Analysen aus Großbritannien – Wegen Corona-Mutationen droht dritte Welle: Jetzt kursieren bereits Kombi-Varianten
9. Februar 202116:51:53
Dank hochwirksamer Anti-Covid-Impfstoffe scheint ein Ende der Pandemie mittelfristig in Sicht. Mutationen könnten dem jetzt allerdings einen Strich durch die Rechnung machen: In Großbritannien haben Forscher erstmals eine Kombination der britischen und der südafrikanischen Version nachgewiesen.
Weltweit verbreiten sich neue, noch ansteckendere Varianten des Corona-Erregers mit hoher Geschwindigkeit – und gefährden damit Lockerungen trotz stark sinkender Inzidenzen. Sorgen bereiten den Fachleuten insbesondere die zunächst in Großbritannien entdeckte Variante B.1.1.7 sowie die südafrikanische Variante B.1.351.
Beide gelten als hochansteckend; die Südafrika-Mutation zusätzlich als resistenter gegen die entwickelten Corona-Impfstoffe als das Ursprungsvirus. Die durch die Impfung generierten Antikörper sind gegen die Mutation zwar nicht wirkungslos, wie es heißt. Eine Schutzwirkung von teils mehr als 90 Prozent bieten die in der EU bereits zugelassenen Impfstoffe gegen die Mutation jedoch wohl nicht, so der Expertentenor.
Bisher elf Fälle in Großbritannien nachgewiesen
In Großbritannien ist jetzt eine weitere Virus-Variante aufgetaucht. Aufgebaut ist sie primär wie der britische B.1.1.7-Typ, am sogenannten Spike-Protein – also der Stelle, mit der das Virus an die menschliche Zelle bindet – aber entspricht sie der südafrikanischen Variante. Bislang haben britische Wissenschaftler diese Kombi-Variante erst bei elf von mehr als 200.000 untersuchten Proben nachgewiesen. Doch deuteten vorläufige Informationen darauf hin, dass die Sequenz des Virus in mehr als einem Fall zufällig mutiert sei.
Heißt im Klartext: Die Variante könnte sich künftig noch stärker verbreiten, weil sie dem Virus offenbar einen Vorteil bietet und konkret dabei hilft, sich möglichst stark in der Gesellschaft zu verbreiten. Impfstoffe könnten gegen sie ähnlich wie gegen die bisher bekannte Südafrika-Mutation weniger effektiv sein.
Das sagen Forscher zur neu entdeckten Mutation
Der britische Virologe Jonathan Stoye vom Francis Crick Institute kommentiert die Entdeckung der erneut mutierten Virusvariante als nicht überraschend. Auch bliebe abzuwarten, ob die Mutation dem neuen Virus tatsächlich einen Wachstumsvorteil verschaffen werde.
Sein Kollege Julian Tang von der Universität Leicester spricht hingegen von einer „besorgniserregenden Entwicklung“, die allerdings auch aus seiner Sicht „nicht völlig unerwartet“ käme. Umso wichtiger sei es nun, sich an die Corona-Regeln zu halten und die Ausbreitung des Virus zu stoppen, so der Virologe.
Wegen Mutationen droht jetzt dritte Welle
Alexander Kekule von der Universität Halle-Wittenberg betont angesichts der neuen Corona-Variante aus Großbritannien zudem die enorme Bedeutung eines raschen Impfprozesses. Vor allem die Risikogruppen sollten jetzt schnell einmal geimpft werden, „damit wir das Virus überholen“, erklärt der Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie. Die für die Impfmodalitäten in Deutschland zuständige Ständige Impfkommission des Robert-Koch-Instituts (RKI) hat sich diesbezüglich bisher nicht geäußert. Sie sieht weiterhin eine zweifache Corona-Impfung pro Person vor.
Wo die anderen Mutationen bisher in Deutschland grassieren
In Deutschland gibt es bisher keinen bestätigten Fall mit der kombinierten Virus-Mutation. Die Erregertypen B.1.1.7 sowie die Südafrika-Variante und auch eine ebenfalls ansteckendere Virus-Form aus Brasilien allerdings haben Labore inzwischen auch hierzulande nachgewiesen.
B.1.1.7 ist RKI-Chef Lothar Wieler nach derzeit am weitesten verbreitet. Die Variante aus Großbritannien hätten Wissenschaftler bislang in 13 Bundesländern nachgewiesen. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der nachgewiesenen Infektionen liege bei etwa 5,8 Prozent, der Gesamtanteil der Mutationen bei 6,9 Prozent. Damit dominierten die Virusmutationen in Deutschland noch nicht, erklärte Wieler. Aber wir müssten damit rechnen, dass sich ihr Anteil weiter erhöhe.
Kanzlerin: „Vermute, dass 20 Prozent aller Corona-Infektionen auf die Mutationen zurückzuführen sind“
Kanzlerin Angela Merkel spricht indes bereits von einer deutlich stärkeren Gesamtverbreitung der Mutationen in Deutschland. Laut Informationen von RTL und ntv sagte sie in der CDU-Präsidiumssitzung am Dienstag: „Ich vermute, dass 20 Prozent aller Corona-Infektionen aktuell auf die Mutationen zurückzuführen sind.“ Offizielle Zahlen, die das belegen würden, gibt es bisher nicht.
Grundsätzlich sei Sars-CoV-2 durch die Mutationen aber in jedem Fall noch einmal gefährlicher geworden, heißt es vom RKI. Die Situation vor allem aufgrund des größeren Ansteckungsrisikos „noch lange nicht unter Kontrolle“. Entsprechend eindringlich warnt der RKI-Chef bei der letzten offiziellen Pressekonferenz vor dem Bund-Länder-Gipfel am Freitag vor voreiligen Lockerungen und einem trotz gesunkener Fallzahlen zu lapidaren Umgang mit dem Virus.