Treffen am 10. FebruarSchulen, Kitas, Friseure: Vor dem Gipfel erhöhen Ministerpräsidenten Druck auf Merkel
6. Februar 202115:17:13
Am 10. Februar treffen sich Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder zum nächsten Corona-Gipfel. Schon jetzt zeichnen sich einige Konfliktpunkte ab. Wann können Bildungseinrichtungen endlich wieder öffnen und wie geht es mit den Friseuren weiter? Darüber gibt es unterschiedliche Ansichten.
Nach dem Impfgipfel ist vor der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz. Nachdem das Treffen von Politik und Pharmavertretern am vergangenen Montag nahezu ergebnislos blieb, blicken viele Bürger in Deutschland bereits erwartungsvoll auf die nächste Woche.
Am kommenden Mittwoch, den 10. Februar, wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten erneut zusammenkommen, um über die weiteren Schritte im Kampf gegen das Coronavirus zu beraten – und auch dieses Mal dürfte es ein zähes Ringen werden.
Schon vor gut zwei Wochen verwandelten Lagerbildung und Uneinigkeit zwischen den einzelnen Ministerpräsidenten und der Kanzlerin den Gipfel in eine Marathon-Sitzung, an deren Ende sich die Vorsicht – und damit die Perspektive Merkels – durchsetzte.
Sinkende Fallzahlen vs. Mutanten-Gefahr: Streit zwischen Merkel und Ministerpräsidenten ist programmiert
Wie schon so oft standen sich Corona-Mahner und Lockerungs-Befürworter gegenüber. Diese Trennlinie dürfte sich am kommenden Mittwoch noch deutlicher durch das politische Berlin ziehen, denn während die Angst vor den hochansteckenden Virus-Mutationen aus Großbritannien und Südafrika weiter zunimmt, gehen die Corona-Fallzahlen hierzulande immer mehr zurück.
Und so formieren sich bereits auf beiden Seiten die Reihen, entsprechende Forderungen und Pläne werden in Position gebracht. Die bestehenden Beschränkungen mal schnell für 14 Tage aufzuheben, schloss Merkel im Interview mit der ARD am Dienstag präventiv aus. Die Kanzlerin setzt damit frühzeitig und wohl kalkuliert den Ton für den bevorstehenden Gipfel.
Erste Schritte in Richtung Normalität fordert indes vor allem Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), bereits beim Gipfel vor zwei Wochen gerieten sie und Merkel im Streit um mögliche Kita-Öffnungen aneinander.
Bund-Länder-Gipfel mit Merkel: Auch Ramelow macht Druck
Inzwischen arbeitet auch Thüringen an einem Corona-Stufenplan. Er solle voraussichtlich kommende Woche vom Kabinett verabschiedet und danach dem Landtag vorgelegt werden, sagte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt.
Thüringen orientiere sich dabei an Schleswig-Holstein und Niedersachsen, die bereits Stufenpläne vorgestellt haben. „Und mir wäre es am liebsten, wenn wir so etwas bundesweit hätten“, sagte Ramelow. „Ich möchte einen verbindlichen Fahrplan für Deutschland.“
Treffen mit Ministerpräsidenten: Wann öffnen endlich Schulen und Kitas?
Die Diskussion um die Öffnungen von Schulen und Kitas dürfte auch in der kommenden Woche hitzig ausfallen. Ob sich die Mehrzahl der Länder dem Willen der Kanzlerin ein weiteres Mal beugt, ist alles andere als gewiss.
Im Landtag in Schwerin setzte Schwesig jüngst das Thema Schulen erneut auf die Agenda. Ab einem Wert von dauerhaft weniger als 100 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner in einer Woche sollten diese wieder stärker geöffnet werden, forderte sie.
Das Thema Bildung drückt die Länder-Chefs wie kaum ein anderes, wissen sie doch um die immensen Belastungen für Eltern und Kinder. Bereits nach dem letzten Gipfel scherte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann daher aus der Phalanx der Mahner aus und kündigte an, Kitas und Grundschulen in seinem Bundesland am 1.Februar zu öffnen. Durchkreuzt wurden die Pläne durch einen Virusausbruch der Mutation B.1.1.7. in einer Freiburger Kita, doch das Vorpreschen des sonst so bedächtigen Kretschmanns kann durchaus als Vorgeschmack auf den 10. Februar gedeutet werden.
Dass einige Bundesländer, allen voran Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen, bei unverändert strikten Regelungen bis Ende Februar vorzeitig von der Line der Kanzlerin abweichen werden, ist somit durchaus denkbar und wahrscheinlich.
Vor dem Gipfel: Der Einzelhandel ächzt – kommen Lockerungen in einzelnen Bundesländern?
Gut sieben Wochen werden die Geschäfte in Deutschland geschlossen haben, wenn sich Merkel und die Minister nächsten Mittwoch besprechen. Der wirtschaftliche Schaden lässt sich trotz Hilfszahlungen durch Bund und Länder kaum abschätzen.
In einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) drängte der Präsident des Handelsverbandes Deutschland, Josef Sanktjohanser, deswegen auf eine klare Aussage der Politik, „unter welchen Voraussetzungen basierend auf realistischen und fundierten Indikatoren der Einzelhandel wieder öffnen kann“.
Auslöser waren die Äußerungen von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier (CDU), der nicht ausgeschlossen hatte, dass der aktuelle Lockdown wegen der neuen Mutationen des Coronavirus möglicherweise selbst bei einem Inzidenzwert von unter 50 noch einmal über den 14. Februar hinaus verlängert werden könnte.
Lockerungen: Weil macht Hoffnungen, Söder schließt sie aus
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil macht den Geschäften in seinem Land indes erstmals seit langem zarte Hoffnungen. In seinem Stufen-Plan für mögliche Lockerungen, den Weil am Dienstag als „Diskussionsentwurf“ vorstellte, sollen bei einer 7-Tages-Inzidenz von 10 bis 25 Geschäfte unter Auflagen wieder öffnen können.
Von derartigen Plänen hält man in Bayern wenig. Unter den Länder-Chefs gilt Ministerpräsident Markus Söder als Hardliner, des Öfteren verschärfte er die Maßnahmen im Freistaat bereits vor einem Bund-Länder-Gipfel, um als oberster Corona-Kämpfer nach Berlin reisen zu können. Wenig überraschend sieht Söder deswegen auch für die zweite Februarhälfte keine Möglichkeiten für Lockerungen. Und so werden die Geschäfte zumindest in Bayern bis mindestens März höchstwahrscheinlich dicht bleiben.
Einigkeit bei Grenzschließungen, Zwist beim Inlands-Tourismus
Mehr Einigkeit herrscht zwischen Bund und Ländern bezüglich touristischer Reisen aus dem Ausland nach Deutschland, um sich vor einer Ausbreitung der Virusmutationen abzuschotten. Aus Sorge vor den Gefahren durch mutierte Coronavirus-Varianten hatte das Kabinett am Freitag weitreichende Einreisesperren für Länder beschlossen, in denen diese Varianten stark verbreitet sind. Eine Entscheidung, die in den Ländern auf Zuspruch stieß.
Die zunächst bis zum 17. Februar geltende Verordnung trat am Samstag in Kraft. Betroffen von den Regelungen sind zunächst Reisende aus Großbritannien, Irland, Portugal, Brasilien und Südafrika, weitere Länder folgten.
Anders sieht es beim Inlands-Tourismus aus. Auch hier sehen die Lockerungsideen aus Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein inzidenzorientierte Anpassungen vor. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) machte in diesem Zusammenhang den Vorschlag, bei einem 7-Tages-Inzidenzwert von weniger als 50 über einen Zeitraum von 21 Tagen die Hotellerie unter Einsatz von Schnelltests wieder zu öffnen. Mit einem Wert von derzeit 89 (Stand: 2.Februar) liegt das Bundesland allerdings noch ein gutes Stück von der Zielmarke entfernt.„Wir müssen runter unter 50, dann haben wir auch wieder die klare Perspektive für den Tourismus“, erklärte auch Niedersachsens Ministerpräsident Weil.
Und was ist mit den Friseuren?
Ebenso geschlossen sind seit Wochen die Friseure in Deutschland. Die allermeisten Ministerpräsidenten, darunter auch die rheinland-pfälzisch Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow, greifen derzeit selbst zur Schere. Damit könnte allerdings in einigen Bundesländern nach dem kommenden Gipfel Schluss sein.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) forderte im Berliner „Tagesspiegel“, nach dem 14. Februar auch rasch wieder die Friseure zu öffnen: „Wir müssen schauen, dass viele unverzichtbare Dienstleistungen wieder möglich werden, auch im Sinne der dort beschäftigten Menschen.“
Ähnliche Pläne gibt es in Sachsen. Die Frage, wie man mit der schrittweisen Öffnung von Schulen und Kitas umgehe, stehe genauso auf der Tagesordnung wie Click und Collect oder die Öffnung von Friseurläden, sagte Vize-Regierungschef Martin Dulig (SPD) am Dienstag nach der Kabinettssitzung. Für derartige Lockerungen müsse die Sieben-Tages-Inzidenz allerdings unter 100 liegen und eine „sichere Perspektive nach unten“ haben.
Damit weicht Sachsen von der sonst gängigen 50er-Marke, die auch die Bundeskanzlerin seit Wochen als oberstes Ziel ausgibt, ab. Die Diskussionen beim kommenden Gipfel scheinen also vorprogrammiert.
Vor Bund-Länder-Gipfel: Auch Bürger sind sich uneins
Was sich als politischer Konflikt bereits abzeichnet, teilt auch die Bürger in Deutschland in zwei große Lager. Auf die Frage, ob nach dem 15. Februar gelockert werden solle oder nicht, zeigten sich 54 Prozent laut einer Civey-Umfrage im Auftrag von FOCUS Online mit einer Verlängerung der aktuellen Regelungen einverstanden. Dem gegenüber stehen 41,3 Prozent, die sich für weniger strenge Maßnahmen aussprechen.