Überblick Treffen in München – Was auf der Sicherheitskonferenz zu erwarten ist
16. Februar 2024Zum 60. Mal trifft sich die politische Weltelite in München zur Sicherheitskonferenz. Was sind die Hauptthemen angesichts der angespannten Weltlage? Wer kommt? Und was ist von dem Treffen zu erwarten? Ein Überblick.
Etwa 800 Teilnehmende stehen auf der langen Liste der Münchner Sicherheitskonferenz. Einer ist nicht vermerkt. Und doch wird er – quasi als „weißer Elefant im Raum“ – die Diskussionen in München maßgeblich mitbestimmen. Gemeint ist Donald Trump.
Seit der ehemalige US-Präsident vor einer Woche mal eben mit wenigen Worten die globale Sicherheitsarchitektur infrage gestellt hat, herrscht Unruhe unter den NATO-Mitgliedsstaaten. Trump hatte bei einem Wahlkampfauftritt erklärt, er würde als Präsident säumige NATO-Mitglieder nicht militärisch unterstützen. Wenn nicht alles täuscht, wird die Unruhe über diese Aussage auch im Tagungshotel „Bayerischer Hof“ zu spüren sein. Dabei wird es vor allem um drei Punkte gehen.
Stabilität des westlichen Militärbündnisses
Erstens wird es um die Stabilität der NATO gehen. Was ist sie wert, wenn mit den USA das wichtigste Mitgliedsland den militärischen Beistand an die Zahlungsmoral koppeln sollte? So hatte es Trump vor einer Woche vorgebracht und das nicht zum ersten Mal. Auch 2018, damals als US-Präsident, sagte er in einem Interview, Montenegro würde er nicht verteidigen wollen.
Der Leiter der Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, plädiert dafür, nicht aufgeregt über die Worte des ehemaligen und vielleicht künftigen US-Präsidenten zu diskutieren. Vielmehr müssten die anderen Staaten ihre Hausaufgaben machen. Was zum nächsten Punkt führt.
Höhe der Verteidigungsausgaben
Zweitens wird die Höhe der Verteidigungsausgaben der einzelnen NATO-Mitgliedsstaaten zum Thema werden. Deutschland, das lange Zeit das Ziel verfehlte, zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben, wird diese NATO-Verpflichtung 2024 erreichen. Und das soll auch in den Folgejahren so bleiben, wie Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundeskanzler Olaf Scholz stets betonen. Allerdings ist die Frage unbeantwortet, wie die Finanzierung gewährleistet werden kann. Zur Diskussion steht, das Sondervermögen der Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro deutlich aufzustocken oder die Regeln der Schuldenbremse für die Verteidigungsausgaben auszusetzen.
Eine eigenständigere europäische Verteidigungspolitik?
Drittens steht die Frage einer eigenständigeren europäischen Verteidigungspolitik im Raum. Konsens ist, dass Europa unabhängig vom Wahlausgang in den USA mehr für die eigene Verteidigungsfähigkeit tun muss. Wie dies aussehen soll, darüber gibt es aber unterschiedliche Vorstellungen. Kurz vor der Sicherheitskonferenz ist auch die Diskussion über einen eigenen europäischen atomaren Schutzschild entfacht. Heusgen spricht sich explizit gegen eine europäische „Atommacht“ aus. Zum einen sei das mit den Atomwaffensperrverträgen nicht vereinbar, zum anderen wolle er sich nicht einmal vorstellen, wie die europäische Sicherheit ohne den amerikanischen Schutzschirm aussehen würde.
Sorge vor dem Wegfall der US-Hilfen für die Ukraine
Zentrales Thema wird erneut der Angriffskrieg gegen die Ukraine sein. Vor zwei Jahren hatte der ukrainische Präsident einen denkwürdigen und emotionalen Auftritt auf der Sicherheitskonferenz: „Wir werden vergessen“, klagte Wolodymyr Selenskyj vier Tage vor dem russischen Überfall auf sein Land. Er warb vehement für Sicherheitsgarantien und eilte nach seiner Rede sofort zurück nach Kiew. Auch in diesem Jahr wird er persönlich in München erwartet.
Sein Werben um Unterstützung ist dringlicher geworden. Der Ukraine fehlen Waffen und Munition. Russland ist hier zum Teil um das Fünffache überlegen. Hinzu kommt, dass ein US-Unterstützungspaket in Höhe von rund 60 Milliarden Dollar diese Woche zwar vom Senat befürwortet worden ist. Das republikanisch dominierte Repräsentantenhaus könnte es – und danach sieht es bisher aus – aber ablehnen. Europa wiederum wäre nicht in der Lage, diese Lücke zu füllen.
Neben Selenskyj werden auch die Europäer die Gelegenheit in München nutzen, um auf die republikanischen Senatoren und Abgeordneten für die Unterstützung der Ukraine einzuwirken. Nirgends außerhalb der USA sind an einem Ort so viele US-Abgeordnete anzutreffen wie auf der Münchner Sicherheitskonferenz.
Heusgen: Enge zwingt Teilnehmende, ins Gespräch zu kommen
Über Politik wird auf der Münchner Sicherheitskonferenz auf den öffentlichen Podien diskutiert. Politik wird aber auch gemacht in den für die Öffentlichkeit unzugänglichen oberen Etagen des Hotels. Zahlreiche bilaterale Treffen werden stattfinden, mitunter gleichen sie einem politischen Speed-Dating. „Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viele berechtigte Teilnahmewünsche wir aus Platzgründen ablehnen mussten“, sagt Heusgen, der die Konferenz trotzdem nicht an einen noch größeren Veranstaltungsort verlegen will, weil im Hotel „Bayerischer Hof“ alle allein durch die räumliche Enge gezwungen seien, miteinander ins Gespräch zu kommen.
Denn das Motto der Konferenz lautet nicht zuletzt: „Peace through dialogue“ – Friede durch Dialog. Wobei seit drei Jahren keine russischen und auch keine iranischen Regierungsvertreter eingeladen sind. Russland, so Konferenzleiter Heusgen, müsse erst wieder zurück in die „Zivilisation“ kommen und die Ukraine als Staat anerkennen. Dem Iran, der sowohl die Hamas als auch die Huthi-Rebellen unterstützt, wolle man keinen roten Teppich ausrollen.
Bis Donnerstag war die deutsche Außenministerin in Israel zu ihrem fünften Besuch in Nahost seit dem Überfall der Hamas auf Israel. In München wird sie ihre Bemühungen um eine humanitäre Feuerpause und die Freilassung weiterer israelischer Geiseln fortsetzen. Gemeinsam mit dem US-Außenminister Antony Blinken und anderen. Der israelische Präsident Izchak Herzog und Außenminister Israel Katz sind genauso angekündigt wie der Premierminister der palästinensischen Autonomiebehörde, Mohammed Shtayyeh. Dazu werden Repräsentanten aus Katar und Ägypten erwartet. Sie nehmen im Krieg zwischen Israel und der Hamas häufig eine Vermittlerrolle ein.
Welche Rolle wird China einnehmen?
Überrascht hatte im Vorjahr in München die Ankündigung des chinesischen Außenpolitikers Wang Yi, eine „Friedensinitiative“ für die Ukraine zu starten. Noch kurz zuvor hatten sich Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und Russlands Präsident Wladimir Putin als „beste Freunde“ bezeichnet. Die Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieses Vorstoßes bestätigten sich nicht nur, sondern China stellte in der Folge seine Parteinahme für Russland unter Beweis: Chinesische Unternehmen verkauften kampffähige Drohnen und andere Waffenbestandteile an Russland. Außerdem kaufen China wie auch Indien Russland seit Kriegsbeginn Öl- und Erdgas in großem Maßstab ab.
Nun wird Yi, seit Sommer 2023 wieder Außenminister, an diesem Wochenende wieder in München auftreten. Nach Einschätzung von Janka Oertel, der Asien-Expertin des European Council on Foreign Relations, wird er abstreiten, dass sein Land die russische Regierung so stark unterstützt. Dadurch wolle Yi das Friedensnarrativ zurückgewinnen. Zugleich war zuletzt festzustellen, dass China aufgrund seiner zuletzt schwierigen wirtschaftlichen Entwicklung um Investoren wirbt und offener auftritt.
Das bedeutet nicht, dass China zum Beispiel in der Taiwan-Frage kompromissbereiter wird. Peking sieht die Insel als eigenes Staatsgebiet an und droht mit Krieg, um seine Ansprüche durchzusetzen. Auch hier spielt die US-Wahl im November eine wichtige Rolle. Denn unter einem US-Präsidenten Trump könnte der amerikanische Schutz für Taiwan zur Disposition stehen.
Sicherheitskonferenz im Wandel
Schon seit Jahren hat sich die einstige „Wehrkundetagung“ zu einem globalen Diskussionsforum entwickelt. Heute ist die Konferenz stolz darauf, eine diverse Konferenz zu veranstalten. Der Sicherheitsbegriff ist längst erweitert. Es geht nicht nur um militärische Sicherheit, sondern um Querschnittsthemen wie Klimasicherheit, Ernährungs- und Gesundheitssicherheit, Wirtschaftssicherheit. In diesem Jahr werden so viele Vertreterinnen und Vertreter aus Staaten des „Globalen Südens“ erwartet wie nie zuvor.