Corona-Impfstrategie EU-Kommission räumt Fehler ein

14. März 2021 Aus Von mvp-web

Stand: 14.03.2021 13:02 Uhr

Strategisches Versagen bei der Bestellung von Impfstoffen, zögerliches Handeln, unfaire Verteilung: Die Kritik an der EU-Kommission wurde zuletzt heftiger. Nun gibt Vizepräsident Timmermans zu, dass Fehler gemacht wurden.

EU-Kommissionsvize Frans Timmermans hat Versäumnisse im Hinblick auf die Impfstrategie der Europäischen Union eingeräumt. „Es stimmt, dass bei der Bestellung der Impfstoffe sowohl in Brüssel als auch in den Mitgliedstaaten Fehler gemacht wurden“, sagte Timmermans dem „Tagesspiegel am Sonntag“. „Ich bin bereit, am Ende der Pandemie eine Bilanz zu ziehen. Dann können wir ja sehen, was wir falsch und was wir richtig gemacht haben.“

In der jetzigen Situation gehe es aber erst einmal darum, „dass ganz Europa Impfstoff bekommt“, so Timmermans. Ein europäisches Vorgehen sei „auch im Interesse der reicheren Staaten“ wie Deutschland erfolgt, ergänzte der Stellvertreter von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit Blick auf die gemeinschaftliche Impfstoff-Bestellung durch die EU.

Österreichs Kanzler unter den schärfsten Kritikern

Die EU-Kommission hat bislang von den vier in der EU zugelassenen Corona-Impfstoffen insgesamt mindestens 1,4 Milliarden Dosen geordert – eigentlich mehr als genug für die rund 450 Millionen Europäer. Allerdings steht die EU-Kommission seit längerem in der Kritik, unter anderem weil ihr zögerliches Handeln und strategische Fehler bei der Bestellung von Impfstoffen vorgeworfen werden. Auch die Verteilung der Impfstoffdosen auf die Mitgliedstaaten wird in manchen Hauptstädten der EU als ungerecht empfunden.

Einer der schärfsten Kritiker in diesem Zusammenhang ist der österreichische Kanzler Sebastian Kurz. Er hatte gesagt, er habe gemeinsam mit anderen Regierungschefs überraschend festgestellt, dass die Impfstoff-Lieferungen an die Mitgliedsstaaten nicht nach Bevölkerungsschlüssel erfolgt seien. Die EU-Kommission wies diese Kritik zurück. Ein Sprecher erklärte, tatsächlich seien die Impfstoffe nach den Bevölkerungszahlen zugeteilt worden. Es stehe den EU-Staaten aber frei, anderen, besonders betroffenen Ländern einen größeren Anteil zu überlassen.

EVP-Fraktionschef fordert Exportstopp für AstraZeneca

Für großen Unmut in der EU sorgt unterdessen auch die Ankündigung des britisch-schwedischen Herstellers AstraZeneca, die Impfstoff-Lieferungen erneut drastisch zu kürzen. EVP-Fraktionschef Manfred Weber forderte Konsequenzen: „Es entsteht der Eindruck, dass andere Länder gegenüber der EU bevorzugt werden“, sagte der CSU-Politiker der „Welt am Sonntag“. Solange AstraZeneca seine Zusagen nicht erfülle, „sollte die EU einen grundsätzlichen Exportstopp von in der EU produzierten Impfstoffdosen des Unternehmens verhängen“.

AstraZeneca hatte am Freitag mitgeteilt, statt der zuletzt anvisierten 220 Millionen Dosen nur noch 100 Millionen bis zur Jahresmitte an die EU-Staaten liefern zu können. Der Konzern begründete dies unter anderem mit Exportbeschränkungen, ohne allerdings Details zu nennen.

WHO und EMA halten AstraZeneca-Impfstoff für sicher

Der Impfstoff von AstraZeneca sorgt aber auch deshalb für Diskussionen, weil mehrere Staaten seinen Einsatz wegen möglicher schwerer Nebenwirkungen ausgesetzt haben. Nach Dänemark, Norwegen, Island und Bulgarien entschied sich nun auch Irland für diesen Schritt. Das für Impfungen zuständige Beratungskomitee NIAC empfahl, die Impfungen vorübergehend zu stoppen, wie der stellvertretende Chef der irischen Gesundheitsbehörde, Ronan Glynn, mitteilte.

Es handele sich um eine Vorsichtsmaßnahme, die nach einem Bericht der norwegischen Arzneimittelbehörde über vier neue Fälle von Blutgerinnseln bei Geimpften ergriffen worden sei, sagte Glynn. Zuerst hatte Dänemark auf Berichte über schwere Fälle von Blutgerinnseln bei Geimpften verwiesen. Die dänische Gesundheitsbehörde betonte aber, es sei noch nicht abschließend geklärt, ob es einen Zusammenhang zwischen den Impfungen und den Gerinnungsstörungen gebe.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) traten den Zweifeln an der Sicherheit des Impfstoffs ebenfalls entgegen. Bislang sei in keinem Fall ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einem Todesfall und der Impfung nachgewiesen worden, sagte eine WHO-Sprecherin. Die EMA erklärte, nach bisherigen Erkenntnissen sei „die Zahl der thromboembolischen Ereignisse bei geimpften Menschen nicht höher als in der Allgemeinbevölkerung“.