Plötzlich schart sich ganze Union um Laschet – und wirft damit ihre Machtmaschine an

18. Januar 2021 Aus Von mvp-web

18:38:22
Die Union regiert nicht aus Zufall schon 51 Jahre Deutschland. Das hat sie geschafft, weil sie eine Machtmaschine ist. Übers Wochenende hat die Union diese Maschine gestartet – und von Flügelkämpfen gibt es plötzlich keine Spur mehr.

Mit miesen Umfragen kennt Armin Laschet sich aus. Vor der letzten Wahl in Nordrhein-Westfalen lag er scheinbar uneinholbar hinter der Ministerpräsidentin Hannelore Kraft von der SPD zurück; um dann im Schlussspurt zu gewinnen. Vor der Wahl zum CDU-Vorsitzenden lag er drastisch hinter Friedrich Merz zurück; um die Wahl zu gewinnen. Die Delegierten hatten sich von den schlechten Umfragen nicht beeindrucken lassen.

Nun liegt Laschet wieder zurück – dieses Mal hinter seinem wohl einzigen Konkurrenten um die Kanzlerkandidatur der Union. Und dieses Mal sagt Markus Söder: Umfragen ändern sich, vor allem solche, die Armin Laschet betreffen. Markus Söder lernt schnell. Zum Beispiel, dass Laschets größtes Pfund noch stets war, von allen unterschätzt zu werden.

Nach Laschet-Wahl ist CDU gespalten? Wer so denkt, hat Machtmaschine Union nicht verstanden

Nach der Wahl war in Kommentaren oft die Rede davon, die CDU sei nun gespalten – in zwei Lager, und werde sich auch so einfach nicht versöhnen lassen. Das relativ knappe Wahlergebnis zum CDU-Parteichef zugunsten von Laschet schien das nahe zu legen. Wer so analysierte, unterschätzte aber die Dynamik innerhalb der CDU. Die Union regiert nicht aus Zufall schon 51 Jahre Deutschland. Das hat sie geschafft, weil sie eine Machtmaschine ist. Übers Wochenende hat die Union diese Maschine gestartet.

Von Flügelkämpfen keine Spur mehr. Schauen wir uns um im Unterstützer-Lager von Friedrich Merz. Zuallererst in Baden-Württemberg. FOCUS Online hatte schon am Wochenende berichtet, dass sich die wesentlichen Vertreter der Baden-Württemberg-CDU abgestimmt hatten, Laschet als den neuen Vorsitzenden zu stützen. Jetzt erklärte der Landesvorsitzende Thomas Strobl, der Schwiegersohn des prominentesten Merz-Helfers Wolfgang Schäuble, in geradezu pathetischen Worten über Merz-Bezwinger Laschet: „Er hat als Bundesvorsitzender meine volle, uneingeschränkte und loyale Unterstützung.“ Damit nicht genug. Strobl erwähnte, dass Laschet seinen Familien-Urlaub regelmäßig am Bodensee verbringe, „seit vielen Jahren besuche ich ihn dort und wir sitzen bei einem Felchen lange am See zusammen“.

Machterfolg der CDU: Für die SPD gilt „Diskutieren first“, für die Union: „Regieren first“

Seit Jahren klagen SPD-Führungsleute über die Selbstverständlichkeit, mit der sich die Union als Kanzler-Partei verstehe. Sie halten es für arrogant. Das Geheimnis für den Macht-Erfolg der Union ist allerdings weniger Überheblichkeit, sondern der Umstand, dass CDU wie CSU keine ausgewiesenen Programmparteien sind; auch finden sie ihre innere Bestätigung nicht in Flügelkämpfen, was für die SPD seit ihrem Bestehen typisch ist. Das Schlüsselwort in Strobls Sätzen lautet: Loyalität.

Die gilt in der Union allerdings nicht uneingeschränkt. Loyalität kann hier nur einfordern, wer erfolgreich ist, was das Scheitern von Laschets Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer erklärt. Aus dem Ende der Kanzlerschaft von Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder kann man indes lernen, dass die SPD nicht einmal zu den sozialdemokratischen Führungsfiguren loyal ist, die erfolgreich sind.

Zu den wichtigen Merz-Unterstützern gehörte der Chef der Jungen Union, Tilman Kuban. Heute sagt Kuban, der einer mitgliederstarken Organisation vorsteht, die sich als konservativ versteht, nun über den neuen Parteivorsitzenden: Er werde „mit der gleichen Leidenschaft für den Zusammenhalt der Partei und Armin Laschet werben“. Wer die Union nicht kennt, wird so etwas für Opportunismus halten. Es ist aber, siehe oben, vor allem ihrer DNA geschuldet – dem Machttrieb. Für die SPD gilt „Diskutieren first“, für die Union: „Regieren first“.

Merz-Unterstützer: Selbst in Sachsen-Anhalt begrüßt man Laschet jetzt den „Wertkonservativen“

Schließlich ein Blick nach Ostdeutschland, der dritten wichtigen Bastion von Friedrich Merz. Dort waren sie vor allem für den Sauerländer, weil sie sich von ihm, dem Konservativen, erhofften, die AfD möglichst in Schach zu halten. Jetzt begrüßte Rainer Haselhoff, der in einer Koalition mit Sozialdemokraten und Grünen regiert, in Armin Laschet den „Wertkonservativen“, der klare Kante gegen die AfD fahre, genau wie er selbst.

Sachen-Anhalt ist einer der komplexesten Landesverbände der CDU. Selbst in der Führung gibt es dort Vertreter, die für eine Kooperation mit der AfD zugänglich sind. Haselhoff geht also mit seinem uneindeutigen Bekenntnis gegen jede Zusammenarbeit mit der AfD ein Risiko ein. Darin sieht er nun Laschet an seiner Seite.

Und was macht Markus Söder? Der beantwortete eine für Armin Laschet außerordentlich heikle Frage der FAZ, nämlich die, ob der Rheinländer auch dann Kanzlerkandidat werden könne, wenn die CDU im März die Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz vergeigt, so: „Das hat nichts miteinander zu tun. Auch bei einem neuen Trainer kann nicht das erste Spiel der Maßstab sein.“

Laschet: Von vielen wurde er in die grüne Ecke geschoben – doch in NRW regiert er geradezu anti-grün

Ein Statement Söders, dass noch sehr wichtig werden kann. Zumal nach diesem ersten „Spiel“ vor der Bundestagswahl kein zweites mehr folgt, das die Kanzlerkandidatur beeinflussen könnte. Der CSU-Vorsitzende weiter: „Wir suchen eine Persönlichkeit, die Deutschland führen soll und kann, keinen Kandidaten für Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz.“

Von vielen Kommentatoren (auch von mir) ist Armin Laschet in die grüne Ecke geschoben worden, weil zu den Konstanten seiner Biografie die Offenheit der Union gegenüber den Grünen gehört. Mit Blick auf Nordrhein-Westfalen, wo Laschet regiert, muss man allerdings feststellen, dass Laschet auf wichtigen Feldern geradezu anti-grün regiert.

Laschets Vorgängerin Kraft hatte ihren grünen Umweltminister nach Herzenslust schalten und walten gelassen, ihm auch zugebilligt, umweltpolitische Vorgaben aus Brüssel im Land eigenmächtig auch noch mal zu verschärfen. Für viele Unternehmen, meistens aus dem Mittelstand,  war war das grün geführte Umweltministerium in Düsseldorf zu so etwas wie einer Heimsuchung geworden. Damit hat Laschets Regierung schon mit dem Koalitionsvertrag Schluss gemacht: Entscheidungen aus Europa dürfen nun nur noch „Eins zu Eins“ umgesetzt werden.

Was die Wirtschaftskompetenz angeht, an der die Kandidatur von Merz festgemacht wurde, kann Laschet darauf verweisen, dass er in Düsseldorf ein Digitalministerium geschaffen hat, das laut Handelsblatt inzwischen zu einer „Blaupause“ für ein solches Ressort auf Bundesebene geworden ist. Allerdings: Das Düsseldorfer Digitalministerium wird nicht von einem Christdemokraten geführt, sondern vom umtriebigen früheren Universitätsprofessor Andreas Pinkwart. Der kommt von den Liberalen. Über die Laschet seit einiger Zeit als so gut wie einziger in der Union außerordentlich anerkennende Worte findet. Alles kein Zufall.