwa für den Regionalverkehr der DB Regio in Schleswig-Holstein. Demnach sollen dort beispielsweise auf der Strecke Sylt-Hamburg weiterhin Züge fahren, allerdings weniger als normal. Die Verbindung zwischen Lübeck und Hamburg solle stündlich bedient werden. Zwischen Flensburg beziehungsweise Kiel und Hamburg sollen Züge im Zweistundentakt fahren.

Der Betreiber erixx rechnet auf seiner Strecke zwischen Kiel und Lübeck dagegen mit einem Normalbetrieb. Es könnten jedoch Züge verspätet sein oder ausfallen, falls auch die Stellwerke bestreikt werden, teilte ein Sprecher mit.

Hamburg: Einschränkungen im S-Bahn-Verkehr

Der GDL-Streik wird voraussichtlich auch den Verkehr der S-Bahn Hamburg massiv beeinträchtigen. Das Unternehmen riet Fahrgästen, stattdessen von heute Abend bis Donnerstagabend mit U-Bahnen oder Bussen des HVV zu fahren.

Bahn-Personalvorstand: Streik zum jetzigen Zeitpunkt ist ein Unding

Die Deutsche Bahn hatte bereits am Dienstagnachmittag die Grundsatz-Entscheidung der GDL für einen Streik scharf kritisiert. „Der Streikbeschluss zum jetzigen Zeitpunkt ist ein Unding“, sagte Bahn-Personalvorstand Martin Seiler. Man habe gerade erst vier weitere Verhandlungstermine mit der GDL vereinbart und als Arbeitgeber in der Auftaktrunde ein 11-Prozent-Angebot auf den Tisch gelegt. Die GDL nehme Millionen Menschen in Haftung und trete die Sozialpartnerschaft mit Füßen.

Arbeitskampf hatte sich bereits abgezeichnet

Schon vor und nach der ersten Verhandlungsrunde in der vorigen Woche hatte es Signale gegeben, dass es einen Arbeitskampf geben könnte. Der bisherige Tarifvertrag mit der Gewerkschaft lief Ende Oktober aus, Warnstreiks sind also jederzeit möglich. GDL-Chef Weselsky hatte angedeutet, dass er eine Tarifrunde ohne Streiks für wenig wahrscheinlich halte.

Gewerkschaft fordert kürzere Arbeitszeit und mehr Geld

Laut Bahn verhandelt die GDL für knapp 10.000 Mitarbeiter des Staatskonzerns. Die Gewerkschaft verlangt unter anderem 555 Euro monatlich mehr. Zudem soll die Arbeitszeit für Schichtarbeiter ohne Lohnkürzung auf 35 von 38 Stunden die Woche gesenkt werden. Außerdem wird einmalig eine steuerfreie Inflationsprämie von 3.000 Euro gefordert. Die Vartrags-Laufzeit soll zwölf Monate nicht übersteigen. Die Bahn lehnt die Forderungen als zu hoch ab. Sie würden ihren Angaben zufolge in Summe ein Volumen von 50 Prozent mehr bedeuten.