“ liveblog “ Ukraine Tag 715 Sa 10.02.2024 ++ Festnahmen bei Protesten von Soldatenfrauen ++
10. Februar 2024In russischen Großstädten wurden mehrere Menschen festgenommen, die gegen die Mobilisierung von Angehörigen protestierten. NATO-Chef Stoltenberg hat zu einer erhöhten Produktion von Waffen und Munition aufgerufen.
- Festnahmen bei Protesten von Soldatenfrauen
- Bericht: Bis zu zehn Millionen Ukraine-Flüchtlinge möglich
- Breuer: Müssen in fünf Jahren kriegstüchtig werden
- Sieben Todesopfer bei Drohnenangriff auf Charkiw
- NATO-Chef fordert Hochfahren der Waffenproduktion in Europa
13:49 Uhr
Festnahmen bei Protesten von Soldatenfrauen
In mehreren russischen Großstädten haben die Behörden Menschen festgenommen, die gegen die Mobilisierung von Angehörigen für den Ukraine-Krieg protestiert haben. In Jekaterinburg am Uralgebirge seien fünf Personen während der Niederlegung von Blumen an einem Soldatendenkmal von Polizisten in Zivil abgeführt worden, berichtete die Bürgerrechtsplattform OWD-Info.
In Moskau nahm die Polizei nach Informationen des Internetportals Sota zwei Personen auf das Revier mit. Beide Journalisten wurden demnach inzwischen wieder freigelassen. Aufgerufen zu der Protestaktion hatte die Bewegung „Putj domoi“ („Weg nach Hause»“, die von Ehefrauen mobilgemachter Russen ins Leben gerufen wurde.
Bericht: Bis zu zehn Millionen Ukraine-Flüchtlinge möglich
Die Bundesregierung geht davon aus, dass rund zehn Millionen Menschen die Ukraine verlassen könnten, wenn das Land zerfällt. Die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge würde in diesem Szenario nach Westeuropa aufbrechen, ein Zielland wäre Deutschland. Das berichtet die „Welt am Sonntag“ und beruft sich auf Auskünfte von Parlamentariern und aus Sicherheitskreisen.
CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter sieht Europa mehr denn je in der Verantwortung für die Ukraine. Die Unterstützerstaaten müssten die militärische Hilfe angesichts des aktuellen amerikanischen Zögerns jetzt deutlich erhöhen. „Wenn wir unsere Strategie bei der Ukraine-Unterstützung nicht ändern, wird das Worst-Case-Szenario einer Massenflucht aus der Ukraine und einer Ausweitung des Krieges auf NATO-Staaten sehr viel wahrscheinlicher. Dann sind zehn Millionen Flüchtlinge eher eine untere Annahme“, sagte Kiesewetter der Zeitung.
Migrationsforscher Gerald Knaus teilt diese Einschätzung: „Würde die Ukraine den Krieg verlieren, könnten auch viel mehr als zehn Millionen Flüchtlinge in die EU kommen. Es ist jetzt schon die größte Fluchtbewegung in Europa seit den 1940er-Jahren.“
Breuer: Müssen in fünf Jahren kriegstüchtig werden
Die Bundeswehr muss aus Sicht ihres Generalinspekteurs in fünf Jahren kriegstüchtig werden. „Kriegstüchtigkeit ist ein Prozess, den wir durchlaufen werden. Aber wir haben nicht endlos Zeit dafür“, sagte Generalinspekteur Carsten Breuer der „Welt am Sonntag“.
Erstmals seit Ende des Kalten Krieges werde ein möglicher Krieg von außen vorgegeben. „Wenn ich den Analysten folge und sehe, welches militärisches Bedrohungspotenzial von Russland ausgeht, dann heißt das für uns fünf bis acht Jahre Vorbereitungszeit.“ Das heiße nicht, dass es dann Krieg geben werde – aber er sei möglich. „Und weil ich Militär bin, sage ich: In fünf Jahren müssen wir kriegstüchtig sein.“ Es gehe am Ende darum, sich verteidigen zu können und dadurch für einen Gegner das Risiko so hoch anzusetzen, dass er sich gegen einen Angriff entscheide. Auch Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte zuletzt davon gesprochen, dass Deutschland kriegstüchtig werden müsse.
Auf die Frage, wie hoch er die Wahrscheinlichkeit einschätze, dass Putin über die Ukraine hinausgreife, sagte Breuer der „WamS“: „Dazu gehört zunächst die Intention. Die erkenne ich bei Putin aus dem, was er geschrieben und gesagt hat – und aus seinen Handlungen in der Ukraine.“ Weiter gehöre ein militärisches Potenzial dazu. „Wir haben gesehen, dass in Russland per Duma-Beschluss auf Kriegswirtschaft umgestellt worden ist. Das Potenzial wächst also zurzeit.“
Sieben Todesopfer bei Drohnenangriff auf Charkiw
Bei dem russischen Drohnenangriff auf eine Tankstelle in der ostukrainischen Stadt Charkiw sind nach jüngsten ukrainischen Angaben mindestens sieben Menschen getötet worden. Unter den Toten seien zwei Kinder im Alter von vier und sieben Jahren sowie ein sechs Monate altes Baby, teilte Regionalgouverneur Oleg Synegubow auf Telegram mit. Bei dem Angriff mit Shahed-Drohnen aus iranischer Produktion verteilte sich laut Charkiws Bürgermeister Ihor Terechow brennender Treibstoff auf umliegende Häuser, weswegen mindestens 50 Menschen evakuiert werden mussten. 14 Häuser gerieten demnach in Brand.
Schraffiert: von Russland besetzte Gebiete
Russland: Drohnenangriff auf Brjansk abgewehrt
Russland hat nach eigenen Angaben in der Nacht einen Drohnenangriff über dem Gebiet Brjansk nahe der Grenze zur Ukraine abgewehrt. Die Luftabwehr habe drei ukrainische Drohnen abgefangen und zerstört, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am frühen Morgen mit. Über Schäden oder Opfer war zunächst nichts bekannt. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig prüfen.
Hürde im US-Senat für Ukraine-Hilfspaket genommen
In Trippelschritten geht es mit der Gesetzesänderung für die Ukraine-Hilfe im US-Senat voran. Dieser stimmte mit 64 zu 19 Stimmen dafür, das Abkommen zur nächsten Instanz zu bringen. Es wird erwartet, dass die Gesetzgeber den nächsten Verfahrensschritt in einer seltenen Sonntagssitzung vornehmen. Der Gesetzentwurf umfasst ein 95,34 Milliarden Dollar geschnürtes Hilfs-Paket für die Ukraine, Israel und Taiwan. Wegen des Widerstands der Republikaner in beiden Kammern des Kongresses hat das Gesetz noch einen langen und ungewissen Weg bis zur Genehmigung vor sich.
Selenskyj wirbt vor US-Vertretern in Kiew um neue Militärhilfe
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat bei einem Treffen mit Vertretern aus Washington für weitere US-Milliardenhilfen zur Stärkung der Verteidigungskraft Kiews geworben. „Ich bin überzeugt, dass der Kongress die Entscheidung treffen wird, die Ukraine mit der notwendigen Hilfe zu unterstützen. Das wird unsere Verteidigung stärken“, sagte Selenskyj in Kiew. Er veröffentlichte dazu unter anderem im sozialen Netzwerk X (vormals Twitter) ein Video von dem Gespräch mit Vertretern des US-Repräsentantenhauses. In den USA wird im Zeichen des beginnenden Wahlkampfs über die Freigabe weiterer Milliarden für den Kampf der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg gestritten.
NATO-Chef fordert Hochfahren der Waffenproduktion in Europa
NATO-Chef Jens Stoltenberg hat die europäischen Mitgliedsländer des Bündnisses zu einer erhöhten Produktion von Waffen und Munition aufgerufen. „Wir müssen unsere industrielle Basis schneller wiederherstellen und ausbauen, damit wir die Lieferungen an die Ukraine erhöhen und unsere eigenen Bestände wiederauffüllen können“, sagte der frühere norwegische Ministerpräsident der „Welt am Sonntag“. Dies bedeute, von einer langsamen Produktion in Friedenszeiten zu schnellerer Herstellung zu wechseln, wie es bei Konflikten nötig sei. Die NATO suche keinen Krieg mit Russland, doch die Allianz müsse sich für eine womöglich jahrzehntelange Konfrontation wappnen.
Heusgen: Russischer Angriff auf NATO-Gebiet nicht ausgeschlossen
Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, hält einen russischen Angriff auf NATO-Gebiet für nicht ausgeschlossen, sollte die Ukraine den Krieg verlieren. Auf die Frage, ob er Putin einen Angriff auf ein NATO-Land zutraue, sagte Heusgen der „Rheinischen Post“: „Natürlich. Putin hat ja mehrfach gesagt, dass die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts der Zerfall der Sowjetunion war, weil damit viele Russen außerhalb der Grenzen Russlands gestrandet sind.“
Putin wolle ein Groß-Russland in den Grenzen der ehemaligen Sowjetunion wiederherstellen, ein russisches Weltimperium, in dem er zarengleich herrsche, sagte Heusgen. „Sollte Putin den Krieg in der Ukraine nicht verlieren, müssen wir damit rechnen, dass er auch nach der Republik Moldau oder den baltischen Staaten greift.“
Hilfspaket für Ukraine im US-Senat weiter in der Schwebe
Der US-Senat hat am Freitag weiter um Militärhilfen für die Ukraine gerungen – mit ungewissem Ausgang. In einer Sitzung wurde am späten Abend (Ortszeit) über ein Paket im Umfang von 95,3 Milliarden Dollar (88,3 Milliarden Euro) debattiert, das auch Mittel für Israel und andere Verbündete der USA vorsieht. Einige Senatoren der Republikaner, die Ex-Präsident Donald Trump nahestehen, meldeten verfahrensrechtliche Einwände gegen den Entwurf an. Der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, signalisierte Bereitschaft zu Änderungen am Paket, um sich die Unterstützung der Gegner zu sichern. Zugleich betonte er, dass die Kammer solange nachsitzen werde, „bis der Job erledigt ist“.
Brand in Charkiw nach russischem Drohnenangriff
Bei einem russischen Drohnenangriff auf eine Tankstelle der ostukrainischen Stadt Charkiw ist nach ukrainischen Angaben mindestens ein Mensch getötet worden. Charkiws Bürgermeister Ihor Terechow erklärte in der Nacht, nach dem Drohnenangriff auf die Tankstelle habe brennender Treibstoff 14 angrenzende Häuser in Brand gesetzt. Die Rettungsdienste würden das Feuer weiter bekämpfen und nach möglichen Opfern suchen. Die regionale Staatsanwaltschaft bestätigte den Tod von mindestens einem Menschen. Demnach erlitt ein weiterer Mensch Verbrennungen an 40 Prozent seiner Haut. In der Region hatte es in der Nacht nach ukrainischen Angaben eine Reihe von russischen Angriffen gegeben. Dabei wurde nach Angaben von Regionalgouverneur Oleg Synegubow auch ein Café getroffen.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.