Corona-Krisenmanagement Wer regiert eigentlich gerade?
6. April 2021Stand: 06.04.2021 13:34 Uhr
Die Kanzlerin ist abgetaucht und den potenziellen Nachfolgern fehlt die Macht: Mitten in der dritten Welle leistet sich Deutschland ein gefährliches Machtvakuum. Das könnte die Union teuer zu stehen kommen.
Ein Kommentar von Alfred Schmit, ARD-Hauptstadtstudio
Wer führt eigentlich Deutschland im Moment in Sachen Corona-Politik? Armin Laschet ist es jedenfalls nicht. Er sagt zwar sinnvolle Dinge, ist aber nicht kraftvoll genug, dass ihm auch alle folgen. Denn Führung funktioniert ja nur, wenn die Geführten auch mitmachen.
Die Länderchefs in Thüringen und Berlin lehnten Laschets Forderung umgehend ab: Er will einen harten Lockdown und zwar schnell – und mit vorgezogener Bund-Länder-Runde, um das zu beschließen. Das wird erstmal nicht passieren. Und das ist schlecht, denn die Lage würde das eigentlich erfordern. Die Warnungen aus der Intensivmedizin sind zwar laut, aber viele hören sie offenbar nicht.
Regieren per Talkshow
Wer führt also? Auch die Kanzlerin ist es nicht. Jedenfalls nicht mehr. Angela Merkel scheint nach ihrem Fernsehauftritt bei Anne Will abgetaucht zu sein. Es war ohnehin seltsam, in einer ARD-Talkshow Gesetzgebung durch den Bund zu diskutieren. Das erweckte den Eindruck, wir würden jetzt per Talkshow regiert. Dabei könnte die Kanzlerin zwar die Dinge künftig per Bundesgesetz an sich ziehen. Das geht aber nicht so leicht, wie sie es darstellt und vor allem nicht so schnell, wie es wegen der Krise eigentlich geboten wäre.
Also nochmal: Wer führt gerade? Jedenfalls niemand von der immer noch stärksten politischen Kraft, nämlich der Union. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder lässt seinen Konkurrenten Laschet ins Messer laufen. Und lästert noch, man solle sich nicht mit der Kanzlerin streiten. Obwohl die CSU vor einigen Jahren im Streit um geflüchtete Menschen fast den Bruch mit Merkel herbeigeführt hätte – so lange ist das noch gar nicht her. Söder trägt durch sein Verhalten zum Führungsvakuum bei.
Union fürchtet Wahlniederlage
Die Lage ist fatal: Die Kanzlerin ist auf dem Weg hinaus aus dem Amt, doch CDU-Chef Laschet fehlt die Autorität. Und Söder schaut dabei zu. Soll doch er die Kandidatur an sich ziehen. Oder traut er sich nicht, ein Spiel zu spielen, das er auch verlieren könnte?
Denn auch das zeigt sich mittlerweile: Die Union könnte die restlichen Wahlen dieses Jahres verlieren, sie wirkt angesichts des Zorns in der Bevölkerung ängstlich und unentschlossen. Die Kanzlerin konnte bislang aufgrund ihrer hohen Akzeptanz in der Partei und bei den Wählern aus dem Hintergrund wirken. Das Konzept bricht aber gerade zusammen, weil sie bald abtritt, ihre Machtausübung hat ein klares Verfallsdatum. Sie sollte aber jetzt noch aktiv werden, ihre Nachfolge mitgestalten und dem Kandidaten dann auch ihre Unterstützung gewähren.
Gut wäre es, wenn Laschets Forderung jetzt noch akzeptiert würde. Er hat nämlich recht. Wir brauchen schnell konkrete Einschränkungen. Um die Zeit zu überbrücken, bis genügend Leute geimpft sind. Merkel, Laschet und Söder – die drei führenden Köpfe sollten mal miteinander reden. Statt übereinander. Am besten heute noch.