Statt Geldstrafe: Hunderte Straftäter in MV ersatzweise in Haft
29. November 2023Viele Menschen in Mecklenburg-Vorpommern müssen ins Gefängnis, weil sie eine Geldstrafe nicht bezahlen. Auch im Nordosten ist die Zahl der Ersatzfreiheitsstraftäter hoch. Doch an diesem Strafmodell gibt es Kritik.
Verurteilte, die ihre Geldstrafe nicht zahlen können, werden ersatzweise inhaftiert. Die Grundlage für die Inhaftierung als „Ersatzfreiheitsstraftäter“ ist Paragraph 43 des Strafgesetzbuches. Aktuell gilt er als umstritten, da viele ihn als unverhältnismäßig betrachten. Von Ersatzfreiheitsstrafen sind laut Experten meist Nicht- oder Geringverdiener betroffen, sie machen rund 80 Prozent der Ersatzfreiheitsstraftäter aus. Über 900 Menschen sitzen in diesem Jahr in Mecklenburg-Vorpommern eine nicht-bezahlte Geldstrafe im Gefängnis ab, vor zehn Jahren waren es noch 1.250 Ersatzfreiheitsstrafen.
Der Trend ist also rückläufig, doch immer noch zu hoch, heißt es aus dem Justizministerium Mecklenburg-Vorpommerns. Viele der Betroffenen haben Armutsdelikte wie zum Beispiel Ladendiebstähle begangen oder sie wurden wegen Schwarzfahrens verurteilt. Auch Suchtdelikte zählen zu häufigen Vergehen im Zusammenhang mit Ersatzfreiheitsstrafen.
„Schwitzen statt Sitzen“ als Alternative zum Gefängnis
Als dritte Alternative ist es unter bestimmten Umständen auch möglich, Sozialstunden zu leisten. Ein Tagessatz entspricht dabei sechs Arbeitsstunden. Über das Projekt „Schwitzen statt Sitzen“ zum Beispiel bieten Vereine und Verbände betroffenen Straftätern an, Sozialstunden in Freiheit abzuleisten und so die ihnen auferlegte Geldstrafe abzuarbeiten. Das Rostocker Tierheim Schlage zum Beispiel bietet derartige Sozialstunden an.
Justiz-Reform sieht kürzere Ersatzhaft vor
Im Juni 2023 hat der Bundestag eine von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) auf den Weg gebrachte Reform des Strafrechts beschlossen. Demnach müssen Verurteilte, die in Folge einer nicht bezahlten Geldstrafe inhaftiert werden, nur noch halb so lange wie bisher ins Gefängnis. Nach einer Verurteilung zu 50 Tagessätzen zum Beispiel würden nur noch 25 Tage Haft drohen. Bisher entsprach die Zahl der Tage, die Verurteilte hinter Gittern verbringen müssen, den Tagessätzen, zu denen sie verurteilt wurden. Buschmann fordert zudem, dass zukünftig noch stärker auf soziale Arbeit als Alternative zu Geldstrafe oder Ersatzhaft hingewiesen werden soll.
Landesregierung MV geht Justiz-Reform nicht weit genug
Mecklenburg-Vorpommerns Justizministerin Jacqueline Bernhardt (Linke) begrüßt die Reform aus Berlin grundsätzlich, sieht aber noch Nachholbedarf: „Ich finde das unverhältnismäßig. Man hat keine freie Bewegung mehr, man kann sich nicht abends einfach mal mit Freunden treffen. Das sind schon sehr starke Einschränkungen“, so Bernhardt im Gespräch mit dem NDR. Sie fordert ebenfalls, den Fokus stärker auf das Ableisten von Sozialstunden zu lenken. Einige Vereine sehen selbst das kritisch: Das „Bündnis zur Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe“ fordert neben einem Ende der Ersatzfreiheitsstrafe auch eine Entkriminalisierung gewisser „Armutsdelikte“, zum Beispiel durch einen generell kostenlosen ÖPNV. Außerdem kritisiert das Bündnis das Ableisten von Sozialstunden als „Zwangsarbeit“, die Arme bestrafe.