WHO hält an AstraZeneca-Impfstoff fest

17. März 2021 Aus Von mvp-web

Stand: 17.03.2021 16:36 Uhr

Während die EU auf die Einschätzung der EMA zum AstraZeneca-Impfstoff wartet, empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation dessen Einsatz vorerst weiter. Die Sicherheit des Vakzins werde aber weiterhin geprüft.

In der Debatte um den Corona-Impfstoff von AstraZeneca hält die Weltgesundheitsorganisation (WHO) an dem Vakzin fest und empfiehlt seinen Einsatz vorerst weiter. „Die WHO ist der Meinung, dass die Vorteile die Risiken überwiegen“, teilte die Organisation mit. Man prüfe aber weiter die Sicherheit des Impfstoffs. Die jüngsten verfügbaren Daten dazu würden „sorgfältig“ bewertet, hieß es.

Deutschland und zahlreiche andere Staaten hatten die Impfung mit dem AstraZeneca-Vakzin vorerst ausgesetzt, weil mehrere Fälle mit Thrombosen (Blutgerinnseln) in den Hirnvenen in zeitlichem Zusammenhang zur Impfung gemeldet wurden. Die WHO betonte nun, dass eine Impfung gegen Covid-19 keine Krankheiten oder Todesfälle durch andere Ursachen reduziere. Thrombosen passierten häufig. „Venöse Thromboembolien gehören zu den häufigsten Herz-Kreislauferkrankungen weltweit“, so die WHO.

Es sei Routine, mögliche Zwischenfälle bei Impfkampagnen zu registrieren und zu untersuchen. Das zeige, dass die Überwachungssysteme funktionierten. Zwischenfälle in zeitlicher Nähe zu einer Impfung bedeuteten aber nicht zwangsläufig, dass ein kausaler Zusammenhang bestehe. Die WHO sei in ständigem Kontakt mit der Europäischen Arzneimittelagentur EMA und andere Regulierungsbehörden über die Sicherheit von Covid-19-Impfstoffen. Der Impfrat, der die WHO zu Impfstoffsicherheit berät, prüfe zurzeit alle vorhandenen Studien und Angaben. Sobald dies abgeschlossen sei, werde die WHO erneut informieren.

Hintergrund: Thrombosefälle nach AstraZeneca-Impfungen

Grund für das Aussetzen der AstraZeneca-Impfungen waren sieben Fälle einer speziellen Thrombose. Diese sei bei Menschen zwischen etwa 20 und 50 Jahren aufgetreten, teilte das Paul Ehrlich-Institut mit. Sechs der Erkrankten hätten eine sogenannte Sinusvenenthrombose erlitten, davon betroffen gewesen seien Frauen in jüngerem bis mittlerem Alter. In einem weiteren, vergleichbaren Fall sei es zu Hirnblutungen bei einem Mangel an Blutplättchen gekommen.

„Alle Fälle traten zwischen vier und 16 Tage nach der Impfung mit dem Covid-19-Impfstoff AstraZeneca auf“, hieß es. Drei der sieben Betroffenen seien verstorben. Das seien mehr Fälle, als normalerweise ohne Impfung in der Bevölkerung auftreten.

Das Paul-Ehrlich-Institut weist darauf hin, dass sich Personen, die den Covid-19-Impfstoff von AstraZeneca erhalten haben und sich mehr als vier Tage nach der Impfung zunehmend unwohl fühlen – zum Beispiel mit starken und anhaltenden Kopfschmerzen oder punktförmigen Hautblutungen -, unverzüglich in ärztliche Behandlung begeben sollten.

EMA-Einschätzung erwartet

Die EU-Kommission hofft unterdessen weiter darauf, dass das AstraZeneca-Vakzin ab morgen wieder in ganz Europa verimpft werden kann. Die EMA werde dann ihre „abschließende Einschätzung“ zur Sicherheit des Mittels vorstellen, sagte Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides nach einer Videokonferenz mit den EU-Gesundheitsministern. „Darauf warten wir und folgen dem wissenschaftlichen Rat der EMA.“

Die EMA hatte dem AstraZeneca-Vakzin, an dessen Entwicklung die Universität Oxford beteiligt war, am 29. Januar eine bedingte Marktzulassung für Menschen ab 18 Jahren erteilt. Es war der dritte Impfstoff, der eine EU-weite Zulassung erhielt. Am Dienstag hatte die EMA bereits ihre ursprüngliche Risikoeinschätzung des Impfstoffs bestätigt: Es gebe derzeit keine Belege, dass die bei einzelnen Geimpften aufgetretenen Blutgerinnsel von dem AstraZeneca-Impfstoff verursacht worden seien, sagte Behördenchefin Emer Cooke.

Bund-Länder-Gipfel vertagt

Neben Portugal und Frankreich richtet auch Deutschland seine Hoffnungen auf die EMA, den Stopp wieder aufheben zu können. Denn eigentlich wollten Bund und Länder heute darüber beraten, wie es beim Impfen schneller vorangeht und wie sie etwa die Arztpraxen einbeziehen können. Doch die Aussetzung der AstraZeneca-Impfungen am Montag warf den ursprünglichen Plan über den Haufen.

Der Impfgipfel soll nun am Freitagnachmittag nachgeholt werden. Wie ein Sprecher des Gesundheitsministeriums sagte, dürfte Deutschland der EMA-Empfehlung folgen. Es würden aber zunächst die Ständige Impfkommission (STIKO) und das für Impfstoffe zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) darüber beraten. Danach entscheide die Bundesregierung, wie künftig mit diesem Vakzin verfahren werde. Auf Forderungen mancher Politiker, das Präparat für alle ohne Berücksichtigung der bisherigen Impfpriorisierung freizugeben, reagierte der Sprecher zurückhaltend: Denkbar sei „natürlich vieles“, sagte er lediglich.

Ärzte fordern neue Impfstrategie

Die niedergelassenen Ärzte forderten eine grundlegend neue Impfstrategie. Bei einer Wiederzulassung von AstraZeneca müsse das Vakzin anders eingesetzt werden als bislang und nur an Ältere verimpft werden, sagte der Chef des Virchowbunds, Dirk Heinrich, dem „Tagesspiegel“. „Wir müssen jetzt viel mehr BioNTech für die Jüngeren nehmen.“

Heinreich verwies auf neue Studiendaten aus Israel. Diese zeigten, dass der bisher vor allem bei Älteren eingesetzte BioNTech-Impfstoff bei Geimpften auch eine Virusübertragung verhindere. Deshalb müsse Biontech nun anders eingesetzt werden, sagte Heinrich – und zwar verstärkt für die Bevölkerungsgruppe, die das Virus am ehesten übertrage, etwa Kita-Mitarbeiterinnen, Lehrkräfte sowie medizinisches und pflegendes Personal. AstraZeneca solle vor allem für Ältere benutzt werden.

Der Virologe Christian Drosten betonte im Podcast Coronavirus-Update, wie wichtig das Vakzin für die weitere Bekämpfung der Pandemie ist. „Wir brauchen diese Impfung“, sagte er. Er und das Robert Koch-Institut (RKI) befürchten, dass die Inzidenz nach Ostern bei 300 liegen könnte. Die aus seiner Sicht wichtige Einbeziehung der Hausarztpraxen bei den Corona-Impfungen stehe und falle mit der Verfügbarkeit des AstraZeneca-Impfstoffs.