Woran hakt es bei den Schnelltests?
23. Februar 2021Stand: 23.02.2021 13:15 Uhr
Schnelltests kommen in Deutschland eher langsam. Dabei sollen sie neben den Impfungen ein wichtiger Baustein für den Weg aus dem Lockdown sein. Woran hakt es – und was ist der Unterschied zu Selbsttests?
Ausgangslage
Den von vielen ersehnten Weg aus dem Corona-Lockdown sollen zwei Instrumente absichern: immer mehr Impfungen, aber auch immer mehr Tests mit einfacher Handhabung. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn kündigte eine Offensive auf breiter Front dazu an – mit Gratis-Schnelltests als Angebot für alle Bürger, durchgeführt von geschultem Personal. Und perspektivisch auch mit Selbsttests für jedermann direkt für zu Hause. Andere Länder sind da längst weiter.
Schnelltests kommen – aber nicht so schnell
Bald sollen alle Bürgerinnen und Bürger in Testzentren oder Apotheken kostenlose Schnelltests auf das Coronavirus machen lassen können. Bundesgesundheitsminister Spahn sagte Dienstag vergangener Woche: „Ab 1. März sollen alle Bürger kostenlos von geschultem Personal mit Antigen-Schnelltests getestet werden können.“ Die Kosten würden aus dem Bundeshaushalt finanziert, erklärte der CDU-Politiker.
Inzwischen ist klar: So schnell wird daraus nichts. Das Corona-Kabinett unter Leitung von Kanzlerin Angela Merkel bremste den Minister. Über die Ausweitung der Schnelltests solle nun erst bei den Bund-Länder-Beratungen am 3. März gesprochen werden, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert.
Für Spahn ist es nicht das erste Versprechen in dieser Pandemie, das er nicht einhalten kann. Es sei zum wiederholen Mal so, dass von Spahn Dinge angekündigt wurden, „die dann so oder zumindest so schnell nicht kommen“, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller. Das sei „keine lustige Situation“, so der SPD-Politiker und Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz. Auch FDP-Chef Christian Lindner warnte: „Die Enttäuschung beim Impfstart darf sich nicht wiederholen.“ Von „schwerwiegendem Versagen“ sprechen die Grünen.
Und der Städte- und Gemeindebund fordert: „Bund und Länder müssen jetzt klar sagen, bis wann sie wie viele und welche Schnelltests beschaffen können und wie die Verteilung in den Ländern auf den Weg gebracht wird“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberger der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
Warum wurden Spahns Pläne gestoppt?
Das ist nicht ganz klar. Offenbar sind einige Bundesländer unzufrieden mit dem bisherigen Konzept aus dem Gesundheitsministerium. Unter anderem ist noch nicht geklärt, wie genau die Schnelltests in den Ländern organisiert werden sollen und wie häufig sich jeder und jede testen lassen kann. Außerdem soll Spahn auf Druck der Koalitions-Haushälter offenbar die Preise nachverhandeln. Der Bund hatte für die Finanzierung bis zu neun Euro pro Test angesetzt und weitere neun Euro fürs Testabnehmen und Ausstellen eines Zeugnisses.
Was genau sind Schnelltests?
Der große Vorteil: Ein Ergebnis soll schon in 15 bis 30 Minuten da sein. Dafür wird ein Nasen- oder Rachenabstrich genommen, was aber nicht ganz einfach und vielen auch nicht so angenehm ist. Die Auswertung läuft dann ähnlich wie bei Schwangerschaftstests, wie das Gesundheitsministerium erläutert: Die Probe kommt auf einen Teststreifen, der mit einer Verfärbung reagiert. Diese Antigentests gelten jedoch als nicht so exakt wie sonst genutzte PCR-Tests. Laut Robert Koch-Institut (RKI) muss ein positives Ergebnis deswegen per PCR-Test bestätigt werden. Schnelltests können bereits genutzt werden in Pflegeheimen, Kliniken und nach Infektionsfällen etwa in Schulen. Der Einsatz findet bislang aber nur sporadisch statt. Auch einige Städte bieten Schnelltests an, etwa Osnabrück, Halle oder Schmalkalden in Thüringen.
Gibt es überhaupt genug Schnelltests?
Auch das muss sich zeigen. In manchen Pflegeheimen gibt es Probleme wegen knappen Personals, teils springen Soldaten ein. Bei den Tests selbst rechnet der Bund mit ausreichend Material: Für Deutschland gesichert sind demnach bis zu 800 Millionen Stück für dieses Jahr. Schnelltests für betriebliche Schutzkonzepte ordern könnten übrigens schon seit Anfang Februar auch Tausende Unternehmen der „kritischen Infrastruktur“ – von Energie über Verkehr bis zu Supermärkten, woran Spahn kürzlich erinnerte. Dies sei aber wohl noch nicht so richtig weit verbreitet.
Wie könnten Tests an Schulen ablaufen?
Indem vor Schulbeginn die ganze Klasse auf einmal getestet wird. Schließlich wäre es eine logistische Herausforderung, alle Schülerinnen und Schüler einzeln zu testen. Bei Pooltests – so ein Vorschlag von Experten – könnten hingegen die Proben einer Klasse zusammengeführt und dann im Labor einmal getestet werden. Jeweils eine zweite Probe jedes Einzelnen müsste nur getestet werden, wenn der Sammeltest bis mittags positiv ausfällt. Ansonsten würde Entwarnung für die gesamte Klasse gelten.
Was können Schnelltests überhaupt leisten?
Nach Ansicht von Experten können Schnelltests ein wichtiges Instrument sein für die langsame Rückkehr zu mehr Normalität. „Ausreichend Schnelltests sind die Voraussetzung, um bei einer entspannteren Pandemielage lockern zu können“, erläutert auch Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen. Bis genügend davon da sind, müssten die wichtigsten Bereiche wie Schulen, Kitas oder Pflegeheime ausgestattet werden.
Die Bundesregierung schränkt ein, Schnelltests lieferten nur ein Ergebnis für einen Tag. Und auch ein negatives sei „kein Freibrief“, sich etwa nicht mehr an Abstand zu halten. Das RKI und das Paul-Ehrlich-Institut halten Schnelltests vor allem in jener Phase für sinnvoll, wenn Infizierte eine hohe Viruslast haben – also ein bis drei Tage vor ersten Symptomen und in den ersten sieben Tagen der Erkrankung. Dann könne man Infizierte und enge Kontaktpersonen gezielt isolieren.
Und was ist mit Selbsttests?
Immer lauter wurden zuletzt Rufe nach frei zu kaufenden Schnelltests, die man selbst ohne Schulung zu Hause machen kann – etwa als Spuck- und Gurgeltests, wie längst schon in einigen anderen Ländern. Im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) liegen rund 30 Anträge auf eine Sonderzulassung vor, geprüft wird etwa, dass sie von Laien sicher angewendet werden können. Ende Februar/Anfang März könnten erste Zulassungen kommen. Zu haben sein sollen sie dann quasi überall – in Apotheken, aber auch in Supermärkten und online. Auf den Markt kommen können solche Tests generell auch ohne amtliche Sonderzulassung mit anderen Zertifizierungen, wie das Bundesinstitut erklärt.
Wie sind die Erfahrungen anderer Länder?
In Österreich werden die Selbsttests bereits an Schulen eingesetzt. Bei der in Österreich eingesetzten Test-Methode wird mit einem Tupfer ein Abstrich in der Nasenhöhle genommen. Auf den Tupfer wird einer Lösung aufgetragen, nach 15 Minuten verfärbt sich der Teststreifen. Kinderleicht wie Nasenbohren sei dies, wirbt das österreichische Bildungsministerium in einem Video. Lehrer begleiten den Test und wurden vorher geschult. Die Schulen sollen laut Ministeriumsseite „in den nächsten Wochen mit insgesamt 20 Millionen“ Test-Einheiten ausgestattet werden. Epidemiologe Gerald Gartlehner bewertete die Tests im Wiener „Standard“ trotz anfänglicher Skepsis positiv: Alle Tests hätten Schwächen, „vor allem diese“, sagte er der Zeitung. „Aber wenn es uns gelingt, regelmäßig 40 Prozent herauszufiltern, dann ist wirklich sehr viel gewonnen.“
Ab 1. März sollen in Apotheken in Österreich nun gratis Corona-Selbsttests für zu Hause ausgegeben werden. Jedem Österreicher sollen bis zu fünf Stück pro Monat zur Verfügung stehen, berichtete die Nachrichtenagentur APA.
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In Österreich gehören Schnelltests bereits zum Alltag – welche Erfahrungen hat das Land damit gemacht?
Welche Risiken bleiben?
Bei falsch negativen Tests können Infizierte unentdeckt bleiben. Beim RKI heißt es, die Aussagekraft von Antigentests bei Infizierten, die noch keine Symptome haben, sei begrenzt. „Ein negatives Ergebnis im Antigentest schließt eine Infektion nicht aus.“ Das gelte vor allem in der frühen Inkubationsphase oder ab der zweiten Woche nach Symptombeginn. Vor allem im Fall möglicher gravierender Konsequenzen falsch negativer Ergebnisse wie etwa einem Infektionseintrag in ein Pflegeheim soll es daher PCR-Bestätigungstests geben – oder häufige Tests im Abstand von zwei bis drei Tagen. Auch bei PCR-Tests ist laut RKI von einer ungezielten Testung von Menschen ohne Symptome abzuraten, denn die Aussagekraft eines negativen Ergebnisses sei dafür zu unklar.