“ liveblog “ Ukraine Tag 727 Do 22.02.2024 ++ Russen rücken weiter um Awdijiwka vor ++
22. Februar 2024Ukrainischen Angaben zufolge rücken russische Truppen weiter um Awdijiwka vor. EVP-Chef Weber fordert, die EU solle Munition nur noch für die Ukraine produzieren.
- Ukrainische Streitkräfte: Russland rückt weiter um Awdijiwka vor
- 2023 kamen weniger Ukrainer nach Deutschland
- Selenskyj fordert schnellere Unterstützung
- Bundestag debattiert über weitere Hilfe für Ukraine
10:53 Uhr
Russland zieht sich aus Fischerei-Abkommen mit Großbritannien zurück
Russland zieht sich aus einem mit Großbritannien geschlossenen Fischerei-Abkommen zurück, dass der damalige sowjetische Staatschef Nikita Chruschtschow vor fast 70 Jahren mit Großbritannien geschlossen hatte. „Als Nikita Chruschtschow 1956 diesem Abkommen zustimmte, ist es schwer zu sagen, wovon er sich leiten ließ, aber es war definitiv nicht von nationalem Interesse“, sagte er einflussreiche Duma-Präsident Wjatscheslaw Wolodin nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters.
Mit dem Rückzug aus dem Abkommen reagierte Russland offenbar auf neue Sanktionen, die Großbritannien gegen sechs Verantwortliche des arktischen Straflagers verhängt hat, in dem der russische Oppositionelle Alexej Nawalny in der vergangenen Woche gestorben ist. „Wenn man uns fragt, ob wir auf Sanktionen reagieren können, lautet die Antwort: Wir können“, erklärte Wolodin. Er verwies darauf, dass unter dem Abkommen britische Fischereischiffe Tausende Tonnen Kabeljau und Schellfisch in russischen Gewässern gefangen hätten. Das Fischereiabkommen vom Mai 1956 erlaubt britischen Schiffen den Zugang zu den reichen Fischgründen der Barentssee-Region.
Deutschland und Tschechien: Verhandlungen über weiteren Waffen-Ringtausch?
Deutschland und Tschechien führen Gespräche über einen weiteren sogenannten Ringtausch, um die Ukraine mit schweren Waffen zu beliefern. Über ein entsprechendes Angebot aus Berlin berichtete der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala nach einer Kabinettssitzung am Mittwochabend. „Das wird es uns ermöglichen, unsere Abhängigkeit von russischer Technik zu reduzieren und unsere Armee zu modernisieren“, sagte der liberalkonservative Politiker. Deutschland könnte Tschechien demnach weitere Kampfpanzer vom Typ Leopard 2A4 zur Verfügung stellen. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa handelt es sich dabei um aus der Schweiz beschaffte Panzer, die vertraglich vereinbart nicht in die Ukraine geliefert werden dürfen. Im Gegenzug würde Tschechien aus seinen Beständen weitere Panzer der sowjetischen Bauart T-72 an die Ukraine abgeben.
Klitschko dankt Deutschland – und fordert „Taurus“-Raketen
Zwei Jahre nach der russischen Invasion in der Ukraine hat Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko die deutsche Militärhilfe gewürdigt, aber gleichzeitig weitere Waffensysteme gefordert. Für sein Land sei „eine der wichtigsten Fragen“, ob Deutschland die erbetenen Marschflugkörper vom Typ „Taurus“ liefere, sagte Klitschko in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa. „Wir verteidigen unser Land. Und deswegen brauchen wir ‚Taurus‘. Wir können damit die Militärlogistik der Russen zerstören.“
Klitschko betonte erneut, dass die Ukraine nicht nur für ihre eigene Existenz, sondern auch für Europa kämpfe. „Jeder muss verstehen: Wir verteidigen jeden von euch. Putin geht so weit, wie wir es ihm erlauben zu gehen. Die Gefahr ist da, die Gefahr ist groß.“ Kiews Bürgermeister äußerte sich anerkennend, dass Deutschland bei der militärischen Hilfe inzwischen sehr viel für die Ukraine tue. „Endlich ist Deutschland mal aufgewacht und hilft uns sehr“, sagte er. Es sei aber mehr Hilfe nötig. Der frühere Box-Weltmeister appellierte auch an alle anderen Verbündeten, der Ukraine weiterhin zur Seite zu stehen.
Statistisches Bundesamt: 2023 kamen weniger Ukrainer nach Deutschland
Aus der Ukraine ziehen deutlich weniger Menschen nach Deutschland als im Jahr der russischen Invasion 2022. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 277.000 Zuzüge aus der Ukraine und 156.000 Fortzüge erfasst, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Daraus ergibt sich eine Nettozuwanderung (Zuzüge abzüglich Fortzüge) von 121.000 Menschen.
Zum Vergleich: 2022 hatte es rund 1,1 Millionen Zuzüge und 138.000 Fortzüge gegeben, woraus sich eine Nettozuwanderung von 960.000 Menschen ergab. Diese blieb aber auch im vergangenen Jahr höher als vor dem russischen Angriffskrieg: 2021 lag sie lediglich bei 6000, 2020 bei 5000 und 2019 bei 7000. Der Anteil der ukrainischen Bevölkerung in Hamburg und Berlin war laut Bundesamt zuletzt am höchsten.
Selenskyj fordert schnellere Unterstützung
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ruft nach der russischen Einnahme der Stadt Awdijiwka die Verbündeten zu schnellerer Hilfe auf. Er drückt erneut seine Unzufriedenheit über die Verlangsamung der westlichen Hilfe für die ukrainischen Kriegsanstrengungen aus, ohne die USA direkt zu erwähnen. „Wir müssen schneller handeln. Das heißt, wir müssen die ganze Bürokratie loswerden. Sonst haben wir keine Chance“, sagt er in Auszügen eines Interviews mit dem US-Sender Fox News, das am Donnerstag ausgestrahlt werden soll.
Die Forderung von US-Präsident Joe Biden, ein großes Hilfspaket für die Ukraine zu verlängern, scheitert bislang an Streitigkeiten im US-Kongress. Selenskyj räumt ein, dass es nicht einfach sein dürfte, eine Alternative zur US-Hilfe zu finden. „Natürlich werden wir eine finden. Wir werden nicht einfach da sitzen und warten. Wir müssen überleben. Wir müssen parallel Lösungen finden.“
Bundestag debattiert über weitere Hilfe für Ukraine
Vor dem zweiten Jahrestag des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine berät der Bundestag heute in zwei Debatten über die weitere Unterstützung des Landes. Abgestimmt werden soll danach über einen Antrag der Koalitionsfraktionen, in dem die Bundesregierung zur Lieferung von „zusätzlich erforderlichen weitreichenden Waffensystemen“ aufgerufen wird – von Kiew schon lange geforderte „Taurus“-Marschflugkörper werden allerdings nicht ausdrücklich genannt. Aufgeführt wird „Taurus“ hingegen in einem Antrag der Unionsfraktion.
Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die schon lange eine „Taurus“-Lieferung fordert, hat deshalb angekündigt, auch für den Unions-Antrag zustimmen. Offen war im Vorfeld allerdings, ob über diesen schon am Donnerstag abgestimmt wird. Er könnte auch zunächst in den zuständigen Ausschuss verwiesen werden.
Weber: EU soll Munition nur noch für die Ukraine produzieren
Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, will die Munitionsproduktion der Europäischen Union (EU) ausschließlich auf die Ukraine ausrichten. „Der ukrainischen Armee geht mehr und mehr die Munition aus. Wie in der Covid-Pandemie muss jetzt in einem Kraftakt die gesamte EU-Produktion gebündelt und in die Ukraine geliefert werden“, sagt Weber den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Dabei sollten insbesondere bestehende Verträge über weltweite Lieferungen an Länder geprüft werden, die derzeit nicht dringend auf Munitionslieferungen angewiesen sind. Auch die Lieferung der deutschen „Taurus“-Marschflugkörper sei überfällig. Die EU-Staaten müssten der Unterstützung der Ukraine endlich Priorität einräumen und nicht „mit angezogener Handbremse agieren“. Schließlich verteidige die Ukraine nicht nur sich selbst, sondern faktisch ganz Europa.
Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber fordert, dass die EU-Staaten der Unterstützung der Ukraine Priorität einräumen müssten.
Ukrainische Streitkräfte: Russland rückt weiter um Awdijiwka vor
Die russischen Streitkräfte, die in der vergangenen Woche die ostukrainische Stadt Awdijiwka eingenommen haben, rücken nach Angaben der ukrainischen Streitkräfte weiter auf die umliegenden Städte und Dörfer vor. „Mit der Einnahme von Awdijiwka ist es nicht getan. Sie greifen (unsere Stellungen) weiter an“, sagte Andrij, ein ukrainischer Drohnenpilot der 47. Brigade. „Nach Awdijiwka sind die umliegenden Dörfer an der Reihe. Und dann Myrnohrad und Pokrowsk, die nächsten größeren Städte.“
Maksym Zhorin, stellvertretender Kommandeur der dritten ukrainischen Angriffsbrigade, schrieb auf Telegram: „Die Situation an der Awdijiwka-Front ist ziemlich klar. Die Russen werden so weit vorrücken, wie es ihre Kräfte zulassen, je nachdem, wie viele überleben.“ Die russischen Truppen sicherten Awdijiwka, nachdem monatelanges Bombardement die Stadt in Schutt und Asche gelegt hatte. Es war der größte russische Erfolg seit der Einnahme von Bachmut im Mai 2023.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.