Mützenich kritisiert Haushaltsdeal „Wir begeben uns in große Gefahr“
21. Dezember 2023Auch in den Reihen der SPD wird Kritik am Haushaltssparpaket der Ampel laut: Der SPD-Fraktionsvorsitzende Mützenich fordert ein Aussetzen der Schuldenbremse auch im kommenden Jahr. Kritik an der Kritik kommt von Parteichef Klingbeil.
Hart hatten die Koalitionsspitzen um den Haushaltskompromiss gerungen, daran hagelt es aber immer mehr Kritik – auch innerhalb der Ampelparteien. Nun hat sich SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich skeptisch gegenüber den Beschlüssen geäußert und ein Aussetzen der Schuldenbremse auch für das kommende Jahr gefordert. Er begründete dies mit der Unvorhersehbarkeit der Entwicklungen in der Ukraine und in der Welt.
Im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland führte Mützenich aus, dass sich internationale Entwicklungen dem Einfluss nationalstaatlichen Handelns entzögen: Etwa wie Russland seinen Krieg gegen die Ukraine weiterführe, welche Länder die Ukraine weiter unterstützten und ob die USA noch dabei seien. Auf Deutschland komme viel mehr zu als weitere Waffenlieferungen. Mützenich nannte etwa Hilfe beim Wiederaufbau sowie bei wirtschaftlichen Fragen.
Schuldenbremse soll nicht ausgesetzt werden
Die Ampelkoalition hatte im Streit über den Bundeshaushalt 2024 Mitte Dezember entschieden, dass die Schuldenbremse im kommenden Jahr nicht generell ausgesetzt wird. Eine Ausnahme für die Fluthilfen im Ahrtal wird derzeit aber geprüft. Wegen des Ukraine-Kriegs soll die Schuldenbremse dagegen zunächst nicht ausgesetzt werden. Nur für den Fall einer deutlichen Änderung der Lage behält die Koalition sich einen solchen Schritt vor.
Das Grundgesetz sieht vor, dass die Schuldenbremse im Fall von Naturkatastrophen oder anderen außergewöhnlichen Notlagen ausgesetzt werden kann, wenn die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt wird. Für das laufende Jahr war die Schuldenbremse kürzlich noch einmal ausgesetzt worden – zum vierten Mal in Folge.
Mützenich warnt vor Spaltung der Gesellschaft
Eine Praxis, die Mützenich mit Blick auf die Ukraine-Hilfen scharf kritisiert: „Weil wir nicht weiter im Kernhaushalt sparen dürfen, werden wir diese zusätzlichen Mittel durch die Ausnahmeregelung nach Artikel 115 Grundgesetz finanzieren müssen – also durch das Aussetzen der Schuldenbremse.“ Diese Entscheidung mit den Ukraine-Hilfen zu begründen, erscheine ihm verfassungsfest.
„Wir begeben uns in die große Gefahr der gesellschaftlichen Spaltung, wenn die Ukraine-Hilfe zulasten von wichtigen Ausgaben geleistet wird, die für die Menschen im Inland auch wichtig sind“, sagte Mützenich. Das aktuell geplante Vorgehen führe „zu innenpolitischen Verteilungskonflikten, bei denen das eine gegen das andere ausgespielt wird“, gab der SPD-Politiker zu bedenken.
Rütteln am Kompromiss von vielen Seiten
Im Deutschlandfunk bezweifelte Mützenich, dass das Aufatmen über die Einigung auf den Haushaltskompromiss in der Politik groß gewesen sei. „Weil ja auch durchaus die, die daran beteiligt gewesen sind, relativ schnell das auch wieder infrage gestellt haben. Jetzt muss es im Parlament gerichtet werden.“
Er erinnerte daran, dass es bereits wenige Stunden nach der Einigung zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) eine Korrektur gegeben hatte und das Vorhaben einer Kerosinsteuer auf Inlandsflüge ersetzt wurde durch eine Anhebung der Ticketsteuer.
Auch in anderen Punkten gibt es in der Koalition Absetzbewegungen von der Vereinbarung: Angesichts heftiger Bauernproteste stellte sich bei den Grünen Landwirtschaftsminister Cem Özdemir gegen das vereinbarte Ende der Steuervergünstigungen für Agrarfahrzeuge und bei der FDP Fraktionschef Christian Dürr.
Klingbeil kritisiert Absetzbewegungen
Solche Absetzbewegungen innerhalb der Koalitionspartner kritisierte Mützenichs Parteikollege und SPD-Chef Lars Klingbeil scharf. „Es trägt nicht zu einer besseren politischen Lage bei, wenn Minister den Haushaltskompromiss infrage stellen, fünf Minuten nachdem er gefunden wurde. Ich habe Politik so gelernt, dass man einmal gefundene Einigungen verteidigt und zusammen dafür wirbt“, sagte er dem „Tagesspiegel“.
Klingbeil verteidigte dagegen die Kritik an der Umsetzung des Kompromisses – etwa dass Habeck das Ende der E-Auto-Kaufförderung mit nur einem Tag Vorlauf verkündet hatte. „Das hätte man anders lösen können“, sagte Klingbeil. „Mir ist wichtig: Die SPD steht zum Kompromiss, auch wenn wir uns natürlich viele Sachen anders vorgestellt hätten.“