„Die No-Show-Rate liegt bei 20 Prozent“Trotz gefährlicher Delta-Variante: Warum Zehntausende die Impfung schwänzen
26. Juni 2021Die ansteckende Delta-Variante ist weltweit auf dem Vormarsch. Dennoch gerät die Impfkampagne hierzulande ins Stocken. In einigen Bundesländern werden Termine einfach geschwänzt. Woran liegt das? Eine Spurensuche.
Die Meldungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) stimmen pessimistisch: Die ansteckende Delta-Variante des Coronavirus macht hierzulande bereits 15 Prozent aller Neuinfektionen aus. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mahnte am Freitag zur Vorsicht: „Aus einem zu sorglosen Sommer darf kein Sorgenherbst werden.“ Es sei wichtig unbedingt die zweite Impfung wahrzunehmen. Dennoch erscheinen in einigen Bundesländern viele Bürger nicht zum vereinbarten Impftermin.
„Aktuell beläuft sich die No-Show-Rate in ganz Hessen auf rund 20 Prozent“, teilte das hessische Innenministerium gegenüber FOCUS Online mit. In Mecklenburg-Vorpommern erscheinen einem „Tagesspiegel“-Bericht zufolge zwischen 15 und 40 Prozent nicht zu ihrem Termin. Und das, obwohl immer mehr Impfstoff zur Verfügung steht. Ähnlich ist die Situation in Bremen. Der Stadtstaat beobachtet in den vergangenen Wochen, dass immer weniger Termine wahrgenommen werden. Es handelt sich schätzungsweise „um fünf bis zehn Prozent der Termine“, wie ein Senatssprecher verriet. Brandenburg meldet die gleichen Zahlen.
Impfung wegen des „schönen Wetters vergessen“
Über die Gründe kann vielerorts nur spekuliert werden. Laut Sozialministerium Sachsen wurden als Gründe „das schöne Wetter oder das Vergessen des Termins genannt. Auch niedrige Fallzahlen könnten einige Menschen glauben machen, dass eine Impfung nicht mehr so wichtig ist“, heißt es in einer Stellungnahme gegenüber FOCUS Online. Dabei warnte RKI-Präsident Lothar Wieler am Freitag vor der Delta-Variante: „Wir wissen, dass voll Geimpfte gegen schwere Erkrankungen von Delta geschützt sind.“ Das gelte jedoch nicht für Menschen, die ihre zweite Impfung noch nicht erhalten haben.
Bei vielen Menschen steht in den kommenden Wochen der Termin für die Zweitimpfung an, nur grätschen jetzt der Sommer und die Urlaubssaison dazwischen. Was ist also, wenn der Zeitpunkt nicht passt? In Baden-Württemberg und Bayern wird die Verschiebung der Zweitimpfung nur in Ausnahmefällen gestattet. Ein bayrischer Ministeriumssprecher sagte ausdrücklich: „Eine Urlaubsreise wird nicht als Grund für eine Verschiebung akzeptiert.“
Impfzentren in Deutschland registrieren eine sinkende Nachfrage
Die „Unabhängige Patientenberatung“ fordert deshalb mehr Flexibilität bei Zweitimpfungen: „Eine möglichst vollständige Impfung können wir nur erreichen, wenn die Menschen unkompliziert an die Zweitimpfungen kommen“, sagt Geschäftsführer Thorben Krumwiede. „Die starre Bindung an eine Impfstelle ist genau so eine Hürde.“
Nach Angaben des Gesundheitsministers sind aktuell 44 Millionen Bürger in Deutschland bereits einmal geimpft, vollständigen Impfschutz haben 28,3 Millionen. Viele Gesundheitsministerien appellieren an die Bürger, sich angesichts der Delta-Variante schnell impfen zu lassen. In der Regel sind jetzt für jeden Impfstoff genügend Termine frei – wer vor ein paar Wochen noch keinen bekam, hat jetzt beste Chancen.