Seenplatte: Zwei Jahre nach dem Eurofighter-Absturz
24. Juni 2021Vor zwei Jahren kam es über der Mecklenburgischen Seenplatte zum schwersten Unglück der Luftwaffe mit Eurofighter-Kampfjets. An die abgestürzten Maschinen erinnert heute fast nichts mehr. Längst donnern Jets wieder über die Dörfer – zum Ärger vieler Anwohner. Ein Ende der Übungsflüge ist nicht in Sicht.
Am 24. Juni 2019 überflogen drei Eurofighter-Kampfjets des in Laage bei Rostock stationierten Luftwaffengeschwaders 73 „Steinhoff“ die Mecklenburgische Seenplatte. Zwei der Maschinen stießen an diesem sonnigen Tag über dem Fleesensee zusammen. Urlauber machten Smartphone-Videos von den abstürzenden Jets. Die brennenden Wracks fielen auf ein Feld und in einen Wald – jeweils nur wenige Hundert Meter von den Ortschaften Silz und Nossentiner Hütte entfernt. Ein 27 Jahre alter Pilot starb. Der Pilot der zweiten Unglücksmaschine konnte sich per Schleudersitz retten. Er landete mit seinem Fallschirm in einem Baum. Der dritte Pilot flog unversehrt zurück nach Laage, wo 27 Maschinen dieses Typs stationiert sind.
Mittlerweile sind die Ermittlungen zu dem Unfall abgeschlossen und eingestellt worden. Der bei dem Zusammenstoß ums Leben gekommene Pilot war demnach für die verhängnisvolle Kollision in der Luft verantwortlich. Er habe den Mindestabstand zu den anderen Maschinen nicht eingehalten und regelwidrig deren Flugbahn gekreuzt, so die Ermittler.
Trümmerteile noch nach einem Jahr gefunden
Eine der beiden Absturzstellen lag unweit eines Kindergartens. Die Bürgermeisterin von Nossentiner Hütte, Birgit Kurth, sprach nach dem Absturz von großem Glück, „dass nicht noch mehr passiert ist“. Doch auch so blieb der Absturz nicht folgenlos für die Menschen in der Region. Der Boden rund um die Absturzstellen war mit Kerosin kontaminiert und wurde teils großflächig abgetragen, große Waldflächen wurden gerodet. Betroffene Landwirte, auf deren Felder Wrackteile gestürzt waren, wurden entschädigt.
Die am Einsatz beteiligten Feuerwehren bekamen neue Schutzanzüge, die Einsatzfahrzeuge wurden aufwendig gereinigt – aus Sorge um gesundheitsschädliche Stoffe, die freigesetzt worden sein könnten. Noch mehr als ein Jahr lang fanden Bewohner, Bundeswehrsoldaten, Touristen und Landwirte Trümmerteile der Unglücksmaschinen und warfen sie in bereitgestellte Container.
„Als wenn wir beschließen, China soll aus der UNO austreten“
Auch zwei Jahre nach dem Absturz ist die Erinnerung daran präsent, aber der Alltag ist längst zurückgekehrt. Auch Bundeswehr-Jets fliegen wieder über die Dörfer. Eine vor einem Jahr geplante und wegen der Corona-Pandemie verschobene Gedenkveranstaltung der Gemeinde Nossentiner Hütte sollte in diesem Jahr nachgeholt werden. Doch davon nahm die Gemeindevertretung wieder Abstand.
In der Kommunalpolitik ist der Absturz aber immer wieder Thema. Der Kreisverband der Linken nahm den Vorfall jüngst zum Anlass, ein generelles Ende solcher Flugübungen über Mecklenburg-Vorpommern zu fordern. Niemand in den anderen Parteien würde sich das nicht wünschen, so der allgemeine Tenor. Es sei jedoch unrealistisch. „Das wäre, als wenn wir beschließen, China soll aus der UNO austreten“, hieß es von den Kreistagsabgeordneten. Der Vorstoß wurde abgelehnt. Die Politiker äußerten aber ihre klare Erwartung an die NATO. Sie müsse im Zuge ihrer Neuausrichtung Gebiete für Flugübungen finden, die unbewohnt seien. Nur dort sollten perspektivisch solche Übungsflüge erlaubt sein.
Übungsflüge an mehr als 200 Tagen im Jahr
Denn diese Übungsflüge gehören zum Alltag an der Seenplatte. Erlaubt sind sie bis zu einer Höhe oberhalb von 300 Metern an rund 200 Tagen im Jahr, für jeweils etwa zwei Stunden. Die Kampfjets fliegen immer in den vorgegebenen Regionen, vor allem zwischen Berlin und der Ostsee, heißt es von der Bundeswehr. Dabei werde auch wieder jene Luftkampfübung trainiert, bei der damals der Unfall passierte.
„Ein Ende solcher Tiefflüge wäre sehr wichtig“
Die Einwohner stehen diesen Flügen skeptisch bis ablehnend gegenüber. „Ein Ende solcher Tiefflüge wäre sehr wichtig, auch für den Tourismus“, sagte Malchows Bürgermeister Rene Putzar (parteilos). Gerade in diesen Tagen rund um den Jahrestag des Absturzes ist die Aufregung in den sozialen Medien und der Tagespresse wieder größer geworden. Am Nachmittag soll eine Kundgebung auf dem Marktplatz in Malchow abgehalten werden. In so mancher Äußerung der Menschen ist auch Angst zu spüren, wenn sie schildern, wie die Eurofighter über die Häuser hinwegdonnern. Das sei so laut, dass man manchmal sein eigenes Wort nicht mehr verstehen könne, sagen Anwohner.
Kaum Hoffnung auf Ende der Übungsflüge
Seit sieben Jahren ist der Nordosten Sonderflugzone der Bundeswehr, in der diese Übungsflüge möglich sind. Beschlossen wurde das drei Jahre nach der Schließung des Bombodroms nahe bei Wittstock im Norden Brandenburgs. Einen kausalen Zusammenhang hat die Politik bisher nicht bestätigt. Dass diese Sonderflugzone in absehbarer Zeit wieder abgeschafft wird, sei nicht geplant, hieß es von der Luftwaffe. In der Region haben sich viele Menschen mit der Situation arrangiert, wie etwa Bürgermeisterin Kurth. Irgendwo müsse die Luftwaffe ja üben, sagt sie – und schließlich sei der Lärm der russischen MiGs zu DDR-Zeiten noch viel stärker gewesen.