Deutsche laut Umfrage unzufrieden wie nie – Merkels Corona-Management: Kritik an Bundesregierung erstmals größer als Zustimmung

3. Februar 2021 Aus Von mvp-web

Schlechtes Zeugnis für die Bundesregierung: Laut einer Civey-Umfrage gibt es erstmals seit Ausbruch der Pandemie mehr Bürger, die mit dem Corona-Management von Kanzlerin Merkel und ihren Ministern unzufrieden sind. Auch die meisten Bundesländer kommen nicht gut weg.

Heftiger Gegenwind für Bundeskanzlerin Angela Merkel, ihr Kabinett und die Ministerpräsidenten: Es wurde nicht genug Impfstoff bestellt, weswegen sich die Risikogruppen nicht impfen lassen können. Die Novemberhilfen sind teilweise immer noch nicht bei den Menschen angekommen, der Frust sitzt tief. Das schlägt sich nun in der Bewertung des Corona-Managements durch die Verantwortlichen nieder, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey zeigt. Mit 46 Prozent sind erstmals mehr Menschen unzufrieden als gegenüber den 42 Prozent, die der Regierungschefin und ihren Kollegen ein gutes Zeugnis ausstellen. Seit Juli des vergangenen Jahres sank die Zufriedenheit bei den Menschen stetig.

Krisenforscher Frank Roselieb:“Politik hat handwerkliche Fehler gemacht“

Auch bei den meisten Bundesländern sieht es nicht besser aus. Bis auf Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern überwiegt die Kritik bei den Menschen, wenn es um das Corona-Management geht. Doch was sind die Ursachen?

FOCUS Online fragte bei Krisenforscher Frank Roselieb nach, der zwei Gründe ausmacht, warum die Unzufriedenheit gestiegen ist: „Zum einen nimmt die Corona-Müdigkeit in der Bevölkerung bei Fortdauer der Pandemie naturgemäß zu. Immerhin dauert der aktuelle Lockdown bereits seit Anfang November, geht also in den vierten Monat. Er ist damit bereits jetzt deutlich länger als der erste Lockdown im Frühjahr 2020.“ Zum anderen habe die Politik aber auch handwerkliche Fehler beim Krisenmanagement gemacht. Roselieb weiter: „Am Anfang war ‚etwas holpern‘, normal und durchaus entschuldbar. Nach einem Jahr sollte allerdings deutlich mehr Routine in die Krisenkommunikation und das Krisenmanagement eingekehrt sein.“

Frank Roselieb über das Merkel-TV-Interview: „Hat sich damit keinen Gefallen getan“

Mal kündigten Ministerpräsidenten Lockerungen an, die nach der Runde mit der Kanzlerin nicht mehr gelten würden, so Roselieb, oder Impfzentren würden medienwirksam von Länderchefs eröffnet, die dann aber mangels Impfstoff nur im Notbetrieb fahren. Das verwirre und enttäusche die Bürger.

Doch was hat das nun für Folgen und Konsequenzen für die Politik und den Verlauf der Pandemie? Roselieb: „Pandemien sind zum einen Extremrisiken. Die Menschen wissen, dass sie sich nicht selbst helfen können. Daher suchen sie Orientierung in der Politik. Zum anderen sind Pandemien schleichende Krisen, sie dauern also sehr lange. Viele Einschränkungen werden noch bis mindestens Herbst 2021 andauern.“ Wenn es der Politik nun nicht bald gelinge, ihre Entscheidungen im Krisenmanagement wieder nachvollziehbar und glaubwürdig zu gestalten, „dürfte bald auch das Vertrauen bei jenen Bürgern schwinden, die weit von Corona-Skeptikern entfernt sind“.Einen Erklärungsversuch startete Merkel am 2. Februar im TV-Interview mit der ARD. Roselieb findet nicht, dass sie sich damit einen Gefallen getan hat: „Das kann sie deutlich besser. Optisch wirkte die Kanzlerin wie eine Schülerin beim Verhör durch den Schulleiter und die Klassenlehrerin, nachdem sie beim Abschreiben erwischt wurde. Sie wirkte wie eine Getriebene, nicht wie die Antreiberin in der Corona-Pandemie.“

Psychologie-Professor Ulrich Wagner: „Eine funktionierende Warn-App blieb ein Versprechen“

Nachfrage bei Psychologie-Professor Ulrich Wagner von der Philips-Universität in Marburg, was er der Politik rät und wie man das Vertrauen und die Zufriedenheit wieder stärken kann: „Bislang bestanden die politischen Maßnahmen zum Umgang mit der Pandemie im Wesentlichen in Einschränkungen für die Bevölkerung. Eine funktionierende Warn-App blieb ein Versprechen, Schutz der Alten in den Heimen ebenso, die Ausstattung von Schulen mit Luftreinigungssystemen bleibt Fehlanzeige. Der Weg hin zur Normalisierung ist nicht mehr allein durch Beschränkungen für die Bevölkerung zu erreichen. Die Menschen sind nicht mehr in der Lage und gewillt, weiteren Restriktionen auf Dauer nachzukommen.“

Die Stimmung in der Bevölkerung sieht der Psychologe gedämpft: „Die überwiegende Mehrheit der Menschen in Deutschland bemüht sich seit einem Jahr, die Corona-Regeln zu befolgen. Leider nur mit mäßigem Erfolg, die Inzidenzzahlen bleiben hoch. Das enttäuscht und macht hilflos. Mit den jetzt erkennbaren Impfpannen und zeitlichen Verschiebungen nehmen die Gefühle von Hilflosigkeit weiter zu und das ist gefährlich.“