Sputnik-V-Kauf Spahn will mit Russland reden – ohne die EU
8. April 2021Stand: 08.04.2021 11:26 Uhr
Gesundheitsminister Spahn will sich in bilateralen Gesprächen mit Russland um Lieferungen des Impfstoffs Sputnik V bemühen – ohne Einbindung der EU. Bayerns Vorpreschen bei dem Vakzin sorgt derweil für Kritik.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat bilaterale Gespräche mit Russland über mögliche Lieferungen des Corona-Impfstoffs Sputnik V angekündigt.
Die EU-Kommission habe gestern bei Beratungen der EU-Gesundheitsminister erklärt, ihrerseits keine Verträge über Impfstoff-Lieferungen aus Russland abschließen zu wollen. Er habe daraufhin „für Deutschland im EU-Gesundheitsministerrat auch erklärt, dass wir dann mit Russland bilateral reden werden“, sagte Spahn im WDR.
Noch Ende März hatte es mit Blick auf Sputnik aus Regierungskreisen geheißen, man sei der Meinung, dass das wieder über das „europäische System“ erfolgen solle.
Zuerst muss die Zulassung da sein
Man müsse aber sehr aufpassen, dass dies nicht zu einer „Fata-Morgana-Debatte“ werde, so Spahn. Zunächst gehe es um die Zulassung durch die Europäische Arzneimittelagentur EMA. Dafür müsse Russland Daten liefern. Solange dies nicht geschehe, könne es keine Zulassung geben. Die zweite Frage sei dann die der Bestellung, sagte Spahn.
Um in der aktuellen Lage „wirklich einen Unterschied zu machen“, müsste die Lieferung schon in den nächsten zwei bis vier, fünf Monaten kommen. „Ansonsten haben wir so oder so mehr als genug Impfstoff.“ Spahn erwarte deshalb von Russland verbindliche Aussagen dazu, wann welche Menge konkret nach einer Zulassung auch Deutschland erreichen könnte.
EU-Kommission: Sputnik kann kurzfristig nicht helfen
Nach Einschätzung des Impfstoff-Beauftragten der EU-Kommission, Thierry Breton, kann Sputnik bei der EU-Impfkampagne jedoch kurzfristig nicht helfen. Auf die Frage, ob Präparate etwa aus Russland oder China dazu beitragen könnten, bis zum Sommer 70 Prozent der Erwachsenen in der EU zu impfen, schrieb der Franzose in einem Blog-Eintrag: „Ich fürchte, die Antwort ist nein.“
Er habe zwar keinen Grund, an der Effektivität, Sicherheit und Qualität jener Impfstoffe zu zweifeln, die außerhalb der EU entwickelt worden seien. Dies zu bewerten sei jedoch Sache der EMA. Jedes Unternehmen, das einen neuen Impfstoff produzieren wolle, brauche aber mindestens zehn Monate. Deshalb müsse man sich auf die Produktion jener Impfstoffe konzentrieren, die in der EU bereits zugelassen oder kurz davor sind.
Sachsen-Anhalt begrüßt Spahns Ankündigung
Breton zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass es auch ohne Impfstoffe wie Sputnik V bis Ende Juni genügend Dosen in der EU gibt, um etwa 70 Prozent der Erwachsenen zu impfen. Im ersten Quartal seien 108 Millionen Dosen geliefert worden, für das zweite Quartal rechne er mit 360 Millionen weiteren. Er sei optimistisch, dass es bald etwas Normalität geben werde.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff begrüßte dagegen Spahns Ankündigung, einen Vorvertrag zum Ankauf von Sputnik V anzustreben. Das sei „der richtige Weg“, sagt der CDU-Politiker der Nachrichtenagentur Reuters. „Ich habe immer gesagt, dass entweder die EU oder die Bundesregierung hier vorangehen sollten.“ In Deutschland sei der Bund für die Impfstoffbeschaffung zuständig.
Kritik an Söders Alleingang
Das könnte als Seitenhieb gegen Bayerns Ministerpräsident Markus Söder verstanden werden, der beim russischen Impfstoff gestern vorgeprescht war. Söder hatte in München angekündigt, noch am gleichen Tag einen Vorvertrag mit dem Hersteller von Sputnik V abzuschließen. Nach der Zulassung in Europa solle ein Kontingent von rund 2,5 Millionen Dosen an den Freistaat gehen.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil äußerte im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF Kritik an Bayerns Vorgehen. „Wir halten uns an das vereinbarten Verfahren“, sein Land werde Sputnik V nicht im Alleingang bestellen.
Mit Blick auf Söder sagte der SPD-Politiker: „Dass das ausgerechnet derjenige Kollege macht, der ansonsten mit markigen Worten immer ein betont einheitliches Verhalten in der Pandemie-Bekämpfung fordert, das spricht doch für sich.“
„Egoistische und unsolidarische Alleingänge“
Auch Niedersachsens Gesundheitsministerin Daniela Behrens kritisierte Bayerns Vorpreschen: „Was wir nicht brauchen, sind egoistische und unsolidarische Alleingänge einzelner Bundesländer“, sagte Behrens dem „Weser-Kurier“. Wenn der Impfstoff von der EMA zugelassen sei, sollte er auch für alle Menschen in Deutschland eingesetzt werden können. Der Bund habe den Auftrag, für alle 16 Bundesländer verteilt auf die Bevölkerungsanteile genügend Impfstoff zu besorgen.
Der Co-Vorsitzende der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, übte ebenfalls scharfe Kritik am Vorgehen Söders und forderte die Bundesregierung zum Eingreifen auf. „In einer Krise braucht es zuerst Solidarität und nicht grenzenlosen Egoismus für die eigene Karriere“, sagte er dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“. Einen Wettlauf um Impfstoffe zwischen den Bundesländern dürfe es nicht geben. „Wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung beim Impfen, aber keine bayerische Kraftmeierei“, so Bartsch.
STIKO: Nicht überzeugt vom „bayerischen Alleingang“
Etwas zurückhaltender aber ebenfalls skeptisch äußerte sich der Vorsitzende der ständigen Impfkommission, STIKO, Thomas Mertens. Prinzipiell sei es gut, dass man jetzt versuche, sich Impfstoff zu sichern, sagte Mertens im Morgenmagazin. Doch wenn dies jetzt wieder als „bayerischer Alleingang“ geplant sei, „bin ich davon nicht so sehr überzeugt“.
Die bislang publizierten Daten über Sputnik V sähen „sehr gut“ aus, sagte Mertens. Er wisse aber nicht, was der EMA noch an zusätzlichen Daten vorliege. „Wenn der Impfstoff geprüft und zugelassen wird, hätte ich persönlich auch nichts gegen den Einsatz des Impfstoffes einzuwenden.“
Sputnik auch in Mecklenburg-Vorpommern?
Bayern ist mit seinem Vorpreschen aber wohl bald nicht mehr alleine: Auch Mecklenburg-Vorpommern verhandelt mit Russland über den Ankauf des Vakzins. Das bestätigte Gesundheitsminister Harry Glawe dem NDR.
Noch heute will Glawe einen Vertrag nach Moskau schicken – es geht um eine Million Impfdosen für Mecklenburg-Vorpommern – die Verhandlungen seien mit der Staatskanzlei abgestimmt. Glawe rechnet bis spätestens Anfang Juni mit einem Einsatz des Impfstoffs. Die Kosten übernimmt der Bund, die Tranche für Mecklenburg-Vorpommern soll rund zehn Millionen Euro kosten.
In den vergangenen Tagen hatte sich Ministerpräsidentin Schwesig unzufrieden mit dem Impftempo in Mecklenburg-Vorpommern gezeigt. Im Bundesvergleich liegt das Land vor Sachsen auf dem vorletzten Platz in der Impfstatistik. Glawe sagte, es sei wichtig, „dass wir die Impfgeschwindigkeit erhöhen“. Sputnik V könne dazu beitragen.