“ liveblog “ Krieg im Nahen Osten 07.10.23 – Tag 68 ++ UN stellen humanitäre Hilfe in Gaza weitgehend ein ++
12. Dezember 2023Die Vereinten Nationen haben die Verteilung von Hilfsgütern im Gazastreifen nach eigenen Angaben größtenteils eingestellt. Laut Israels Verteidigungsminister Gallant steht die Hamas „kurz vor der Auflösung“.
- UN: Humanitäre Hilfe in Gaza größtenteils eingestellt
- Hamas laut Gallant „kurz vor der Auflösung“
- WHO hält Opferzahlen aus Gaza für verlässlich
- Tanker im Roten Meer von Huthi-Rakete getroffen
- Biden bekräftigt Unterstützung für Israel
16:55 Uhr
US-Sicherheitsberater will Zeitplan für Gaza-Krieg besprechen
Der nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Jake Sullivan, will bei seinem Besuch in Israel in dieser Woche mit Ministerpräsident Benjamin Netanyahu über einen Zeitplan für die Beendigung größerer Kampfhandlungen im Gazastreifen sprechen. Sullivan sagte, er werde die Gedanken von Präsident Joe Biden zu diesem Thema übermitteln und Netanyahu und andere israelische Vertreter befragen. „Das Thema, wie sie den Zeitplan dieses Krieges sehen, wird sicherlich auf der Tagesordnung meiner Treffen stehen“, sagte Sullivan während eines Auftritts auf einem vom „Wall Street Journal“ veranstalteten Forum. Er deutete an, dass die israelischen Streitkräfte irgendwann zu gezielteren Einsätzen übergehen würden, um ihre Ziele zu erreichen. Das bedeute nicht, dass der Druck auf die Hamas-Führung nachlassen werde. „Es bedeutet nur, dass man zu einer anderen Phase übergeht als die hochintensiven Operationen, die wir heute sehen“, sagte er.
Sullivan wollte nach eigenen Angaben mit Netanyahu auch über dessen jüngste Äußerungen sprechen, wonach die israelischen Streitkräfte nach Beendigung des Krieges eine unbefristete Sicherheitskontrolle über den Gazastreifen ausüben würden. Der Sicherheitsberater bekräftigte die Position der US-Regierung, die eine neuerliche Besetzung des Gazastreifens durch Israel ebenso ablehnt wie eine Verkleinerung des Gebiets. „Ich werde Gelegenheit haben, mit Ministerpräsident Netanyahu darüber zu sprechen, was genau er mit dieser Bemerkung meint, denn sie kann auf verschiedene Weise interpretiert werden“, sagte Sullivan. „Aber die Position der USA in dieser Sache ist klar.“
Netanjahu: Israel und USA nicht einig bei Gazas Zukunft
Die USA und Israel haben nach den Worten von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu unterschiedliche Ansichten über die Zukunft des Gazastreifens nach Ende des Kriegs. Gaza werde weder von der Hamas noch von der Fatah des Chefs der palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, regiert werden, erklärt Netanyahu. Bei dem Ziel Israels, die Hamas zu zerstören und die Geiseln zu befreien, werde Israel aber von den USA unterstützt.
Irans Außenminister warnt vor Ausweitung des Gazakriegs
Irans Außenminister Hussein Amirabdollahian hat erneut vor einer Ausweitung des Kriegs zwischen Israel und der islamistischen Hamas auf die ganze Region gewarnt. „Es besteht zu jedem Moment die Möglichkeit, dass es eine Explosion in der Region gibt“, sagte der Außenminister in Doha. Bereits jetzt sei der Konflikt auf andere Länder übergetreten. „Mindestens einmal wöchentlich erhalten wir eine Botschaft von den USA, dass eine US-Basis in Syrien oder Irak durch irgendwelche Gruppen angegriffen wurde“, sagte Amirabdollahian.
Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums gab es seit Mitte Oktober mindestens 78 Angriffe proiranischer Milizen auf US-Stützpunkte im Irak und in Syrien. Den Vorwurf, der Iran sei in die Angriffe verwickelt, wies Amirabdollahian jedoch zurück. Der Politiker betonte zudem, dass die Hamas nicht durch kriegerisches Handeln zu besiegen sei. Eine Lösung des Konflikts liege in der Selbstbestimmung der Palästinenser und einem palästinensischen Referendum über die Zukunft der Region. Eine Zweistaatenlösung lehne der Iran hingegen ab. „Das einzige, was wir mit Israel gemeinsam haben, ist, dass niemand von uns an eine Zweistaatenlösung glaubt“, betonte Amirabdollahian.
UN: Humanitäre Hilfe in Gaza größtenteils eingestellt
Die UN haben die Verteilung von Hilfsgütern im Gazastreifen aufgrund der Intensität der Kämpfe und der Bewegungseinschränkungen auf den Hauptstraßen weitgehend eingestellt. Begrenzte Hilfe für die notleidende palästinensische Bevölkerung finde noch im Bezirk Rafah im Süden statt, teilte das UN-Büro zur Koordinierung humanitärer Hilfe mit. Zudem sei die Fähigkeit der UN und anderer Organisationen, eingehende Hilfsgüter zu empfangen, in den letzten Tagen erheblich beeinträchtigt worden. Gründe seien der Mangel an Lastwagen und an Treibstoff im Gazastreifen sowie Stromausfälle und die zunehmende Zahl von Mitarbeitern, die aufgrund der Kämpfe nicht zum Grenzübergang Rafah reisen können.
Der Großteil der Hilfsgüter kommt aus Ägypten über Rafah in den Gazastreifen. In Rafah litten Tausende Binnenvertriebene unter extremen Bedingungen, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Unterkünfte, hieß es weiter. Große Menschenmengen warteten stundenlang vor den Zentren für die Verteilung von Hilfsgütern. Sie benötigten dringend Nahrungsmittel, Wasser, Unterkünfte, medizinische Versorgung und Schutz. Der Mangel an Toiletten könne zur Ausbreitung von schweren Krankheiten führen.
Hamas-Behörde beziffert Zahl der Toten auf 18.400
Die Zahl der im Gazastreifen getöteten Palästinenser ist seit Kriegsbeginn nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums auf 18.412 gestiegen. Mehr als 50.000 weitere Menschen seien verletzt worden, teilte das Ministerium mit. Zuletzt war die Zahl der Toten auf rund 18.200 beziffert worden. Die Zahlen lassen sich gegenwärtig nicht überprüfen. Die UN und andere Beobachter weisen aber darauf hin, dass sich die Zahlen der Behörde in der Vergangenheit als insgesamt glaubwürdig herausgestellt hätten.
Medienbericht: Israel besteht auf Pufferzone im Südlibanon
Israel will laut einem Medienbericht nach Ende des Gaza-Krieges auf die Einhaltung einer Pufferzone im Süden des Libanons bestehen. „Israel wird nach dem Krieg auf der Existenz einer echten Pufferzone an der Nordgrenze beharren“, sagte Ministerpräsident Benjamin Netanyahu einem Bericht der Zeitung „Israel Hayom“ zufolge dem Verteidigungsausschuss des Parlaments. Israel präferiere eine diplomatische Lösung, aber würde – wenn notwendig – auch militärische Mittel nutzen.
Israel erhöht laut Gallant Druck auf Hamas-Hochburgen
Mehr als zwei Monate nach Beginn des Krieges gegen die Hamas hat Israel nach eigenen Angaben den Druck auf die Islamisten erhöht. Die Terrororganisation stehe „kurz vor der Auflösung“, sagte Verteidigungsminister Joav Gallant. Die letzten Hamas-Hochburgen im nördlichen Gazastreifen stünden vor dem Fall. Ähnlich äußerte sich Israels Generalstabschef Herzi Halevi bei einem Besuch in der Hamas-Hochburg Chan Junis. Die israelische Armee „intensiviere“ ihre Einsätze im Süden und baue zugleich ihre Präsenz im Norden aus, „auch tief unter der Erde“, sagte Halevi.
Erneut Beschuss an israelisch-libanesischer Grenze
An der Grenze zwischen Israel und dem Libanon ist es erneut zu Gefechten gekommen. Nach Raketenbeschuss aus dem Nachbarland habe Israels Artillerie den Ort des Abschusses angegriffen, teilte das Militär mit. Zuvor gab es in mehreren Städten im Norden Israels Raketenalarm. Die vom Iran unterstützte Hisbollah im Libanon teilte mit, auf eine israelische Ortschaft gezielt zu haben. Seit Beginn des Gaza-Krieges nach dem Hamas-Massaker in Israel kommt es immer wieder zu Konfrontationen zwischen Israels Armee und militanten Gruppierungen wie der Hisbollah in der israelisch-libanesischen Grenzregion.
Opferzahlen palästinensischer Behörden laut WHO verlässlich
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hält die von den palästinensischen Behörden genannten Toten- und Verletztenzahlen für verlässlich. Richard Peeperkorn, WHO-Vertreter in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten, sagte, die WHO verlasse sich in Konfliktsituationen immer auf die Zahlen der Gesundheitsbehörden. Die palästinensischen Behörden hätten sich früher als zuverlässig herausgestellt. Nach früheren Konfliktsituationen seien ihre Angaben über Opfer im Nachhinein geprüft worden und hätten sich als weitgehend akkurat erwiesen. Die Opferzahlen seien von den Behörden eher unter- als überschätzt worden. Peeperkorn verwies auf eine Studie der Fachzeitschrift „The Lancet“. Sie berichtete am 6. Dezember, dass es keine Anzeichen gebe, dass die Toten- oder Verletztenzahlen von den palästinensischen Behörden aufgebläht werden.
UN-Nothilfebüro: Weitere Kämpfe nahe Krankenhäusern im Gazastreifen
Die Vereinten Nationen berichten weiter von Kämpfen nahe Krankenhäusern im Gazastreifen. Es habe Todesopfer gegeben, als Gesundheitseinrichtungen getroffen worden seien. So sei das Al-Auda-Krankenhaus in Dschabalia seit sechs Tagen von israelischen Truppen und Panzern umgeben, teilte das UN-Nothilfebüro OCHA mit. Laut Berichten sitzen etwa 250 Ärzte, Patienten und deren Angehörige in dem Krankenhaus fest. Zwei medizinische Mitarbeiter seien dort im Dienst bei Kämpfen in vergangenen Tagen getötet worden.
WHO kritisiert israelische Kontrollen von Krankentransporten
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kritisiert israelische Kontrollen medizinischer Konvois im Gazastreifen und die Inhaftierung von medizinischem Personal als Gefahr für die Versorgung von Patienten. Bei einem solchen Vorfall am Samstag sei ein schwer verletzter Patient gestorben, weil sich seine Behandlung verzögert habe, teilt die WHO mit.
Der von der WHO geleitete Einsatz zur Verlegung von Patienten und zur Lieferung chirurgischem Material zum Al-Ahli-Krankenhaus in Gaza-Stadt sei auf dem Weg in den nördlichen Gazastreifen und auf dem Rückweg an einem Kontrollpunkt der israelischen Armee gestoppt worden. Einige Mitarbeiter des Palästinensischen Roten Halbmonds seien dabei zeitweise festgesetzt und andere festgenommen worden. „Wir sind zutiefst besorgt über die anhaltenden Kontrollen und die Inhaftierung von Mitarbeitern medizinischer Dienste, die das Leben von ohnehin geschwächten Patienten gefährden“, erklärt WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus auf der Plattform X.
ARD-Korrespondent Aßmann zur angekündigten Ausweitung von Hilfslieferungen
Israel hat angekündigt, den Grenzübergang Kerem Schalom zu öffnen, um die Kontrolle von Hilfslieferungen für den Gazastreifen zu beschleunigen und so die Lieferungen auszuweiten. ARD-Korrespondent Tim Aßmann ordnet die Bedeutung des Grenzübergangs sowie die Berichte über eine möglicherweise beeinträchtigte Schlagkraft der Hamas ein.
Nach palästinensischen Angaben vier Tote bei israelischer Razzia im Westjordanland
Im Westjordanland sind palästinensischen Angaben zufolge vier Palästinenser bei einer israelischen Razzia sowie einem Angriff auf die Stadt Dschenin und das dortige Flüchtlingsviertel getötet worden. Eine weitere Person sei verletzt worden, berichtet zudem die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa. Israelische Truppen umzingelten demnach drei Krankenhäuser in der Gegend.
Biden beklagt weltweite Welle von Antisemitismus
US-Präsident Joe Biden hat bei einem Empfang im Weißen Haus anlässlich des jüdischen Chanukka-Festes eine weltweite Zunahme des Antisemitismus beklagt. Die „Welle des Antisemitismus in den Vereinigten Staaten und im Rest der Welt ist ekelerregend“, sagte Biden bei der Veranstaltung im East Room vor fast 800 Gästen.
Gallant: Letzte Hamas-Hochburgen im nördlichen Gazastreifen vor Fall
Die letzten beiden Hochburgen der Terrororganisation Hamas im nördlichen Teil des Gazastreifens sind nach Angaben des israelischen Verteidigungsministers von israelischen Einheiten umzingelt. Die Hamas-Kommandozentralen in den Stadtvierteln Dschabalia und Schedschaija seien eingekreist und stünden kurz vor dem Zusammenbruch, sagte Yoav Gallant laut israelischen Medien.
„Die Bataillone, die als unbesiegbar galten und sich jahrelang auf den Kampf gegen uns vorbereitet haben, stehen kurz vor der Zerschlagung“, fügte er hinzu. Hunderte Hamas-Aktivisten hätten sich in den letzten Tagen den israelischen Truppen ergeben.
US-Armee: Tanker von Marschflugkörper getroffen
Vor der Küste des Jemen ist nach US-Angaben ein norwegischer Tanker von einem von Huthi-Rebellen abgefeuerten Marschflugkörper getroffen worden. Der Marschflugkörper habe in der Nacht die „Strinda“ beim Durchfahren der Meerenge zwischen dem Roten Meer und dem Golf von Aden getroffen und Schäden sowie einen Brand verursacht, erklärte das US-Zentralkommando Centcom. Es gebe aber keine Berichte über Tote oder Verletzte.
Der Anti-Schiff-Marschflugkörper sei von einem von den Huthi kontrollierten Gebiet im Jemen abgefeuert worden, erklärte Centcom im Kurzbotschaftendienst X, früher Twitter. Demnach setzte die unter norwegischer Flagge fahrende „Strinda“ einen Notruf ab und das US-Kriegsschiff USS „Mason“ eilte zu dem Tanker, um Hilfe zu leisten.
Seit Beginn des Kriegs zwischen Israel und der Hamas hat die Huthi-Miliz im Jemen schon mehrfach Drohnen und Raketen auf Israel abgefeuert und Schiffe im Roten Meer angegriffen. Die vom Iran unterstützten Huthi drohten am Samstag mit weiteren Angriffen auf Schiffe im Roten Meer, die Kurs auf Israel nehmen, falls keine humanitäre Hilfe in den Gazastreifen gelange. Die Huthi sehen sich als Teil der gegen Israel gerichteten selbsternannten „Achse des Widerstands“.
Biden bekräftigt Unterstützung für Israel
US-Präsident Joe Biden hat Israel weitere Unterstützung im Kampf gegen die Hamas-Terroristen zugesagt. „Wie ich nach dem Anschlag (am 7. Oktober) sagte, ist mein Engagement für die Sicherheit des jüdischen Volkes (…) unerschütterlich“, sagte Biden bei einem Empfang zum jüdischen Chanukka-Fest im Weißen Haus in Washington. Die USA würden Israel unterstützen, bis das Land die Hamas losgeworden sei.
Biden betonte nach Angaben des Weißen Hauses, die USA setzten sich unermüdlich für die sichere Rückkehr der Geiseln ein. „Und ich werde nicht aufhören, bis wir jede von ihnen nach Hause gebracht haben.“ Er arbeite auch daran, mehr „humanitäre Hilfe für unschuldige palästinensische Zivilisten“ zu bekommen.
Israel sieht Kampfgeist von Hamas gebrochen
Angesichts der Kapitulation zahlreicher Hamas-Terroristen im Gazastreifen gehen das israelische Militär und der Inlandsgeheimdienst Schin Bet davon aus, dass der Kampfgeist der islamistischen Organisation bricht.
„Wir üben großen Druck aus. Ich denke, dass sie sich ergeben und mit erhobenen Händen heraus kommen, zeigt, dass ihr Kampfgeist gebrochen ist. Das beschleunigt unsere Erfolge, schließlich wollen wir schnell vorankommen“, sagte Generalstabschef Herzi Halevi bei einem Treffen mit dem Leiter des Schin Bet, Ronen Bar, in der Hamas-Hochburg Chan Junis. „Wir sichern unsere Geländegewinne im Norden und im Süden des Gazastreifens.“