Bauernproteste sollen am Montag in Berlin gipfeln
15. Januar 2024Die bundesweiten Bauernproteste sollen am Montag ihren vorläufigen Höhepunkt erreichen: Tausende wollen erneut in Berlin gegen die geplante Streichung der Agrardiesel-Subvention demonstrieren. In der vergangenen „Aktionswoche“ hatten die Landwirte mit ihren Traktoren bereits vielfach den Verkehr lahmgelegt.
Der Bauernverband und seine Landesorganisationen haben zum Abschluss der Protestwoche zu einer Kundgebung in der Hauptstadt aufgerufen, zu der Tausende Teilnehmende auch aus Norddeutschland erwartet werden. Bereits am Wochenende versammelten sich erste Landwirte mit ihren Treckern in der Stadt. Vom Brandenburger Tor bis hinter das Sowjetische Ehrenmal am Tiergarten standen bereits am Freitagabend Dutzende Agrarfahrzeuge. Unterstützt wird der Protest von der Transportbranche, Lkw-Fahrern und Spediteuren. Die Demonstration gilt als Höhepunkt der Protestwelle der Landwirte in den vergangenen Tagen.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) kündigte an, am Montag das Gespräch mit den Landwirten zu suchen. Er will sich nach Angaben seines Ministeriums am Brandenburger Tor den Protestierenden stellen. Außerdem haben die Vorsitzenden der drei Ampel-Fraktionen im Bundestag die Bauernverbände für Montag zu einem Gespräch eingeladen. Hintergrund sind die Forderungen der Landwirte an die Politik, die angekündigten Kürzungen der Agrarsubventionen zurückzunehmen.
Niedersachsen: 2.000 bis 3.000 Bauern fahren nach Berlin
Das Landvolk, der niedersächsische Arm des Bauernverbandes, schätzt, dass 2.000 bis 3.000 Bauern aus Niedersachsen am Montag in Berlin protestieren werden. Die ersten Landwirte machten sich bereits am Sonntag mit ihren Treckern auf den Weg in die Hauptstadt, unter anderem aus dem Landkreis Rotenburg, der Wesermarsch und dem Ammerland. Traktoren aus Göttingen, dem Harz und dem Braunschweiger Land wollten am Abend in Richtung Berlin starten.
Mecklenburg-Vorpommern: „Am Montag noch mal ein Zeichen setzen“
Auch zahlreiche Bauern aus Mecklenburg-Vorpommern werden sich erneut an der angekündigten Demonstration am Brandenburger Tor beteiligen. „Lasst uns am Montag noch einmal ein Zeichen setzen und dann schauen, wie ernst die Politik unsere Forderungen wirklich nimmt“, schrieb Landes-Bauernpräsident Detlef Kurreck auf der Homepage des Verbandes.
Bei der ersten Protestaktion nach Bekanntwerden der Sparpläne am 18. Dezember waren laut Landesverband weit mehr als 100 Bauern aus Mecklenburg-Vorpommern mit ihren Traktoren nach Berlin gefahren. Zusätzlich seien über 300 Landwirte per Bus, Auto oder Bahn angereist. Nach Angaben einer Verbandssprecherin wird nun mit einer ähnlichen Beteiligung aus dem Nordosten gerechnet.
Für Montag ist zudem eine lokale Aktion am Grenzübergang Linken (Landkreis Vorpommern-Greifswald) angemeldet. Nach Angaben der Kreisverwaltung muss dort in der Zeit von 6 bis 18 Uhr mit Verkehrsbehinderungen gerechnet werden. Von 9 bis 12 Uhr werde der Grenzübergang aufgrund der Protestaktion voll gesperrt. Geplant sei auch ein Korso von Lastwagen, der von Pasewalk auf der Autobahn A20 in Richtung Berlin unterwegs sein werde. Die Bereiche sollten weiträumig umfahren werden, riet die Behörde.
Schleswig-Holstein: Rund 5.000 Traktoren in Hohenlockstedt am Sonnabend
In Hohenlockstedt (Kreis Steinburg) fand am Sonnabend die bislang größte Protestaktion der Landwirte in Schleswig-Holstein statt. Die Polizei schätzte, dass rund 5.000 Fahrzeuge für die Großkundgebung auf dem Flugplatz Hungriger Wolf zusammenkamen. Am Freitag waren mehr als 3.000 Traktoren nach Kiel gefahren.
Entschärft neuer Kompromissvorschlag den Konflikt?
Unterdessen machte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) einen Vorschlag, den Bauern finanziell entgegenzukommen. Er will die Hilfe für diejenigen Viehbetriebe aufstocken, die ihre Ställe tierfreundlich umbauen, wie die „Süddeutsche Zeitung“ am Sonntag berichtete. Gegenfinanziert werden solle dies durch eine „Tierwohlabgabe“, sprich höhere Steuern auf Fleisch, Eier, Milch und Milchprodukte für Verbraucher. Der Kilopreis für Fleisch würde sich dadurch beispielsweise um 40 Cent verteuern, für Milch um 2 Cent, heißt es im Bericht. Das Aufkommen läge bei rund 3,6 Milliarden Euro im Jahr. „Schon wenige Cent mehr pro Kilo Fleisch würden bedeuten, dass unsere Landwirte Tiere, Klima und Natur besser schützen können – so, wie es doch alle verlangen“, sagte Özdemir der Zeitung. Auch die FDP steht der Idee dem Bericht zufolge aufgeschlossen gegenüber.
Scholz: Beharren auf Standpunkten bringt Deutschland nicht voran
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) rief angesichts der Bauernproteste in einer am Sonnabend verbreiteten Video-Botschaft zu „Maß und Mitte“ auf: „Wenn an sich legitime Proteste umkippen – und zwar pauschal in Wut oder Missachtung für demokratische Prozesse und Institutionen, dann verlieren wir alle. Profitieren werden dann nur diejenigen, die unsere Demokratie verachten.“ Vom Bauernverband forderte der Kanzler Kompromissbereitschaft: „Wenn jede Subvention auf ewig bestehen bleibt, wenn wir alle zu 100 Prozent auf unserem Standpunkt beharren, wenn wir alles so machen wie immer – dann kommen wir auch nicht voran.“
Auf einen Kompromiss hofft auch MV-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Landwirte und Menschen im ländlichen Raum würden erwarten, dass es insgesamt eine Perspektive für sie gebe. „Es haben sich in den letzten Jahren viele Probleme aufgestaut, nicht erst in der Zeit der Ampel-Regierung, im ländlichen Raum. Und das muss jetzt gelöst werden“, sagte Schwesig am Sonntag im ZDF.