Nächste Lockdown-Stufe in Sicht: Diese Maßnahmen könnten am Dienstag beschlossen werden

Nächste Lockdown-Stufe in Sicht: Diese Maßnahmen könnten am Dienstag beschlossen werden

16. Januar 2021 Aus Von mvp-web
17:09:02
Die Corona-Tragödie in Irland soll Deutschland eine Warnung sein: Der Shutdown geht dort in die nächste Stufe. Kanzlerin Angela Merkel will schon am Dienstag mit den Regierungschefs der Länder neue Verschärfungen vereinbaren. Was kommt? Ein Wasserstand.

Ein Bild sagt mehr als 1000 Minister-Worte: Wer sich nicht lange mit der verheerenden Wirkung der neuen Virus-Mutation befassen will, kann sich einfach die Entwicklung in Irland ansehen. Im Kanzleramt haben sie das getan. Angela Merkel und ihre Leute kennen diese Kurve, die geradezu senkrecht nach oben geht. Sie wollen eine solch desaströse Entwicklung in Deutschland unbedingt verhindern.

Als die Regierungsmitglieder am Mittwoch zur Kabinettssitzung zusammenkamen, zeigten sich alle alarmiert, dass die hochansteckende Mutation, die in Fachkreisen unter dem Kürzel B.1.1.7 geführt wird, die Verbreitung des Virus beschleunigt. Die Sorge sei „enorm“, hieß es.

Ourworldindata.org, Stand: 13.01.2021

Ausloten, was gemeinsam möglich ist

Irland soll eine Warnung sein. Das heißt: Deutschland macht weiter dicht.

Büros, Verkehr, privates Zusammenleben – Bund und Länder loten gerade aus, was möglich ist. Und vor allem: was gemeinsam möglich ist.

Homeoffice als wichtiger Hebel

Die Kanzlerin, ihr Kanzleramtsminister Helge Braun (beide CDU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) haben schon lange die Büros und andere Arbeitsplätze als Virus-Tummelplatz ausgemacht. Arbeitergeber wurden zuletzt geradezu angebettelt, wo es auch nur irgendwie geht, Homeoffice-Möglichkeiten zu schaffen. Unter Regierungsleuten gilt es als durchaus realistisch, dass eine Pflicht eingeführt wird, sollten alle Appelle nicht helfen. Angepeilte Zielmarke: Die Hälfte der Beschäftigten sollte es mindestens sein, die zu Hause bleibt.

Jetzt stellt sich sogar das Staatsoberhaupt als „Werbeträger“ für Homeoffice zur Verfügung, um ein radikales Umdenken zu erreichen: „Weniger ist mehr – gerade in diesen Tagen”, sagte er in seinem Aufruf. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier startete gemeinsam mit DGB-Chef Reiner Hoffmann und Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger einen Appell.

Beteuerungen zu Schule und Kita als Sackgasse

In Berlin setzt sich bei immer mehr Verantwortlichen die Erkenntnis durch: Die Beteuerungen, dass Kita und Schule „wenn es irgendwie geht“ offen bleiben sollten, hat kommunikativ in die Sackgasse geführt. Es gab seit dem Sommer zwar diesen Willen, auch in den Ländern. Doch haben politische Wünsche und epidemiologische Wirklichkeit gerade wenig miteinander zu tun. Und so umschleichen Regierungsvertreter aus Bund und Ländern seit Wochen die harte Botschaft, dass eine Rückkehr zu mehr Präsenz fürs erste eine Illusion ist. Nur: Wie sag ich’s meinem Kinde? Oder eben: „meinen“ Eltern?

Nah- und Fernverkehr als Infektionsquelle

Auch Busse und Bahnen sind weiterhin mögliche Covid-Verkehrswege. Merkel ließ zwar dementieren, dass eine Schließung des öffentlichen Nahverkehrs geplant sei. Wie aber größere Abstände in Bussen und Bahnen die Probleme zumindest abmildern könnte, beschäftigt die Entscheider weiterhin.

Gesundheitsminister Jens Spahn hat zurückhaltend reagiert auf den Vorstoß von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) für FFP2-Maskenpflicht im öffentlichen Raum. Zugleich ist der CDU-Politiker froh über jede weitere Schutzmauer gegen das Virus.

Am kommenden Dienstag wird das nächste digitale Corona-Spitzentreffen von Bund und Ländern stattfinden. Die Zeit drängt. Denn die neue Mutation, die vereinzelt auch in Deutschland nachgewiesen wurde, könnte sich als pandemischer Brandbeschleuniger erweisen. Wie ein Blick nach Irland und England zeigt. „Deutschland soll kein zweites Irland werden“, lautet der feste Vorsatz in Berliner Regierungskreisen.

Wert von 50 soll maßgeblich bleiben

Irland hatte Corona eigentlich im Griff, so schien es. Doch um die Monatswende November/Dezember wurde hoffnungsfroh eine Lockerung eingeleitet. Dann aber kam die dritte Welle, die das Land erfasste. Die Infektionszahlen explodierten geradezu. Um die Lage wieder unter Kontrolle zu kriegen, rief die Regierung in Dublin am 30. Dezember um Mitternacht „Level 5“ aus: Läden dicht, Schulen dicht – und auf den Baustellen wurden die Arbeiten eingestellt. Alle Beschäftigten, bei denen es irgendwie geht, arbeiten daheim. Und Zuhause dürfen keine Gäste empfangen werden. Auch keine Verwandten. Seither gehen die Zahlen wieder etwas zurück.

Irland gilt in der Berliner Regierungszentrale auch als  warnendes Beispiel, was zu frühe Lockerung anrichten kann. Merkel und Braun halten – auch deshalb – weiter den Inzidenz-Wert 50 für den entscheidenden.

Sorge vor wachsendem Lockerungs-Druck

In Regierungskreisen ärgern sich viele über ein Missverständnis zu dieser Schlüsselzahl: Niemand hat je behauptet, dass sie virologisch von Bedeutung sei, sondern es geht um den praktischen Kampf gegen Covid unter den deutschen Rahmenbedingungen. Und dazu gehört die dramatisch schlechte Besetzung vieler Gesundheitsämter. Nur bis zu dem Wert von 50 Infizierten auf 100.000 binnen sieben Tagen haben sie die Chance, die Kontakte nachzuverfolgen. Bund und Länder haben zwar bei früheren Treffen vereinbart, dass „50“ weiter die magische Grenze sein soll. Ob dieser Wert auch bei den Regierungschefinnen und -chefs der Länder steht, wenn der Corona-Frust weiter um sich greift und Druck von Familien und Firmen wächst, ist fraglich.

Die Kanzlerin und ihre Berater fürchten, dass ein zu früher Ausstieg aus den harten Regeln der Endlos-Schleife neuen Schwung geben wird. Das ist ihre größte Sorge. Eine Art Perpetuum Mobile der Corona-Viren-Verbreitung wollen sie auf jeden Fall verhindern.

Skeptisch gegenüber Impfpflicht

Dass in deutschen Alten- und Pflegeheimen weiterhin täglich hunderte mit Corona infizierte Menschen sterben, ist eine wahre Tragödie. Hygiene-Konzepte wurden zwar zugesagt, aber offenbar nicht überall umgesetzt. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte zuletzt angesichts der recht geringen Bereitschaft des Pflegepersonals, sich impfen zu lassen, eine Impfpflicht ins Gespräch gebracht.

Nach Informationen von FOCUS Online legte Minister Spahn im Kabinett dar, dass er sich an seine Ansage gebunden fühlt, dass es keine Impfpflicht geben werde. Die Kanzlerin habe diesen Kurs „bekräftigt“, meldeten Teilnehmer der Runde. Das ganze Kabinett hätte sich zuletzt ablehnend gegenüber einer obligatorischen Impfung gezeigt. Einige fürchten, dass Druck auf die Pflegenden, die ohnehin seit Monaten unter einer gigantischen Belastung stehen, sich als kontraproduktiv erweisen könnte.

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