“exklusiv” Geheimtreffen in Potsdam AfD stärker involviert als bisher bekannt
30. Januar 2024Bisher spielt die AfD das “Potsdamer Treffen” des rechtsextremen Gründers Mörig als Privatveranstaltung herunter. Doch nach Recherchen von WDR, NDR und SZ gibt es mehr Verbindungen in die AfD als bislang bekannt.
Der Skandal um das vom Medienhaus Correctiv enthüllte Geheimtreffen Ende November in einer Villa nahe Potsdam rückt deutlich näher an die Parteispitze um AfD-Chefin Alice Weidel heran. Bislang war bekannt, dass neben einem AfD-Landtags- und einer AfD-Bundestagsabgeordneten auch Weidels persönlicher Mitarbeiter Roland Hartwig an dem Treffen im “Landhaus Adlon” teilgenommen hatten.
Nach Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung (SZ) gibt es jedoch offenbar einen weiteren Teilnehmer aus Weidels Umfeld: Arne Friedrich Mörig, Sohn des Veranstalters dieses Treffens mit Rechtsextremen, Gernot Mörig.
Weiterer AfD-Vorstandsmitarbeiter bei Treffen in Potsdam
Mörig junior wurde den Recherchen zufolge direkt aus Mitteln des AfD-Bundesvorstands bezahlt – und zwar aus dem persönlichen Budget, über das Weidel als Parteichefin direkt verfügen kann. Mörig hatte bei dem Treffen in Potsdam auch einen Vortrag über die Gründung einer neurechten Social-Media-Agentur gehalten.
Details zu den Plänen dieser Agentur hatte zuletzt netzpolitik.org veröffentlicht. Seit Ende 2022 soll er nach Recherchen von WDR, NDR und SZ einen Vertrag für die AfD besessen haben. Für den AfD-Bundesvorstand soll er auch für Social Media zuständig gewesen sein.
Arbeit im Hintergrund
Anwesend soll der Mann in der Bundesgeschäftsstelle allerdings nicht gewesen sein. Seine Arbeit soll er eher im Hintergrund betrieben haben. Ende 2023, nach dem Treffen in Potsdam und vor der Berichterstattung von Correctiv, soll Mörig die Pläne zur Gründung einer Influencer-Agentur dann dem Vernehmen nach auch dem Bundesvorstand der AfD präsentiert haben. Nach Bekanntwerden der Correctiv-Recherche soll der Vertrag mit Mörig gekündigt worden sein. Weidel, Mörig, Hartwig und die AfD ließen Anfragen dazu unbeantwortet.
Vom langjährigen AfD-Funktionär Hartwig, der ebenfalls in Potsdam anwesend war, hatte sich Weidel im Zuge des Skandals unter großem öffentlichen Druck bereits getrennt – “in beiderseitigem Einvernehmen”, wie es hieß.
Dennoch bezeichnete die Parteispitze das Treffen in Potsdam immer wieder als “privates Treffen” und versuchte den Eindruck zu erwecken, damit politisch nichts zu tun zu haben – obwohl es auch deutliche Hinweise gibt, dass Parteichef Tino Chrupalla in der Vergangenheit bereits an einem Treffen von Mörigs Düsseldorfer Runden teilgenommen haben soll. Chrupalla hatte der “Zeit” darauf geantwortet: “Ich bin wie Scholz, ich erinnere mich an nichts mehr.”
In dem Kreis in Potsdam war nach Recherchen von Correctiv über einen sogenannten “Masterplan” gesprochen und Fantasien ausgetauscht worden, bis hin zu Abschiebungen von “nicht assimilierten Deutschen” in “Musterstaaten”. Die Recherchen haben eine neue Debatte über ein AfD-Parteiverbot ausgelöst.
In der Vergangenheit soll Organisator Gernot Mörig bei ähnlichen Treffen darauf hingewiesen haben, dass Spendengelder für das sogenannte Düsseldorfer Forum über das private Konto seines Schwagers laufen sollen. Bei diesem Schwager handelt es sich nach Recherchen von WDR, NDR und SZ ebenfalls um einen AfD-Politiker: Thomas Grebien, der im Kreis Plön (Schleswig-Holstein) dem AfD-Kreisvorstand angehört.
Diese Recherche geht auf Ausgangsrecherchen und einen Hinweis der Investigativabteilung von Greenpeace zurück. Brisant: Grebien, der Schwager des Organisators Gernot Mörig, war einst Gründer und in den 1990er-Jahren Vorstandsmitglied der 2009 dann verbotenen “Heimattreuen Deutschen Jugend” (HDJ) in Plön.
Aktiv in AfD trotz “Unvereinbarkeitsbeschluss”
Grebien hatte den Verein 1990 noch unter anderem Namen gegründet, übrigens gemeinsam mit dem Heilpraktiker Henning Pless, der ebenfalls im November bei dem Treffen in Potsdam anwesend war. 2009 hatte das Bundesinnenministerium den Verein dann verboten – weil er unter anderem mit völkischen Jugendlagern und der gezielten Ansprache von Jugendlichen neonazistische Ideen unter Kindern und Jugendlichen verbreitete.
Für die AfD war die Nähe zur HDJ bereits in der Vergangenheit zum Problem geworden: Als 2020 bekannt wurde, dass der frühere Landeschef der AfD in Brandenburg, Andreas Kalbitz, ein Sommerlager dieser HDJ besucht hatte, flog er kurz darauf aus der Partei. Der Verein steht bei der AfD bis heute auf der sogenannten “Unvereinbarkeitsliste”.
Für die AfD, die seit den Correctiv-Recherchen nicht nur im Fokus der Öffentlichkeit, sondern auch im Mittelpunkt einer Verbotsdebatte steht, ist all dies äußerst heikel. Auf Anfrage teilt der Kreisvorsitzende der AfD in Plön mit, die frühere Rolle seines Beisitzers bei der HDJ sowie im Hintergrund des “Düsseldorfer Forums” sei ihm nicht bekannt gewesen. Zu Konsequenzen äußerte er sich nicht. Auch die Bundes-AfD wollte sich ebenso wie Thomas Grebien nicht zu den Zusammenhängen äußern.