Dramatischer Wettlauf“: Europas Krankenhäusern droht Kollaps wegen Mutationen

22. Januar 2021 Aus Von mvp-web

Die Kanzlerin trat gestern vor die Bundespressekonferenz, um ihre Politik zu erklären und ihre Ängste mit der Öffentlichkeit zu teilen. Es ist vor allem die in Großbritannien entdeckte Mutation des Virus, die Angela Merkel umtreibt, gerade weil sie in Deutschland noch nicht dominant sei. Und das muss so bleiben. Zehn Punkte zu Corona-Mutationen.

„Das mutierte Virus ist da. Das können wir jetzt nicht mehr wegkriegen“, sagte Angela Merkel gestern. Man dürfe nicht warten, bis sich eine neue und ansteckendere Virus-Variante ausbreite: „Dann wäre es zu spät, um eine dritte Welle der Pandemie und gegebenenfalls eine noch heftigere als jemals zuvor zu verhindern.“

Diesen Auftritt kann man nur als Weckruf verstehen. Deshalb versuchen wir im Folgenden auf die dringendsten zehn Fragen eine Antwort zu geben:

1. Woher kommt diese Mutation und was unterscheidet das mutierte Virus von seiner ursprünglichen Variante?

Vor allem drei Mutationen des Coronavirus haben die Mediziner entdeckt: B.1.1.7 wurde zunächst von Genom-Forschern in Großbritannien nachgewiesen, 501Y.V2 stammt aus Südafrika, P.1 wurde von Wissenschaftlern in Brasilien entdeckt. Viren, das ist nicht neu, verändern sich mit der Zeit – so auch beim Coronavirus Sars-CoV-2. Diese Mutationen sind winzige Modifizierungen im Erbgut. Sie können die Eigenschaften eines Virus beeinflussen, ihn harmloser oder auch gefährlicher machen.

2. Warum gelten diese Mutationen als gefährlicher als das Ursprungsvirus?

Gefährlicher heißt in diesem Fall ansteckender, aber nicht tödlicher. In seiner Simulation für die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten verweist Prof. Kai Nagel, ein theoretischer Physiker und Experte für die Verkehrssystemplanung, auf die hohe Ansteckungsrate und die Gefahren durch eine schnelle Öffnung. Mit Verweis auf Daten aus Irland und Großbritannien schreibt er:

„Wir gehen davon aus, dass die neue Variante 70 Prozent infektiöser ist als das bisherige Virus und somit die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung entsprechend höher.“


Zur Person

Gabor Steingart zählt zu den bekanntesten Journalisten des Landes. Er gibt den Newsletter „Steingarts Morning Briefing“ heraus. Der gleichnamige Podcast ist Deutschlands führender Daily Podcast für Politik und Wirtschaft. Seit Mai 2020 arbeitet Steingart mit seiner Redaktion auf dem Schiff „ThePioneer One“. Vor der Gründung von Media Pioneer war Steingart unter anderem Vorsitzender der Geschäftsführung der Handelsblatt Media Group. Sein kostenloses Morning Briefing finden Sie hier.


Die Ergebnisse seiner Simulation würden zeigen, dass sich die neue Variante „innerhalb von zwei bis drei Monaten flächendeckend ausbreitet” und damit zur „dominanten Variante werden wird”. Seine Empfehlung daher: Sollte das mutierte Virus um sich greifen, hilft nur ein noch härterer Lockdown mit Ausgangssperren.

3. Warum bedeutet diese Mutation, die nicht tödlicher ist, dennoch mehr Todesfälle?

Weil mehr Infizierte automatisch mehr Kranke bedeuten, weshalb eine höhere Belastung des Gesundheitssystems eintritt. Je leistungsfähiger ein Gesundheitssystem – sprich, je mehr freie Betten auf den Intensivstationen – desto gelassener könnte man die höhere Infektionsrate betrachten. Bei ohnehin angespannter Auslastungsquote auf den Intensivstationen allerdings steigt mit der Zahl der Infizierten überproportional die Zahl der Toten. Denn: Nicht jeder Infizierte kann dann sachgerecht behandelt werden.

4. Wo genau könnte eine Knappheit entstehen?

Die Knappheit bezieht sich nie auf die Bettenzahl, denn die könnte man leicht erhöhen. Die wirkliche Knappheit besteht beim medizinischen Personal, das a) einer hohen Infektionsgefahr ausgesetzt ist und b) seit Monaten an der Überlastungsgrenze arbeitet. Der weitere Knappheits-Faktor ergibt sich bei den Beatmungsgeräten.

5. Warum gibt es kaum konkrete Fall- und Todeszahlen bei den Mutationen?

In Deutschland wird noch lange nicht jeder Infizierte auf die genaue Virusvariante untersucht. In einer gestern aktualisierten Stellungnahme der Gesellschaft für Virologie heißt es:

„Über die mögliche Verbreitung dieser Varianten in Deutschland kann bisher nichts gesagt werden.“