Astrazeneca: AZD1222
Den dritten in der EU zugelassenen Impfstoff hat ein Team von Forschern der britischen Universität Oxford und des schwedisch-britischen Pharmakonzerns Astrazeneca entwickelt. Am 30. Dezember erhielt AZD1222 in Großbritannien eine Notfallzulassung, in der EU ist der Impfstoff seit 29. Januar ist zugelassen.
Art des Impfstoffs: Bei AZD1222 handelt es sich um ein vektorbasiertes Vakzin. Diese Technologie ist nicht so neuartig wie die mRNA-Impfung, sondern wird für andere Impfungen bereits genutzt. Dabei dienen harmlose Viren als Transportträger (Vektor), die mit Merkmalen des Coronavirus bestückt werden. Meist sind es abgeschwächte Erkältungsviren. Bei AZD1222 handelt es sich um ein Adenovirus von Schimpansen ChAdOx1. Für die Immunantwort sorgt das transportierte genetische Material des Sars-CoV-2.
Zielgruppe: Der Hersteller empfiehlt aufgrund der Studienergebnisse die Impfung Menschen ab 18 Jahre ohne Altersgrenze nach oben. Die Empfehlung der deutschen Stiko bezieht sich jedoch nur auf Menschen bis 65 Jahre. Wegen der dünnen Datenlage für ältere Probanden sei noch unklar, ob der Impfstoff auch betagte Menschen zuverlässig schützen kann.
Wirksamkeit: Wie hoch der Wirksamkeitsgrad von AZD1222 ist, hängt davon ab, welche Teile der Zulassungsstudie man ansieht. Nach Alter, Nation oder Impfschema schwankt die Wirksamkeit zwischen 60 und 90 Prozent – im Mittel kommen 70 Prozent heraus. Experten warnen aber davor, zu sehr auf die Prozentzahlen zu starren. So sagte etwa Christian Drosten in seinem NDR-Podcast: „Was uns doch eigentlich interessiert, wenn wir geimpft werden: ob wir gegen den schweren Verlauf geschützt sind.“ Und davor würde der Impfstoff von Astrazeneca ebenfalls zu nahezu 100 Prozent schützen, so wie die Vakzine von Biontech und Moderna. Auch die Übertragung der britischen Virusmutante soll der Astrazeneca-Impfstoff deutlich hemmen, sagen Forscher der Universität Oxford.
Die Wirksamkeit gegen die Südafrika-Variante des Virus ist dagegen mit 20 Prozent sehr schwach, wie Wissenschaftler der Universität Johannisburg herausfanden. Südafrika verschiebt daher seine ab sofort geplante Impfkampagne mit dem Astrazeneca-Vakzin. Dabei sind gerade erst eine Millionen Impfdosen dort angekommen.
Nebenwirkungen: Es sind die üblichen Impfreaktionen möglich, sie fallen bei AZD1222 sogar meist schwächer aus als bei den Vakzinen von Biontech oder Moderna.
Verabreichung: Auch dieser Impfstoff wird mit zwei 0,5-Milliliter-Dosen im Abstand von mindestens vier Wochen verabreicht. Dass die Portionen beide Male gleich sein sollen, könnte sich in Zukunft ändern. In der Studie hat sich die versehentliche Kombination einer halben erste Dosis plus einer ganzen zweiten als besonders wirksam gezeigt. Schon umgesetzt wird eine längere Pause von bis zu zwölf Wochen zwischen den beiden Impfungen, das ist nicht nur dem Mangel geschuldet – die Immunantwort wird stärker.
Haltbarkeit: AZD1222 lässt sich über einen längeren Zeitraum von bis zu sechs Monaten bei Kühlschranktemperatur von zwei bis acht Grad lagern. Dadurch eignet es sich für die Impfung beim Hausarzt und auch für Weltregionen mit geringen Ressourcen für Hightech-Kühlung.
Liefermenge für Deutschland: 56,3 Millionen Dosen. Über den Umfang und den Zeitrahmen der Astrazeneca-Lieferungen an die Europäische Union war ein heftiger Streit zwischen Hersteller und EU-Kommission entbrannt. Man einigte sich auf einen Kompromiss. Am ersten Februarwochenende sind die ersten Lieferungen des Impfstoffs von Astrazeneca in den Bundesländern angekommen.
Sputnik V (Gam-Covid-Vac)
Das staatliche Gamaleja-Institut in Moskau hat einen Impfstoff entwickelt, dessen Zulassung Präsident Wladimir Putin im August persönlich verkündete. Damals war das Vakzin erst an einer Handvoll Menschen getestet worden. Das Vorgehen stieß auf weltweite Kritik, zumal so gut wie keine Daten veröffentlicht wurden. Trotzdem starteten etliche Staaten ihre Impfkampagne mit dem russischen Impfstoff, unter anderem die Türkei. Neben südamerikanischen und arabischen Staaten haben sich auch Serbien und Ungarn mit Sputnik V eingedeckt. Die Datenlage gilt immer noch als intransparent.
Art des Impfstoffs: Es handelt sich wie bei Astrazeneca um einen Vektor-Impfstoff. Allerdings nutzen die russischen Forscher für Sputnik V zwei menschliche Schnupfenviren als Transportmittel für die genetische Virus-Information. Zwei verschiedene Viren wurden verwendet, damit das Immunsystem die Impfviren der zweiten Dosis nicht abfängt. De Kombination garantiert die höchste Immunantwort.
Zielgruppe: Die Impfung wird Menschen ab 18 Jahren empfohlen, es gibt keine Altersgrenze nach oben.
Wirksamkeit: Beachtliche 91,6 Prozent Wirksamkeit hat eine im Fachmagazin „Lancet“ veröffentlichte Studie mit über 20.000 Teilnehmern dem Impfserum Sputnik V beschieden. 16.000 Probanden bekamen den Impfstoff, weitere 5500 ein Placebo. Insgesamt soll die Phase-3-Studie rund 40.000 Teilnehmer umfassen. Auch bei den 2000 über 60-Jährigen rief die Impfung eine gute Immunreaktion hervor.
Nebenwirkungen: Sie sind vergleichbar mit anderen Impfungen: Schmerzen im gepieksten Arm und leichte Grippesymptome.
Verabreichung: Es sind zwei Spritzen mit den unterschiedlichen Trägerviren im Abstand von 21 Tagen vorgesehen. Die Kombi weist die höchste Immunantwort auf. Nach 42 Tagen insgesamt soll sich die Immunität dann voll ausgebildet haben.
Haltbarkeit: Vektor-Impfstoffe sind robust, auch Sputnik V kann bei zwei bis acht Grad Celsius im Kühlschrank gelagert werden.
Liefermenge für Deutschland: noch keine, da bisher keine EU-Zulassung vorliegt, noch nicht einmal ein Zulassungsantrag bei der EMA. Bislang sei lediglich eine Voranfrage aus Moskau gekommen. Dennoch wurden für Europa 100 Millionen Dosen angeboten, die im zweiten Quartal bereitgestellt werden könnten.
Johnson and Johnson: Ad26.Cov2.S
Der nächste Impfstoff-Kandidat für eine Zulassung kommt vermutlich vom US-Konzern Johnson & Johnson. Dessen Tochterfirma Janssen hat das Vakzin mit dem Forschungsnamen Ad26.Cov2.S entwickelt. Der Antrag auf eine Notfallzulassung bei der US-Arzneimittelbehörde FDA ist gestellt. Ein entsprechender Antrag bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMA soll zeitnah folgen.
Art des Impfstoffs: Ähnlich wie die Vakzine von Astrazeneca und Sputnik V ist auch Ad26.Cov2.S ein Vektorimpfstoff, der auf einem genetisch veränderten Erkältungsvirus basiert.
Zielgruppe: Die Impfung soll für Erwachsene ab 18 Jahren empfohlen werden.
Wirksamkeit: Die Phase-3-Studie schloss knapp 44.000 Teilnehmer in den USA, Lateinamerika und Südafrika ein. Mehr als ein Drittel der Probanden war über 60 Jahre alt. Unter dem Strich steht eine Schutzwirkung von 66 Prozent gegen moderate bis schwere Verläufe von Covid-19. Das sieht auf den ersten Blick wenig aus, vor allem im Vergleich mit den mRNA-Impfstoffen. Dafür genügt bei der Janssen-Impfung eine einzige Dosis für den Schutz, der sich nach etwa 14 Tagen einstellt und sich er sich mit der Zeit noch steigert. Schwächen zeigt der Impfstoff gegenüber der südafrikanischen Virusmutation.
Nebenwirkungen: Die Nebenwirkungen entsprechen laut Hersteller den Erfahrungen, die mit anderen Adenovirus-basierten Impfstoffkandidaten gemacht wurden: Fieber und grippale Symptome.
Verabreichung: Es ist der erste Corona-Impfstoff, der nur einmal gespritzt werden muss.
Haltbarkeit: Wie alle Vektorimpfstoffe muss Ad26.Cov2.S nicht besonders stark gekühlt werden, Kühlschranktemperaturen reichen aus. Er kann also auch beim Hausarzt verabreicht werden.
Liefermenge für Deutschland: Sobald das Vakzin auch in Europa eine Zulassung erhält, soll Deutschland bis Juni zehn Millionen Einheiten erhalten. Im restlichen Jahresverlauf sollen dann noch einmal 27 Millionen Dosen hinzukommen.
Die nächsten Kandidaten: Curevac und Novavax
Zeitlich etwas hinterher ist der mRNA-Impfstoff von Curevac („CVnCoV“) aus Heidelberg. Die ersten klinischen Studien liefen nicht so glatt wie erhofft. Doch jetzt wird eine letzte Testreihe mit 2500 Mitarbeitern im Gesundheitswesen Ende März abgeschlossen sein, als Ergänzung zur Zulassungsstudie mit 35.000 Teilnehmern. Eine Zulassung könnte im zweiten Quartal 2021 erfolgen und die EU hätte einen schnellen Zugriff auf 225 Millionen bestellter Dosen plus der Option von 180 Millionen. Denn an dem Unternehmen ist die Bundesregierung beteiligt.
Für einen weiteren vielversprechenden Kandidaten aus den USA hat die EU bislang keinen Liefervertrag abgeschlossen: Der Impfstoff NVX-CoV2373 des Unternehmens Novavax beindruckt mit 89 Prozent Wirksamkeit und Schutz vor einer Covid-19-Erkrankung, auch gegen die britische Mutante und auch bei hochbetagten Menschen. Bei dem neuartigen Impfstoff handelt es sich um gentechnisch hergestellte künstliche Eiweiße, die Sars-CoV-2 ähneln und das charakteristische Spikeprotein tragen. Studien mit 45.000 Teilnehmern in Großbritannien, den USA und Mexiko laufen. Ein Zeitpunkt für die Zulassung ist aber noch nicht in Sicht.
Impfkandidaten aus China für den Rest der Welt
Drei chinesische Hersteller haben die klinischen Tests zu ihren Impfstoffen gegen Sars-CoV-2 weitgehend abgeschlossen und die Vakzine teils schon exportiert: Sinopharm, Sinovac und Cansino. Die Studien sind bisher nicht veröffentlicht.
Sinopharm hat mit einem sogenannten Totimpfstoff auf der Basis von abgetöteten Sars-CoV-2 schon zehn Millionen Chinesen geimpft. Internationale Studien in 125 Ländern mit 60.000 Teilnehmen zeigten eine Schutzwirkung von 86 Prozent. Sinopharm hat eine Zulassung bei der Weltgesundheitsorganisation WHO beantragt. Serbien hat den Impfstoff als erstes europäisches Land zugelassen. Ungarns Regierung kaufte fünf Millionen Dosen – vorbei an EMA und ungarischer Impfstoff-Überprüfung.
Sinovac prüft derzeit ebenfalls einen Impfstoff, Coronavac, aus inaktivierten Erregern in der Türkei, in Chile und in Brasilien. Ergebnisse der klinischen Studie wurden noch nicht publiziert, allerdings Zulassungsunterlagen bei der WHO eingereicht. In Brasilien und Indonesien wird die Bevölkerung mit Coronavac geimpft.
Eine dritte chinesische Firma, Cansino Bio, entwickelt einen Impfstoff auf Basis von Adenoviren. Parallel zur Phase-3-Studie in Argentinien, Chile, Mexiko, Pakistan und Russland hat auch dieses Unernehmen eine Zulassung bei der WHO angemeldet.