Umstrittene NATO-Äußerung Wen könnte Trump meinen?
12. Februar 2024Die Äußerung von Ex-US-Präsident Trump, nur die Länder schützen zu wollen, die das Zwei-Prozent-Ziel erfüllen, hat Empörung ausgelöst. Doch gegen wen könnte Trumps Drohung gerichtet sein?
Auch wenn Donald Trump seine Drohungen dieses Mal im Konjunktiv ausgesprochen hat, bei der NATO nimmt man sie ernst. Trump provoziert, das weiß man noch aus der ersten Amtszeit. Viele Alliierte haben schmerzhafte Erinnerungen an das persönliche Abkanzeln in den ersten vier Trump-Jahren. Seine jüngste Attacke trifft die Allianz allerdings im Kern, so heißt es unter NATO-Diplomaten, einer spricht von der Seele der Allianz, die getroffen sei.
Im Grunde hat Trump die Beistandspflicht der Allianz infrage gestellt. NATO-Länder, die ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen – das ist die Botschaft seines Wahlkampfauftritts in South Carolina – können nicht mehr damit rechnen, dass Amerika ihnen im Angriffsfall zur Hilfe kommt. Er würde den Russen sogar empfehlen, „zu tun, was auch immer zur Hölle sie tun wollen“.
Trump ist nicht der Erste, der die Europäer zur Einhaltung des Zwei-Prozent-Ziels auffordert. Barack Obama hat das in seiner Amtszeit ebenfalls getan, wenn auch deutlich freundlicher. Der Beschluss, dass alle NATO-Mitgliedsländer zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung ausgeben sollten, wurde 2014 unter dem Eindruck der Krim-Annexion gefasst.
Relativ ohnmächtig hatte man in der Allianz zusehen müssen, wie Putin die ukrainische Halbinsel ohne nennenswerten Widerstand erobern konnte. Der Schock saß tief. Sparen an den Verteidigungsetats – die Zeiten sollten vorbei sein. Die Friedensdividende nach dem Mauerfall schien aufgebraucht zu sein.
Nur elf Länder haben Ziel erreicht
Welche Länder hat Trump mit seiner Attacke gemeint? Nach NATO-Berechnungen haben bis 2023 nur elf Mitgliedsländer das Zwei-Prozent-Ziel erreicht. An der Spitze liegt Polen, das 3,9 Prozent des eigenen Bruttoinlandsprodukts fürs Militär ausgegeben hat. Danach folgen die USA (3,49 Prozent), Griechenland (3,1 Prozent), Estland (2,73 Prozent), Finnland (2,45 Prozent), Rumänien (2,44 Prozent), Ungarn (2,43 Prozent), Lettland (2,27 Prozent), Großbritannien (2,07 Prozent) und die Slowakei (2,03 Prozent).
Im Umkehrschluss bedeutet das: Rund zwei Drittel der 31 NATO-Länder gaben weniger als die angepeilten zwei Prozent aus. Ganz unten am Ende der NATO-Statistik finden sich die westeuropäischen Länder Luxemburg, Belgien und Spanien. Sie hätten also schlechte Aussichten auf amerikanischen Schutz, wenn man Trumps Äußerungen vom Wochenende ernst nimmt. Und wenn sie von Russland angegriffen werden sollten – was selbst im Eskalationsfall als unwahrscheinlich gilt und das gesamte Gedankengebäude von Trump umso weniger glaubwürdig macht.
Ein größeres Risiko, Opfer eines russischen Angriffs zu werden, wird bei den Ländern in Ost- und Nordost-Europa gesehen. Die allerdings liegen mit ihren Militärausgaben im Verhältnis zur Wirtschaftskraft weit vorn – auch hier ist das Trump’sche Horrorszenario also ein Stück von der Wirklichkeit entfernt.
Trump zielte möglicherweise auf Deutschland
Der zielte mit seiner Drohung aber möglicherweise auf Deutschland. Bis zum vergangenen Jahr lagen die Ausgaben für Verteidigung noch deutlich unter der Zielmarke, bei 1,57 Prozent. Aber das hat sich nach Angaben der Bundesregierung geändert. In Berlin rechnet man damit, dass die Verteidigungsausgaben im laufenden Jahr 2024 mindestens 2,0 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt erreichen, eventuell noch etwas mehr. Ein Grund sind die tatsächlich anwachsenden Rüstungsausgaben.
Zur Hilfe kommen aber auch die schwachen Konjunkturdaten. Wenn die Wirtschaftskraft sinkt, fallen die Verteidigungsausgaben anteilig stärker ins Gewicht. Das wäre selbst dann so, wenn keine einzige Milliarde zusätzlich für die Verteidigung ausgegeben würde. Der Effekt zeigte sich zuletzt während des Konjunktureinbruchs in der Zeit der Corona-Pandemie.
Europa muss mehr in eigene Sicherheit investieren
Im Streit um eine faire Lastenteilung im Bündnis dürften die neuen Zahlen Deutschland aber Entlastung verschaffen. Wer die Zielvorgabe erreicht, gerät nicht so leicht ins Fadenkreuz der Kritik. In NATO-Kreisen gilt es als wahrscheinlich, dass die Entwicklung in Richtung höherer Ausgaben fürs Militär weitergeht. Und das ganz unabhängig von der Frage, ob Trump ein zweites Mal ins Weiße Haus einzieht oder nicht.
Europas Gesellschaften müssen mehr Geld in die eigene Sicherheit investieren, das ist Konsens im Bündnis, auch wenn der Demokrat Joe Biden im November das Rennen macht. Allerdings gibt es keinen Zweifel – und das ist der gravierende Unterschied zu seinem Herausforderer – dass Biden zur transatlantischen Allianz steht und damit zum Bündnis-Versprechen, jedem Land im Angriffsfall zur Hilfe zu kommen.