Nach Merkels Auftritt bei „Anne Will“ – „Bin es wirklich leid“: Ramelow übt scharfe Kritik an Bundeskanzlerin Merkel
29. März 2021Inzidenz in Tübingen schnellt in die Höhe
20.29 Uhr: Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) sieht sein Corona-Modellprojekt massiv in der Kritik. Er erhalte deswegen auch Morddrohungen. „Das Modellprojekt steht seit heute sehr unter Druck“, sagte Palmer in einer Online-Gesprächsrunde mit Wissenschaftlern am Montagabend in Tübingen. Viele wünschten sich, dass das Projekt scheitere. Wegen Morddrohungen gegen ihn gebe es bereits eine dreistellige Zahl an Verfahren bei der Staatsanwaltschaft.
Insbesondere die Äußerungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntag seien so verstanden worden, dass sie auch das Tübinger Modell in Frage gestellt habe, sagte Palmer. Die Kanzlerin hatte sich in einem Fernsehinterview kritisch gegenüber Modellprojekten mit Öffnungen gezeigt und angedeutet, dass notfalls der Bund tätig werden könnte, wenn die Länder nicht handelten. Mehrere Länder wollen derzeit Modellprojekte mit Lockerungen starten.
Zum Tübinger Modell sagte Palmer zugleich, es gebe derzeit einen Anstieg der Fallzahlen. Doch dieser sei in etwa so hoch wie dort, wo mit Schließungen gearbeitet werde. Eine konkrete Zahl dürfe er nicht nennen, sagte Palmer in der Gesprächsrunde.
Den „Stuttgarter Nachrichten“ und der „Stuttgarter Zeitung“ (Dienstag) sagte Palmer, die Sieben-Tage-Inzidenz in Tübingen sei bis Sonntag auf 66,7 gestiegen. Am vergangenen Donnerstag hatte der Wert nach Angaben der Stadt noch bei 35 gelegen und hätte sich damit innerhalb weniger Tage fast verdoppelt. Ihm mache das keine Sorgen, sagte Palmer den Zeitungen. Der Anstieg gehe eher nicht aufs Einkaufen oder den Theaterbesuch zurück. Problematisch seien jene, die abends in der Stadt Party machten, so Palmer. Es sei aber jederzeit möglich die Reißleine zu ziehen. „Das ist ein Experiment mit offenem Ausgang“, so Palmer.
17:45:03
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat sich zu den jüngsten Äußerungen von Kanzlerin Angela Merkel eher kritisch geäußert. In der ARD-Sendung „Anne Will“ hatte die Bundeskanzlerin am Sonntag die Schuld für das Scheitern einer gemeinsamen Corona-Politik im Wesentlichen den Ländern gegeben. Auch einige Politiker kamen dabei nicht gut weg.
„Ich reagiere da jetzt mit einer gewissen Schärfe, weil ich es wirklich leid bin, mir anhören zu müssen, was man hätte tun müssen, aber selbst tatsächlich nichts getan hat“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND, Montag). Er fordere schon seit langem einen Stufenplan und einheitliche Regeln für ganz Deutschland.
„Wenn die Kanzlerin das auch thematisiert, soll’s mir recht sein. Ich bin nur irritiert, dass sie das jetzt als Drohkulisse aufbaut“. Denn es seien mehrere Ministerpräsidenten gewesen, die bei der vorletzten Gipfelkonferenz ihre Enttäuschung zum Ausdruck gebracht hätten, dass es wieder keinen Stufenplan gegeben habe, sondern nur ein paar dürre Eckpunkte über Inzidenzen.
Ramelow übt scharfe Kritik an Angela Merkel
„Deshalb ärgere ich mich ein bisschen über die Tonart.“ Ramelow beklagte zudem, dass das Saarland zusätzliche Impfdosen bekommen habe, obwohl die Inzidenzen in großen Teilen Thüringens viel höher lägen. Auch habe Bayern kurz vor der letzten Ministerpräsidentenkonferenz „die Baumärkte aufgemacht“. Die „Frau Bundeskanzlerin“ müsse deshalb „Ross und Reiter nennen“.
Gegen eine von Merkel ins Spiel gebrachte Änderung des Infektionsschutzgesetzes, um einheitliche Regeln verbindlich zu machen, habe er jedenfalls nichts einzuwenden, betonte der Linken-Politiker. Doch eine kurzfristig angesetzte neue Ministerpräsidentenkonferenz bringe nichts, wenn nicht klar sei, was dabei herauskommen solle.