Richtungsstreit in der WerteUnion Wer ist noch an Bord?
21. Februar 2024Kurz nach der Parteigründung gehen prominente Mitstreiter auf Distanz zur WerteUnion: Die Vereinsmitglieder Otte und Krall haben ihren Austritt erklärt. Es geht vor allem um das Verhältnis zur AfD.
Auf dem Ausflugsschiff „Godesia“ ist am Samstag auf dem Rhein bei Bonn aus dem Verein WerteUnion (WU) auch eine Partei gleichen Namens geworden. 55 Parteigründer sollen an Bord gewesen sein. Bei ihnen soll es sich, so ist aus Vorstandskreisen zu erfahren, um die einzigen offiziellen Parteimitglieder handeln.
Viele interne Kämpfe waren der Schifffahrt bereits vorausgegangen, so manch enger Mitstreiter soll schon dort bewusst ausgeschlossen worden sein. Im Nachgang der Rheinfahrt fliegen regelrecht die Fetzen. Vorläufiger Höhepunkt sind nun zwei Austritte aus dem Verein der WerteUnion: Der ehemalige Vereinsvorsitzende Max Otte und Hans-Georg Maaßens bisheriger Begleiter Markus Krall. Letzterer hatte noch im Januar einträchtig mit Maaßen die Parteigründung angekündigt.
Beide waren schon bei der Schifffahrt nicht dabei. Auch Maaßens bisherige Stellvertreterin Simone Baum, die die WU lange kommissarisch geführt hatte, war nicht an Bord. Zuletzt war sie einem größeren Publikum bekannt geworden, nachdem sie an dem von „Correctiv“ enthüllten Treffen im Landhotel Adlon in Potsdam im November teilgenommen hatte. Dessen berichtete Inhalte bestreitet sie. Am internen WU-Streit beteiligt sie sich derzeit nicht. Sie sagte dem WDR auf Anfrage, dass sie aber, sobald möglich, einen Aufnahmeantrag in die Partei stellen werde.
Streit um den „Premiumpartner“
Bei dem Streit geht es vor allem um die Linie, die die WerteUnion im Umgang mit der AfD finden will. Der könnte sie zumindest theoretisch als Mehrheitsbeschafferin bei anstehenden Wahlen dienlich sein, sofern sie es selbst über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen sollte. Eine Brandmauer zur AfD soll es bei der WerteUnion ausdrücklich nicht geben.
Parteichef Maaßen hatte allerdings kürzlich die CDU und nicht etwa die AfD als „Premiumpartner“ der neuen Partei bezeichnet und dadurch viel Unmut auf sich gezogen. In den sozialen Medien war ein regelrechter Shitstorm über ihn und seine neuen Vorstände hereingebrochen.
Dieser Richtungsstreit steckt offenbar auch hinter den prominenten Austritten. Otte zeigt sich im Interview mit dem WDR entschieden, wie sich die WU künftig positionieren soll: „Eine Partei, die sich nicht zu ihrem potenziell wichtigsten Koalitionspartner bekennt, hat ihren Auftrag verfehlt und kann nicht zur Politikwende beitragen.“
Otte war im Januar 2022 von der AfD als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten vorgeschlagen worden. Der Partei WerteUnion gehörte er bislang nicht an. „Ich war Mitglied im Verein und wollte nie in die Partei eintreten, da ich mich nach meiner Kandidatur um das Amt des Bundespräsidenten aus der Parteipolitik zurückgezogen habe, wie es gute Sitte ist.“
Krall gegen Brandmauer zu AfD
Krall veröffentlichte am Mittwochfrüh auf der Social-Media-Plattform X ein Statement. Die angestrebte Positionierung des WU-Vorstands bezeichnete er als „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“-Partei. Auch er bemängelte fehlende Klarheit und Positionierung.
Bereits im Dezember hatte er sich entschieden und sich offen bezüglich einer Koalition mit der AfD gezeigt. In einer Runde im kleinen Kreis in Berlin sagte er, dass er in der AfD einen wichtigen möglichen Koalitionspartner sehe, für ihn dürfe es keine Brandmauer geben.
Er sprach damals noch als Vertreter eines größeren Plans, der etwa ein halbes Jahr zuvor im hessischen Wetzlar geschmiedet worden war – am Rande einer Konferenz namens „Schwarmintelligenz“, auf der sich seit vielen Jahren Vertreter des liberalkonservativen Lagers treffen.
Dort soll zwischen Maaßens WerteUnion, Vertretern der Partei „Bündnis Deutschland“ sowie einigen Ex-AfD-Abgeordneten der Plan einer gemeinsamen Liste für die wichtigen Landtagswahlen 2024 in Sachsen, Thüringen und Brandenburg und womöglich darüber hinaus vereinbart worden sein.
Vermeintliche Verbündete
Noch Ende Dezember soll an dem Plan gearbeitet worden sein, die Strukturen der bestehenden Partei „Bündnis Deutschland“ zu nutzen. Dass die WerteUnion währenddessen eigene Parteigründungspläne ohne die Partner verfolgte, erfuhr mancher der vermeintlichen Verbündeten kurz nach Silvester aus den sozialen Medien.
Der Bundesvorsitzende von „Bündnis Deutschland“, Steffen Große, hatte daraufhin aus seinem Ärger über Maaßen keinen Hehl gemacht. Weitere Teilnehmer der Planungen bestätigten dem WDR die Darstellung. Die Vertreter von „Bündnis Deutschland“ (BD) sollen nach WDR-Recherchen bei diesen Verhandlungen allerdings auf einer Brandmauer zur AfD bestanden haben.
Krall stellt es nun auf Anfrage anders da: Es sei damals „eine Annäherung zwischen BD und WU sondiert“ worden, was sich jedoch aus ihm nicht bekannten Gründen nicht realisiert habe. Dass es keine Brandmauer geben sollte, sei „zum damaligen Zeitpunkt Konsens unter allen Beteiligten“ gewesen, „allerdings mit dem Ziel eine Politik der Mitte durchzusetzen“, so Krall.
Wo Krall die politische Mitte sieht, ist unklar. Er steht für Aussagen und Positionen, die vielen als zu radikal gelten. Dazu gehört etwa die Forderung, dass sich Empfänger von Transferleistungen zwischen diesen und dem Wahlrecht entscheiden müssten sowie Vorstellungen von einem radikalen Umbau des politischen Systems.
Anschlussfähig für Bürgerliche?
Das breitere Bündnis zwischen WerteUnion und den geplanten Partnern zerbrach mit Bekanntwerden des Parteiprojektes WU. In den vergangenen Wochen soll sich Maaßen sehr bemüht haben, den entstandenen Vertrauensverlust wieder zu kitten und einige Personen für seine WerteUnion zu gewinnen. Auch sein Stellvertreter in der neu gegründeten Partei, der ehemalige WerteUnionsvorsitzende Alexander Mitsch, gilt als Verfechter eines bürgerlichen Kurses fern der AfD.
Mitsch hatte den Verein WerteUnion lange geführt und diesen nach verlorenem Machtkampf gegen Otte verlassen. „Es ist extrem wichtig, dass die WU sich seriös und nicht provokativ aufstellt“, sagte Mitsch jetzt dem WDR. „Wir müssen anschlussfähig sein für Bürgerliche in Deutschland, die mögen keine schrillen und radikalen Positionen“.
Kein Mehrheitsbeschaffer
Die Aussage, dass die WU in Thüringen keinesfalls Helfershelfer eines Ministerpräsidenten Björn Höcke sein werde, sei Mitsch enorm wichtig. Er wolle die anständigen Leute in allen Parteien ansprechen, mit denen man reden könne. Eine „feste Bindung an die Putin-nahe AfD halte ich für ausgeschlossen“.
Maaßen sagte auf Anfrage zu den Austritten von Otte und Krall: „Beide haben sich entschieden, dass ihre politischen Vorstellungen nicht mit den Zielen der WerteUnion und auch nicht mit denen der Partei übereinstimmen. Wenn sie dieser Auffassung sind, ist ihr Austritt konsequent.“ Die Partei WU sei die einzige Partei, die mit allen reden und auch mit allen zusammenarbeiten will. „Die Partei WerteUnion ist nicht der Mehrheitsbeschaffer von CDU oder AfD und auch nicht der kleine Hund, der hinter der AfD herläuft.“