Renz‘ Corona-Shopping: Fassungslosigkeit in allen Lagern

8. März 2021 Aus Von mvp-web
Stand: 08.03.2021 17:42 Uhr

Eigentlich soll es mit den neuen Lockerungen keinen Einkaufstourismus geben – doch ausgerechnet Innenminister Torsten Renz aus Güstrow kauft im Niedrig-Inzidenz-Gebiet Rostock ein. Die Opposition und der Koalitionspartner SPD sind fassungslos.

von Stefan Ludmann, NDR 1 Radio MV

Noch am Wochenende hatte CDU-Innenminister Torsten Renz Grund zur Freude: Der Parteitag seiner Union wählte ihn in seiner Heimatstadt Güstrow auf Listenplatz zwei für die Landtagswahl im kommenden September – gleich hinter den Spitzenkandidaten Michael Sack. Stolz verbreitete Renz das gute Ergebnis auf seinen Kanälen in den sozialen Medien – mit einem Selbstporträt und einem Lächeln hinter der Maske.

Diensttermin für Einkauf genutzt

Zu Wochenbeginn sieht die Welt des Innenministers weniger freundlich aus. Den Grund lieferte der Christdemokrat selbst. Der 56-jährige Güstrower fuhr am Morgen nach Rostock, um dort – nach eigenen Angaben – seiner Polizei bei der Kontrollarbeit im Corona-Alltag zuzusehen. Renz nutzte den Diensttermin für einen kurzen Einkauf in gerade erst geöffneten Geschäften. Denn die auch von ihm am Wochenende verabschiedete Corona-Landesverordnung sieht vor, dass Regionen mit einer Corona-Inzidenz von unter 50 die Läden wieder öffnen können. Rostock gehört dazu.

Gegen Paragraph 13 Absatz a der neuen Corona-Landesverordnung

Noch am Tag zuvor hatte Renz` Chefin – Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) – an die Bürger und Bürgerinnen appelliert, die Lockerung nicht für einen Einkaufstourismus zu nutzen. Das Virus könnte sich so wieder schneller verbreiten – außerdem bestehe in anderen Regionen doch die Möglichkeit, Einkaufen per Terminvergabe zu organisieren. In Paragraph 13 Absatz a der neuen Corona-Landesverordnung heißt es auch deshalb. „Die Bürgerinnen und Bürger werden aufgefordert, keine Einrichtungen, Verkaufsstellen oder Dienstleistungsbetriebe in einem anderen Landkreis oder einer anderen kreisfreien Stadt aufzusuchen, die in ihrem eigenen Landkreis oder ihrer eigenen kreisfreien Stadt aufgrund der Infektionslage geschlossen sind.“

Renz‘ Heimatkreis hat hohe Corona-Inzidenz

Diese Verordnung hatte auch der Innenminister unterzeichnet. Am Rande seines Diensttermins in Rostock sprach ein NDR Reporter ihn in der Fußgängerzone an, Renz war offenkundig privat unterwegs. Der Minister meinte in dem kurzen Interview, die Landesregierung appelliere an die Vernunft der Menschen und „davon erhoffen wir uns auch, dass nicht alle sofort nach Rostock fahren.“ Da passte es aber irgendwie nicht ins Bild, dass der Innenminister ausgerechnet am ersten Tag der Öffnungen Handyzubehör und Blumen in Rostock kaufte. Renz Heimatstadt liegt im Nachbarkreis Rostock, einem Kreis, mit hoher Corona-Inzidenz. Auf Nachfrage, ob es ihm als Nicht-Rostocker nicht untersagt sei, in den Läden einzukaufen, sagte der CDU-Politiker: „Kann man so sehen.“

Scharfe Kritik aus der Opposition

Renz meinte, es gehöre zu seiner Verantwortung als Innenminister dazu, sich in den Läden umzusehen, das könne man ihm „negativ“ auslegen, er sei da aber mit sich im Reinen. Gar nicht im Reinen ist die Opposition mit Renz und seinem Einkaufsbummel. Der AfD-Fraktionsvorsitzende Nikolaus Kramer meinte, Renz beschädige die Glaubwürdigkeit der Politik. Er predige Wasser und trinke Wein. „Das ist ein Lachnummer, ich bin fassungslos“, meinte Kramer.

Renz unterlaufe die eigene Verordnung. Linksfraktionschefin Simone Oldenburg nannte die Sache „ungeheuerlich“. Es könne doch nicht wahr sein, dass der Minister seine Funktion ausnutze, um private Einkäufe in Rostock zu tätigen. An allen anderen appelliere die Politik immer wieder, vorsichtig und zurückhaltend zu sein. „Und er geht hier mit einem derart schlechten Vorbild voran“, so Oldenburg.

SPD-Fraktionschef Krüger: „Nicht richtig, dass Renz einkaufen gewesen ist“

Genauso sieht es ausnahmsweise auch der Koalitionspartner der CDU, die SPD. Natürlich sei es richtig, meinte Fraktionschef Thomas Krüger, dass der Innenminister sich die Arbeit der Polizei ansehe, aber es sei nicht richtig, dass Renz in Rostock einkaufen gewesen ist. „Das kritisiere ich ausdrücklich“, rügte Krüger. Es gelten klare Regeln, so Krüger, an die sich auch die Politik zu halten habe. „Die Folge muss auf jeden Fall sein, dass Herr Renz deutlich macht, das so etwas nicht wieder vorkommt.“

Minister-Novize sorgt wiederholt für Schlagzeilen

Die Parteigrößen der CDU hielten sich mit Stellungnahmen zurück – hinter vorgehaltener Hand fielen die Urteile über den Einkaufsbummel des eigenen Innenministers nicht wesentlich anders aus als die der anderen. „Nicht glücklich“, war noch eine harmlose Kommentierung. Am Abend wies Renz die Vorwürfe, er sei in Rostock regelwidrig shoppen gewesen, zurück. Er sei eine Stunde lang dienstlich unterwegs gewesen, um sich „vor Ort von der Situation zu überzeugen“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Er räumte aber ein, ein Ladekabel gekauft zu haben.

Der Minister-Novize Renz hatte schon vor einer Woche für Schlagzeilen gesorgt: Da teilte er auf seinem Instagram-Kanal ein Schmäh-Video über den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach. Nach massiver Kritik aus den Reihen der SPD löschte er den Post wieder und bedauerte das Verhalten. Aber Renz hat auch immer wieder Grund zur Freude: In den sozialen Medien verbreitete er vor kurzem ein Bild von sich und einer prallgefüllten Unterschriftenmappe, wie sie Chefs in Behörden auf den Schreibtisch bekommen. Renz musste aber keine Verordnungen unterzeichnen, sondern offenbar Fanpost: „Habe ich früher nicht vermutet, aber ich bekomme ständig Anfragen nach Autogrammkarten“, kommentiert der Minister die Eigenwerbung.