SPD-Landrat Kerth schon seit sechs Wochen geimpft

23. Februar 2021 Aus Von mvp-web
Stand: 23.02.2021 13:54 Uhr

Der Landrat im Kreis Vorpommern-Rügen, Stefan Kerth, steht wegen einer vorzeitigen Corona-Impfung unter Druck. Jetzt wird klar: Seine Spritze bekam der 47-Jährige SPD-Politiker schon vor sechs Wochen.

von Stefan Ludmann, NDR 1 Radio MV Aktuell

Der Landrat von Vorpommern-Rügen, Stefan Kerth (SPD), hat seine umstrittene Vorab-Impfung gegen das Coronavirus verteidigt. Er sei bei seiner Impfung in einem „moralischen Dilemma“ gewesen, sagte Kerth im Gespräch mit NDR 1 Radio MV. Die aufgezogenen Spritzen mit dem Impfstoff wären ansonsten „im Müll gelandet“. Den Vorgang nehme er ernst, das sei sehr „bedauerlich“. Im wesentlichen blieb Kerth bei seiner Darstellung, die er bereits Montagabend im Kreistag in Grimmen abgegeben hatte.

Impfung bereits in erster Januar-Hälfte

Dort hatte er behauptet, die Impfung sei vor „drei Wochen“ erfolgt. Im NDR Interview korrigierte sich der 47-Jährige. Er habe am 12. Januar nachmittags das erste Impfzentrum des Landkreises in Stralsund eröffnet und sei dort dann geimpft worden – das war vor sechs Wochen. Kerth gehörte damit zu den wenigen, die eine Impfung mit dem Biontech/Pfizer-Impfstoff schon in der ersten Januar-Hälfte bekamen. Kerth sagte, er sei von der Eröffnung am Nachmittag bis zum Dienstschluss in der Einrichtung gewesen. Zum Ende sei dann angebrochener Impfstoff übrig gewesen, weil nicht genügend Impflinge gekommen seien.

Auch Kerth Mitarbeiterin geimpft

Er habe deshalb „den Arm hingehalten“. Kerth sagte, es wäre ein komisches Signal gewesen, wenn die Spritzen im Müll gelandet wären. Es sei ihm auch darum gegangen, gegenüber den Ärzten angesichts der Impfskepsis ein Zeichen zu setzen. Neben ihm wurde nach Kerths Angaben auch eine enge Mitarbeiterin geimpft. Offen ist, warum Kerth seine Impfung verschwieg und sie erst am Montagabend auf mehrfache Nachfrage im Kreistag einräumte. Sein Argument, er habe mit seiner Impfung ein Zeichen setzen wollen, scheint wackelig, wenn er die Impfung anschließend verheimlicht. Fraglich ist auch, warum Kerth abwartete, bis dann zum Dienstschluss die Situation der „aufgezogenen Spritzen ohne Impflinge“ entstand. Er meinte, die Mediziner hätten „rumtelefoniert“, aber niemand sei gekommen. Er sei ihm nicht darum gegangen, vorzeitig geimpft zu werden. Deshalb habe er auch die nötige zweite Impfung abgelehnt.

Junge Union: Kerth nicht mehr tragbar

Der Chef der Jungen Union MV, Georg Günther, meinte, Kerth sei nicht mehr tragbar. Der Landrat habe offenbar seine berufliche Stellung genutzt, um an eine Impfung zu kommen, die ihm nicht zugestanden habe. Der gesamte Vorgang mache sprachlos. Wenn Kerth sein Fehlverhalten nicht einsehe, müsse seine Parteifreundin, Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) ein Machtwort sprechen. Denn die beklage, das Impfstoff fehle und dass Menschen sehnsüchtig auf ihre Impfung warten. Dann, so Günther, „rutschen plötzlich Genossen an Platz 1 der Warteliste.“

Linke: „Moralisch verwerflich“

AfD-Fraktionschef Nikolaus Kramer meinte, Kerth durchkreuze die Impfstrategie des Landes. Politiker hätten eine Vorbildfunktion. „Mit diesem unsolidarischen und unsozialen Gebaren wachse nur die Politikverdrossenheit, und das Vertrauen in die Demokratie erodiere weiter“, erklärte Kramer. Die Vorsitzende der Linkspartei, Wenke Brüdgam, nannte Kerths Impfung „moralisch verwerflich“.

Keine zweite Impfung für Kerth

Als Landrat wäre es seine Aufgabe gewesen, Menschen zu finden, denen der Corona-Schutz tatsächlich zugestanden hätte, sagte Brüdgam, die Mitglied im Kreistag ist. Die Begründung, dass noch Impfstoff dagewesen sei, der sonst hätte weggeworfen werden müssen, wirke „fadenscheinig“. Wenn das so wäre, sei das Impfen nicht gut vorbereitet gewesen. So entstehe jetzt das „ungute Gefühl, dass anderen der Impfstoff weggenommen wurde“, meinte Brüdgam. Die Tatsache, dass Kerth sich nicht ein zweites Mal impfen lassen habe, verstärke diesen Eindruck noch. In einer vergleichbaren Sache in Halle in Sachsen-Anhalt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos). Die Staatsanwaltschaft Stralsund hat sich den Fall Kerth bereits vorgenommen. Es werde geprüft, sagte ein Sprecher, ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird. Offen ist, wann ein Ergebnis dieser strafrechtlichen Prüfung vorliegt. Kerths Aufenthalt in dem Impfzentrum war nicht privat, die Mitarbeiter dort sind über den Landkreis Vorpommern-Rügen beschäftigt. Kerth ist ihr Chef.