Zweite Spritze macht den Unterschied^- Schutz vor Delta-Variante: Darum sollten Sie Ihren zweiten Impftermin nicht verpassen
4. Juli 2021
Das Immunsystem braucht diese zweite Trainingsrunde, um sich wirklich gegen das Coronavirus zu wappnen – vor allem gilt das für die neuen Varianten. Doch viele Erstgeimpfte lassen die Zweitimpfung einfach ausfallen. Das gefährdet sie persönlich ebenso wie es die mühsam erkämpften Erfolge in der Pandemiebekämpfung aufs Spiel setzt.
Tausende versäumen die Zweitimpfung
Aus Medienberichten geht hervor, dass wohl Zehntausende von Erstgeimpften ihren zweiten Impftermin versäumen. Allein der Norddeutsche Rundfunk berichtete für die nördlichen Bundesländer von 2000 verfallenen Zweitimpfungen an nur einem Wochenende, in Sachsen waren es nach Angaben des Deutschen Roten Kreuzes fast 7000 innerhalb einer Woche – und damit jeder neunte Anwärter.
Manche zögern wohl, weil sie nach der ersten Impfung unangenehme Nebenwirkungen wie Fieber und Gliederschmerzen erlebt haben. Anderen ist der erneute Gang zum Arzt oder Impfzentrum zu mühsam – oder der Termin passt schlecht in ihre privaten Pläne. Oder sie wiegen sich nach der ersten Dosis bereits in Sicherheit – ein Trugschluss, der auch dadurch befördert worden sein mag, dass Experten in den vergangenen Monaten bereits der ersten Impfung eine gewisse Schutzwirkung attestierten.
Die zweite Spritze macht den Unterschied
Doch galt das für die damals vor allem grassierende sogenannte Wildform des Coronavirus. Diese wurde inzwischen aber von Mutationen verdrängt, für die diese Aussage nicht mehr zu halten ist. Erstens, weil darüber schlicht noch nicht genügend Daten vorliegen. Zweitens aber – und das ist die größere Sorge – weil nach ersten Beobachtungen die Erstimpfung gegenüber der ansteckenderen Delta-Variante, die sich auch in Deutschland rasant ausbreitet, noch keine ausreichende Schutzwirkung entfaltet.
Das gilt beispielsweise auch für das in Deutschland meistverimpfte mRNA-Vakzin von BionTech/Pfizer. Im Fachmagazin Lancet berichten britische Forscher, dass rund vier Wochen nach der ersten Impfung 68 Prozent, also gut zwei Drittel der Studienteilnehmer nur eine schwache Antigenneutralisierung gegenüber der Delta-Variante zeigten. Bei der Wildform waren es nur 21 Prozent (ca. ein Fünftel), bei der Alpha-Mutation etwa 50 Prozent. Erstgeimpfte hätten demnach ein großes Risiko, dennoch an der Delta-Variante zu erkranken – und die Menschen um sich herum anzustecken.
Zwei Impfdosen halten auch Delta in Schach
Eine vollständige Impfung hingegen bietet auch gegenüber Delta einen hochwirksamen Schutz. Das ergab eine andere Untersuchung, diesmal durch die britische Gesundheitsbehörde Public Health England (PHE) initiiert. Krankenhausaufenthalte waren demnach bei vollständig mit AstraZeneca oder BionTech/Pfizer Geimpften in deutlich weniger als zehn Prozent der Fälle erforderlich.
Auch der Schutz vor symptomatischen Verläufen ist für vollständig Geimpfte nach Kontakt mit der Delta-Variante nur geringfügig kleiner als bei der Coronavirus-Wildform: Nach einer BionTech/Pfizer-Impfung waren 88 Prozent vor der Delta-Variante geschützt, 93 Prozent gegen die Alpha-Variante. Doppelt mit AstraZeneca Geimpfte sind vor Erkrankungen mit der Delta-Variante zu 60 Prozent geschützt, bei der Alpha-Mutation zu 66 Prozent.
Nach nur einer Impfung verblasst der Schutz schneller
Die ermittelten Schutzeffekte gelten nur für vergleichsweise frisch Geimpfte. Mit der Zeit nimmt die Schutzwirkung der Impfung deutlich ab. Die Antikörper, die das erste Bollwerk gegen das Virus bilden, verschwinden vergleichsweise schnell wieder aus dem Blut. Bei erneutem Virenkontakt ist dann ein anderer Akteur des Immunsystems gefordert: das Immungedächtnis.
Wurde nur einmal geimpft, könnte der Immunschutz noch deutlich schneller schwinden. Die Virologin Sandra Ciesec erklärt das Im NDR-Podcast das Coronavirus-Update so: „Mit der zweiten Impfung erreicht man das immunologische Gedächtnis. Das heißt, die Antikörper-Antwort wird nach der zweiten Impfung noch mal stärker, zehnfach stärker, zwanzigfach stärker. Man hat eine längere Wirkung.“
Doppeltes Training, längere Wirkung
Um es vereinfacht auszudrücken: Ähnlich, wie jeder Mensch sich besser erinnern kann, wenn er den Lernstoff wiederholt, so kann sich auch die Abwehrkräfte nach der zweiten Dosis besser an das Virus erinnern. „Es ist eine Übung für das Immunsystem, um noch exakter zu werden – und schneller“, sagt Ciesec.
Das könnte auch für den Impfstoff von Johnson und Johnson gelten, für den bisher nur eine Impfdosis vorgesehen ist. Angesichts der neuen Mutationen wird möglicherweise auch hier eine zweite Impfung fällig, eventuell mit einem anderen Impfstoff. Hierzu liegen aber aktuell noch nicht genügend Daten vor.