Ansturm in Bayern auf Modellregionen-Projekt – Kirchenbesucher greifen Journalisten an
28. März 2021
News zu Corona in Deutschland vom 28. März
Esken: Brauchen keine neue MPK – „klare Mechanismen“ schon vereinbart
18.26 Uhr: SPD-Chefin Saskia Esken fordert eine Rücknahme der Lockerungen von Corona-Schutzmaßnahmen. „Alle vorsichtigen Öffnungsschritte müssen mit sofortiger Wirkung zurückgenommen werden, wenn die Inzidenz den Wert von 100 stabil übersteigt“, sagte Esken dem „Handelsblatt“. Um auf die „massiv“ ansteigenden Inzidenzwerte zu reagieren, brauche es laut Esken auch keinen neuen Corona-Gipfel zwischen Bund und Ländern – „klare Mechanismen“ seien bereits bei der vergangenen Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) vereinbart worden.
Esken forderte zudem diejenigen Bundesländer, die noch keine Schulferien haben, dazu auf, von der Präsenzpflicht an Schulen abzusehen. Es sei „unverantwortlich“, Schülerinnen und Schülern „per Bußgeldandrohung in die Schule zu zwingen, die sich in der Lage sehen, dem Distanzunterricht zu folgen.“
Wut in den Niederlanden – Kirchenbesucher greifen Journalisten an
16.50 Uhr: Gottesdienstbesucher haben in den Niederlanden an zwei Orten Journalisten mit Gewalt angegriffen. Die orthodox-protestantischen Kirchen in Urk und Krimpen aan den Ijssel hatten am Sonntagmorgen trotz der strengen Corona-Regeln und öffentlicher Kritik die Türen für Hunderte Besucher geöffnet. Gottesdienste fanden ohne Einhaltung von Schutzmaßnahmen statt. Journalisten, die darüber berichteten, wurden vor den Kirchen angegriffen.
In Krimpen an den Ijssel bei Rotterdam hatte ein 43-jähriger Mann nach Angaben von Augenzeugen einen TV-Reporter getreten und geschlagen. Der Mann war wenig später aus dem Gottesdienst geholt und dann festgenommen worden, wie die Polizei mitteilte. In Urk im Nordosten von Amsterdam fuhr ein Mann mit einem Auto absichtlich einen TV-Kameramann an. Zuvor waren dort auch Reporter von Kirchenbesuchern getreten worden, wie auf TV-Bildern zu sehen ist. Die Journalisten sollen den Angaben zufolge leicht verletzt worden sein.
Polizei und Politiker nannten die Gewalt unakzeptabel. Justizminister Ferd Grapperhaus erklärte: „Der unabhängige Journalismus ist notwendig für einen demokratischen Rechtsstaat.“ Auch Abgeordnete mehrer Parteien reagierten wütend. „Lasst Journalisten ihre Arbeit machen“, schrieb die Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Lilianne Ploumen, auf Twitter.
Zuvor hatte bereits Premier Mark Rutte die Kirchen als verantwortungslos kritisiert, weil sie trotz des Lockdowns Hunderte von Menschen zu Gottesdiensten zuließen. Religiösen Gemeinschaften können Versammlungen nach der Verfassung nicht verboten werden. Bisher hielten sich aber die meisten Gemeinschaften an die Regeln und ließen zu Gottesdiensten höchstens 30 Besucher zu.
Rund 400 Teilnehmer bei „Querdenken“-Demo in Darmstadt
16.45 Uhr: Gut eine Woche nach der Demonstration Tausender gegen Corona-Auflagen mit gewalttätigen Auseinandersetzungen in Kassel haben sich am Sonntag in Darmstadt deutlich weniger Menschen an einem Protest der „Querdenken“-Bewegung beteiligt. Bis zu 1500 Gegner der Corona-Maßnahmen waren erwartet worden, rund 400 folgten dem Aufruf und versammelten sich am Rande der hessischen Stadt. Bis zum Nachmittag blieb es der Polizei zufolge friedlich. Rund 600 Menschen demonstrierten gegen die Aktion.
Nach Angaben der Polizei sicherte eine hohe dreistellige Zahl von Beamten des Polizeipräsidiums Südhessens, der Bereitschaftspolizei und der Bundespolizei die Demonstrationen. Schon auf den Zufahrtswegen in die Stadt wurde kontrolliert. Vor Ort riefen die Einsatzkräfte mit Lautsprechern dazu auf, die Masken- und Abstandspflicht zu erfüllen. Mehrere Demonstranten wurden wegen Nichteinhaltung der Auflagen abgeführt. Viele Gegner der Corona-Maßnahmen setzten ihre Masken nach der Eingangskontrolle wieder ab. Dutzende legten Atteste vor, die sie vom Tragen einer Mund-Nasen-Maske befreite.
In Kassel hatten vor gut einer Woche mehr als 20.000 Menschen demonstriert – erlaubt waren nur 6000. Es kam zu teils gewalttätigen Auseinandersetzungen. Viele Teilnehmer hielten sich nicht an Auflagen wie das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Insgesamt gab es in Kassel mehrere Kundgebungen, auch von Gegendemonstranten. Kritiker hatten der Polizei dort ein zu zurückhaltendes Auftreten bei der Demo der Corona-Maßnahmen-Gegner vorgeworfen.
Ein generelles Verbot der Demonstration in Darmstadt war der Stadt zufolge nach rechtlicher Prüfung nicht möglich. Der Protest war zunächst für die Innenstadt in unmittelbarer Nähe des Impfzentrums angemeldet, dann aber in den Südosten der Stadt verlegt worden.
Mehr als 80 Regionen haben sich für Modellregionen-Projekt in Bayern beworben
16.26 Uhr: Bayern will in der kommenden Woche acht Modellregionen für vorsichtige Lockerungen der Corona-Schutzmaßnahmen etwa im Handel und der Kultur bekanntgeben. Wie „ntv“ unter Berufung auf eine Sprecherin des bayerischen Gesundheitsministeriums berichtet, haben sich bislang 83 Städte und Landkreise als Modellregion beworben.
Am Mittwoch hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Landtag den Plan für die Modellregionen in seiner Regierungserklärung erläutert, er geht zurück auf den Beschluss von Bund und Ländern von Anfang der Woche. Demnach kommen grundsätzlich Städte in Frage, die eine Sieben-Tage-Inzidenz pro 100 000 Einwohner zwischen 100 und 150 haben.
Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hatte umgehend das Interesse der Landeshauptstadt angemeldet. Aber auch zahlreiche andere Kommunen wollen eine Vorreiterrolle einnehmen, darunter Nürnberg, Würzburg, Coburg, Aschaffenburg, Schweinfurt, Bad Kissingen, Ingolstadt, Rosenheim, Günzburg, Bad Füssing und Lindau.
Lauterbach fordert Ausgangssperren: „Naiv zu glauben, dass die Leute sich abends nicht treffen“
15.22 Uhr: SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach äußert sich in einem Interview mit dem „Stern“ kritisch zu den Plänen von Städten und Gemeinden, sich als Modellregionen zu definieren, um so Corona-Beschränkungen zu unterlaufen. Unter anderem das Saarland hatte angekündigt, auf diesem Wege Lockerungen durchzusetzen. „Dass jetzt immer mehr versuchen, unter dem Deckmantel eines Modelprojekts Öffnungen zu beschließen, wird das exponentielle Wachstum vorantreiben. Wir laufen daher ganz systematisch auf eine Überforderung der Intensivkapazitäten zu“, sagt Lauterbach.
Auch das Chaos um die erst beschlossene, dann wieder verworfene Osterruhe sieht er kritisch. Die sei ohnehin nichts als ein „Signal“ gewesen und hätte nur einen „minimalen Effekt“ gehabt: „Der Osterruhe-Beschluss war reine Symbolpolitik.“
Karl Lauterbach war in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder als Mahner aufgetreten, der die Lockerungswünsche gerade der Bundesländer kritisiert hatte. Im Gespräch mit dem Stern fordert er angesichts der neuen Virusvarianten Ausgangssperren und ein verpflichtendes Testen der Unternehmen: „Ich habe früher noch nie Ausgangssperren gefordert. Wäre die Mutation nicht gekommen, wären wir ohne sie ausgekommen. Aber es ist einfach naiv zu glauben, dass die Leute sich abends nicht treffen und wir B.1.1.7 ohne Ausgangsbeschränkungen in den Griff bekommen.“
Ihn selbst habe im Pandemie-Jahr Nummer zwei vor allem die Impfung seiner 86-jährigen Mutter glücklich gemacht – dafür habe er sich persönlich bei Biontech Gründer Ugur Sahin bedankt.
Einreisebeschränkungen fallen weg – Grenzkontrollen bleiben
13.27 Uhr: Nach der geänderten Einstufung von Tschechien, Tirol und der Slowakei durch das Robert-Koch-Institut sind die Einreisebeschränkungen an den bayerischen Grenzen weggefallen. Dies gelte seit Sonntag 0.00 Uhr, sagte ein Sprecher der Bundespolizei Bayern unter Berufung auf eine Anweisung des Bundesinnenministeriums vom Sonntag. Auch die Beförderungsverbote gelten nicht mehr. Grenzkontrollen sowie Test- und Anmeldepflicht bleiben aber bestehen.
Das RKI hatte am Freitag angekündigt, Tschechien, Tirol und die Slowakei ab Sonntag nicht mehr als Virusvariantengebiete zu führen. Mit dieser Einstufung sind besonders strenge Maßnahmen verbunden. So war für Menschen aus diesen Gebieten die Einreise bisher eingeschränkt und nur für gewisse Gruppen möglich, die beispielsweise in systemrelevanten Berufen tätig sind.
Seit Sonntag gelten Tschechien und die Slowakei nur noch als Hochinzidenzgebiete, Tirol als „einfaches“ Risikogebiet. Wer von dort einreist, muss derzeit aber weiterhin einen negativen Coronatest vorlegen, seine Einreise anmelden und in Quarantäne – letztere wird allerdings durch Regelungen der Bundesländer bestimmt.