Landtag soll Weg für Sputnik V freimachen
29. April 2021Kurswechsel in der Impfstrategie Mecklenburg-Vorpommerns: Auch weil es Lieferprobleme beim Impfstoff AstraZeneca gibt, will das Land künftig verstärkt auf Sputnik V aus Russland setzen. Im Landtag soll heute eine wichtige Hürde genommen werden.
Der Finanzausschuss des Landtags entscheidet heute über die Freigabe von 10 Millionen Euro für den Ankauf des russischen Impfstoffs Sputnik V. Das Land will sich eine sogenannte Kauf-Option für das Anti-Corona-Mittel sichern. Das Geld für Sputnik V soll aus dem schuldenfinanzierten MV-Schutzfonds kommen. Vor allem Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) setzt auf das Mittel aus Russland – sie hofft auf insgesamt eine Million Dosen bis spätestens Ende Juni.
Noch keine Zulassung
Weil Sputnik V zwei Mal gespritzt werden muss, würde das für 500.000 Erwachsene in Mecklenburg-Vorpommern reichen. Allerdings: noch ist Sputnik V von der EU-Arzneimittelbehörde EMA nicht zugelassen. Die russische Seite muss noch Daten liefern, schreibt das Gesundheitsministerium in seiner Vorlage für den Finanzausschuss. Erst wenn die Zulassung vorliegt, will Mecklenburg-Vorpommern kaufen und dann schneller sein als andere.
Warnung aus Finanzministerium
Das Finanzministerium in Schwerin zieht den angepeilten Deal in Zweifel: Die „Finanzer“ warnen vor einer vertraglichen Bindung an ein nicht zugelassenes Anti-Corona-Produkt. Bis Ende Juni würden andere Hersteller wie BionTech Pfizer außerdem ihre Liefermengen deutlich erhöhen, Sputnik V sei dann möglicherweise nicht mehr nötig. Dafür spricht einiges: Bis Ende Juni rechnet auch das Gesundheitsministerium mit mehr als rund 800.000 Dosen der bekannten Hersteller – darunter 172.000 von AstraZeneca. Das geht aus einer internen Mitteilung von Mitte April hervor. Bemerkenswert ist jedoch: Die Lieferzusagen für AstraZeneca sind mittlerweile zusammengestrichen worden.
Verzicht auf AstraZeneca
Mecklenburg-Vorpommern erwartet für Mai und Juni nur noch etwa 38.000 Dosen des Mittels. Wegen dieser Lieferengpässe verzichtet das Land in den Impfzentren künftig auf den Impfstoff aus britisch-schwedischer Produktion – der soll dort nur noch für die nötigen Zweitimpfungen und bei den Hausärzten verimpft werden. Das kündigte Gesundheitsminister Harry Glawe (CDU) an. Seit dem Start der Impfkampagne sind rund 100.000 AstraZeneca-Dosen verimpft worden, davon 62.000 in den Impfzentren.
Grüne: „Unseriöses Verhalten“
Der Grünen-Spitzenkandidat für die Landtagswahl, Harald Terpe, nennt das Verhalten unseriös. „Die Landesregierung kann nicht einen zugelassenen, wirksamen Impfstoff verbannen und dafür auf einen bisher nicht zugelassenen Wirkstoff spekulieren“, erklärte der Mediziner. Noch würden nicht ausreichend Impfstoffe bereitstehen, auch deshalb könne nicht auf AstraZeneca verzichtet werden. Die Zulassung von Sputnik V sei bisher „nicht mehr als eine Hoffnung“, so Terpe, zumal weiterhin vollständige und ausreichend verlässliche Daten zu diesem Vakzin fehlten.
AstraZeneca-Hotline wird eingestellt
Ein Sprecher des Gesundheitsministerium hat dieser Einschätzung auf Anfrage widersprochen. Das Ministerium ist bemüht, den Eindruck zu zerstreuen, das Land streiche AstraZeneca von der Liste der Anti-Corona-Mittel. „Wir verzichten nicht auf AstraZeneca“, teilte der Sprecher mit. Das Mittel werde über den Bund weiter an die Hausärzte verteilt, die zugesicherten knappen Lieferungen an das Land müssten die Zweitimpfungen absichern. Deshalb werde auch die AstraZeneca-Hotline eingestellt, die extra für die Buchung der Erst-Termine mit diesem Impfstoff vorgesehen war.
Schwesig und Glawe noch nicht geimpft
Der Sprecher stellte klar, dass es keine Zweifel an dem Mittel gebe. Minister Glawe habe mehrfach betont, er würde sich mit AstraZeneca impfen lassen. Der 67-Jährige ist ebenso wie Ministerpräsidentin Schwesig allerdings noch nicht geimpft – Schwesig gehört wegen ihrer Krebserkrankung in die Prioritätengruppe 2, für die es Impfungen bereits gibt. Führende Bundespolitiker haben sich dagegen schon impfen lassen, darunter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) – beide mit AstraZeneca.