Kommunen fordern „Corona-Notbremse“
27. Februar 2021Stand: 27.02.2021 12:36 Uhr
Vor dem nächsten Bund-Länder-Treffen regiert in der Politik weiterhin die Vorsicht. Im Blickpunkt stehen Lockerungen für Einzelhandel und Gastronomie. Die Kommunen sprechen sich für kleine Schritte aus, die auch wieder zurückgenommen werden können.
In der Debatte über das weitere Vorgehen in der Corona-Krise plädiert der Städte- und Gemeindebund für eine Regelung, um bereits erfolgte Lockerungen notfalls wieder zurückzunehmen. Es sei sinnvoll, „eine Corona-Notbremse vorzusehen, sodass bei dramatischen Entwicklungen Öffnungen auch wieder rückgängig gemacht werden können“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Er schlug vor, vorerst kleine Schritte zu gehen. Denkbar sei etwa, „bei Restaurants und Gaststätten vorrangig die Außengastronomie zu öffnen und im Innenbereich noch mehr Fläche pro Gast vorzusehen.“
Zudem forderte Landsberg, dass in der Diskussion über Lockerungen die Belastung des Gesundheitssystems stärker berücksichtigt wird, „nicht nur national, sondern auch regional“. Die alleinige Fokussierung auf Inzidenzwerte sei nicht der richtige Maßstab. Darüber hinaus müsse durch eine Schnell- und Selbsttest-Strategie zusätzliche Sicherheit gewonnen werden. „Das könnte zum Beispiel bedeuten, dass ein negativer Eigentest, den man mit einem Screenshot auf dem Smartphone dokumentiert, einen erleichterten Zugang zu Restaurants oder öffentlichen Veranstaltungen für einen Zeitraum von etwa 72 Stunden ermöglicht“, verdeutlichte Landsberg.
CSU für regional differenziertes Vorgehen
Auch CSU-Generalsekretär Markus Blume mahnte zur Vorsicht. „Die Gefahren durch die Mutationen nehmen dramatisch zu, jede Erleichterung kann nur auf Bewährung stattfinden“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“. Im Zweifelsfall müsse für Sicherheit und Gesundheitsschutz entschieden werden. „Den Takt gibt nicht die Politik vor, sondern das Virus“, betonte Blume.
Er erwarte von der nächsten Bund-Länder-Runde am Mittwoch zwar mehr Perspektive für Öffnungen. „Aber für eine generelle Kursänderung gibt es keine Grundlage – ganz im Gegenteil.“ Blume plädierte für ein regional differenziertes Vorgehen. Es sei es sinnvoll, in einzelnen Bereichen wie Kitas, Schulen, Gärtnereien oder Handel Perspektiven einzulösen. „Anderswo ist Vorsicht nach wie vor der alleinige Maßstab.“
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer rechnet damit, dass beim Corona-Gipfel ein „Perspektivplan“ für Öffnungen beschlossen wird. „Wir arbeiten zwischen den Ländern und dem Bund im Hintergrund sehr hart daran, die unterschiedlichen Vorstellungen, die es dazu gibt, zusammenzuführen“, sagte die SPD-Politikerin der „Saarbrücker Zeitung“. Nach den Schulen und Kitas sowie den Friseuren gehe es nun zuerst um Perspektiven für den Einzelhandel und die Kultur. Ebenso werde man über Gastronomie im Außenbereich und die Öffnung von Hotels und Ferienwohnungen sprechen.
Dreyer will Kontaktbeschränkungen lockern
Die Bürgerinnen und Bürger machten zwar immer noch diszipliniert mit, sagte Dreyer, „aber dass sie total gestresst sind von Corona ist ja auch klar“. Das betreffe vor allem jene, die um ihre Existenz bangten, und auch Familien, die am Limit seien. „Perspektivplan heißt aber nicht: Morgen ist alles offen“, betonte die Ministerpräsidentin. Dem Berliner „Tagesspiegel“ sagte Dreyer, besonders sinnvoll seien zum Beispiel Erleichterungen für die Außengastronomie. „Das Wetter wird besser, die Menschen halten sich im Freien auf, sitzen auf Bänken und Treppen und trinken zum Beispiel Kaffee.“ Da sei es schwierig, Gastronomen zu verbieten, unter Einhaltung der Abstandsregeln wieder Umsatz zu machen.
Dreyer ist zudem dafür, die privaten Kontaktbeschränkungen zu lockern. „Viele Menschen können und wollen sich nicht mehr an die Vorgaben halten. Es ist nicht gut für die Akzeptanz von Regeln, wenn eine Mehrheit sie für völlig praxisfern und unsinnig hält“, sagte sie. Sinnvoll sei eine Regelung „zwei Haushalte mit maximal fünf Personen, die Kinder nicht mitgezählt“.
Sie warnte davor, sich dabei starr an der Inzidenz von 35 Neuerkrankungen auf 100.000 Bewohner für Lockerungen zu orientieren. „Die Inzidenzzahl ist ein wichtiger Faktor, aber nicht der einzige“, unterstrich Dreyer. Natürlich gebe es viele Unwägbarkeiten durch die Virusmutationen, zugleich mehr zusätzlichen Schutz durch die laufenden Impfungen und Schnelltests. „Wir müssen einen moderaten Weg gehen, zugleich durch Impfen und Testen absichern, aber wir müssen Perspektiven geben.“
Scholz setzt auf mehr Tests
Bundesfinanzminister Olaf Scholz sprach sich für vorsichtige Öffnungsstrategien aus, die an Tests und Impfungen gekoppelt sind. „Wir haben eine Perspektive“, sagte er im Deutschlandfunk. „Impfen kann uns helfen, dass wir auch bald wieder ein normaleres Leben führen können“, sagte der SPD-Politiker. Darauf müsse man sich jetzt konzentrieren. Zudem müssten mehr Möglichkeiten für das Testen geschaffen werden, vor allem in Firmen, Arztpraxen und Apotheken. Im Blick auf Öffnungsstrategie, Impfen und Tests sei „eine Lösung aus einem Guss“ notwendig.
Scholz fordert durchdachte Beschlüsse auf der Bund-Länder-Runde. „Ich bestehe darauf, dass wir hier eine gemeinschaftliche Führungsleistung in Deutschland zustande bringen“, sagte er. Er erwarte er eine präzise Strategie, an der sich Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Wirtschaft orientieren könnten. Die Hoffnung, dass es besser wird und „wir Stück für Stück Öffnung durchsetzen können“, sollte sich für alle verbreiten. Wichtig seien klare Ansagen, so Scholz. „Wir haben schon einen Öffnungsschritt hinter uns“, sagte der SPD-Kanzlerkandidat mit Blick auf Schul- und Kita-Betrieb. Weitere vorsichtige Schritte würden folgen.