Alleingang der Behörde EU-Kommission lockert Umweltauflage für Bauern
13. Februar 2024Die Staaten der Europäischen Union sind uneins, da entscheidet die EU-Kommission im Alleingang – und setzt Zugeständnisse an Bauern durch. Ob diese auch in Deutschland gelten werden, muss nun die Bundesregierung entscheiden.
Die EU-Kommission lockert eine Umweltauflage für europäische Landwirte, obwohl sie dabei nicht von einer Mehrheit der EU-Staaten unterstützt wird. Die Brüsseler Behörde entschied im Alleingang über eine Ausnahme von Vorschriften für einen Mindestanteil an Brachland auf Ackerflächen. Rückwirkend zum 1. Januar werde die Vorgabe ausgesetzt, vier Prozent des Ackerlandes brachliegen zu lassen oder unproduktiv zu nutzen, teilte die Behörde mit.
Durch die Auflage sollte eigentlich die Umwelt geschützt werden. Die Kommission hatte die Regelung infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine ausgesetzt, ursprünglich um die Lebensmittelversorgung abzusichern. Die Ausnahme soll nun bis Ende des Jahres verlängert werden.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke kritisierte die Entscheidung: „Mit dieser Verpflichtung sollte das anhaltende Artenaussterben in unseren Agrarlandschaften gebremst werden“, so die Grünen-Politikerin. Sie setze sich dafür ein, dass die Ausnahme in Deutschland nicht umgesetzt werde.
Ausnahme bei Anbau stickstoffbindender Pflanzen
Um die Ausnahme in Anspruch nehmen zu können, gibt es den Angaben der Kommission zufolge eine Voraussetzung: Die Bauern müssen im Gegenzug auf vier Prozent ihrer Ackerflächen stickstoffbindende Pflanzen wie Linsen oder Erbsen beziehungsweise sogenannte Zwischenfrüchte anbauen. In einem ersten Vorschlag war noch von sieben Prozent Ackerfläche für stickstoffbindende Pflanzen die Rede. Wie ein Sprecher der EU-Kommission auf Nachfrage erklärte, habe man diese Vorgabe nach Rücksprache mit EU-Staaten abgesenkt, um Landwirten mehr Flexibilität zu ermöglichen.
Noch am Freitag hatte es nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums allerdings keine Mehrheit unter den EU-Staaten für das Vorhaben gegeben. „Das Abstimmungsergebnis ist die Quittung für den aktuellen Zickzackkurs der Kommission“, hatte Ressortchef Cem Özdemir (Grüne) am Freitag erklärt. Da im zuständigen Ausschuss weder eine ausreichende Mehrheit der EU-Staaten für noch gegen das Vorhaben gefunden wurde, konnte die EU-Kommission die Ausnahmen eigenständig in Kraft setzen.
Zustimmung von CDU, Kritik von Greenpeace
Ob deutsche Bauern die Ausnahme jetzt nutzen können, liegt in den Händen der Bundesregierung. Der Vorsitzende des Agrarausschusses des EU-Parlaments, Norbert Lins, appellierte an Özdemir, die Ausnahmen zeitnah umzusetzen. Der CDU-Politiker sieht in der Ausnahmeregel ein gutes Zeichen für die europäische Landwirtschaft.
Der Deutsche Bauernverband forderte, „jede Gelegenheit für mehr Vereinfachung“ in der Agrarpolitik der EU zu nutzen. Generalsekretär Bernhard Krüsken erklärte, die Bundesregierung müsse bis spätestens Ende Februar eine Entscheidung treffen, damit sich die Landwirtinnen und Landwirte noch für das laufende Anbaujahr auf die neuen Regeln einstellen könnten. „Hier kommt es auf jeden früheren Tag der Bekanntgabe an“, betonte Krüsken.
Die Umweltorganisation Greenpeace erklärte dagegen, die Entscheidung mache es möglich, dass letzte verbliebene Rückzugsräume vieler Arten in der Agrarlandschaft geschreddert werden könnten. „Bundesminister Özdemir muss jetzt standhaft bleiben und darf diesen Unsinn nicht auch noch in Deutschland mitmachen“, teilte Greenpeace mit.
Bauernproteste auch in Bulgarien
Mit den Ausnahmen kommt die EU-Kommission um Ursula von der Leyen Forderungen protestierender Landwirte entgegen. In mehreren europäischen Ländern gehen Landwirte seit Wochen gegen die Agrarpolitik ihrer Regierungen und Vorgaben aus Brüssel auf die Straße. Frankreichs Regierung stellte den Bauern daraufhin unter anderem Ausnahmen von den EU-Umweltauflagen in Aussicht.
Bulgarische Bauern verlangen von der Regierung mehr Zuschüsse und eine Neuregelung der EU-Auflagen des Grünen Deals.
In Bulgarien blockierten Landwirte nach einer Woche der regionalen Proteste das Zentrum der Hauptstadt Sofia. Mehrere Hundert Vertreter von 26 Verbänden – unter ihnen Viehzüchter, Milcherzeuger und Obst- und Gemüsebauern – verlangten vor dem Regierungssitz mehr Zuschüsse, eine Neuregelung von EU-Auflagen und den Rücktritt von Agrarminister Kiril Watew.