Schwesig: Trotz Nawalny-Vergiftung an Nord Stream 2 festhalten

3. September 2020 Aus Von mvp-web

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hat sich gegen einen Stopp der umstrittenen Ostseepipeline Nord Stream 2 als Reaktion auf die Vergiftung des Kreml-Kritikers Alexey Nawalny ausgesprochen.

„Ich teile im Fall Nawalny die Position der Bundesregierung. Die Verantwortlichen für den Giftanschlag müssen ermittelt und bestraft werden. Da sind Politik und Justiz in Russland in der Verantwortung“, so Schwesig am Donnerstag. Wer jetzt aber den Verzicht auf Nord Stream 2 fordere, übersehe, dass die Fertigstellung der Pipeline auch im deutschen Interesse liege. „Wir brauchen die Ostseepipeline für die künftige Energieversorgung in Deutschland“, so Schwesig. Es sei besser, im Dialog zu bleiben, als Brücken abzubrechen.

Wegen Nawalny: Wird Nord Stream 2 gestoppt?

Nachdem feststeht, dass der russische Kreml-Kritiker Alexej Nawalny vergiftet wurde, fordern Politiker mehrerer deutscher Parteien ein Ende des Pipeline-Projekts Nord Stream 2.

Nawalny-Vergiftung rückt Pipeline in den Fokus

Die Vergiftung Nawalnys hat die politische Diskussion um Nord Stream 2 neu angefacht. Die Bundesregierung hatte auf die aus ihrer Sicht nachgewiesene Vergiftung des Kreml-Kritikers scharf reagiert und eine europäische Antwort angekündigt. Dabei ist auch die im vorpommerschen Lubmin anlandende Erdgasleitung und ein möglicher Abbruch des Projekts in den Fokus gerückt.

Röttgen: Pipeline-Vollendung ist Ermunterung für Putin

In diese Richtung hatte sich etwa der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen geäußert. Er forderte eine harte europäische Reaktion. Mit der Vergiftung Nawalnys sei man „erneut brutal mit der menschenverachtenden Realität des Regimes Putin konfrontiert worden“, so der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages in den „Tagesthemen“. Eine Vollendung des Gasprojektes Nord Stream 2 wäre eine maximale Bestätigung und Ermunterung für Wladimir Putin, mit dieser Politik fortzufahren. Deshalb müsse über den Erdgasbezug und den Stopp der Pipeline sprechen, so Röttgen. „Nord Stream 2 ist nichts mehr, was wir gemeinsam mit Russland vorantreiben können“, meint auch Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt.

Der Weg der Rohre: Von Mukran auf den Ostseegrund

Merkel will an Pipeline-Fertigstellung festhalten

Hingegen hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) trotz ihrer deutlichen Worte gen Moskau für den Abschluss der Pipeline von Russland durch die Ostsee nach Deutschland ausgesprochen. Auch CSU-Chef Markus Söder reagierte zurückhaltend auf Forderungen nach einem Pipeline-Aus: „Das eine hat mit dem anderen aus unserer Sicht zunächst mal nichts zu tun“, sagte Söder am Donnerstag.

Walter-Borjans: Kein „Wettbewerb der Sanktions-Ideen“

Der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans warnte vor einem unkoordinierten Vorgehen und einem „Wettbewerb der Sanktions-Ideen“ gegen Russland. Dies sei der Stärkung von Meinungsfreiheit und Demokratie in Russland nicht förderlich, so Walter-Borjans in der „Süddeutschen Zeitung“. Auch der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft sprach sich gegen einen Abbruch des Erdgas-Projekts aus.

Daten zur Ostsee-Pipeline Nord Stream 2

  • Gesamtinvestitionen: ca. 8 bis 10 Milliarden Euro
  • Bauzeit: 2018 bis 2020 (geplant)
  • Länge: ca. 1.230 Kilometer (weitgehend parallel zu den bestehenden Leitungen)
  • Ausgangspunkt: Narwa-Bucht bei Ust-Luga an der russischen Ostseeküste
  • Endpunkt: Lubmin bei Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern
  • Betreiber: Nord Stream 2 AG
  • Kapazität: Durch die zwei Röhren können bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas im Jahr geliefert werden
  • Die Pipeline liegt größtenteils auf dem Meeresboden auf, 200.000 betonummantelte Rohre (jedes 24 Tonnen schwer) werden verlegt. In Flachwasserbereichen, wie dem Greifswalder Bodden, sind die Rohre eingegraben.

MSC-Chef Ischinger: „Wir brauchen Russland“

Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC), Wolfgang Ischinger, befürwortete zwar eine unmissverständliche Reaktion der EU-Staaten, warnte aber zugleich vor einem Boykott Russlands. „Ich glaube, klare Kante ist erforderlich. Gleichwohl dürfe keine neue „Mauer“ zwischen dem Westen und Russland aufgezogen werden. „Wir brauchen Russland in der Klimapolitik, in der Ukrainepolitik, in vielen anderen Bereichen“, so Ischinger.

Sie ist fast fertig, die Gaspipeline Nord Stream 2, durch die noch mehr russisches Gas in Richtung Europa strömen soll. Nun wird sie erneut in Frage gestellt. Anlass ist der Giftanschlag auf den russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny. Der CDU-Abgeordnete Norbert Röttgen etwa fordert klare Konsequenzen im Verhältnis zu Russland – zum Beispiel durch einen Stopp für die Gaspipeline, die den Absatz von russischem Gas in Europa künftig verdoppeln könnte. In Mecklenburg-Vorpommern wird das jedoch überwiegend abgelehnt.

Schwesig wirft Pipeline-Gegner indirekt Instrumentalisierung vor

Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) gehört zu denen, die beides klar trennen. Deutschland brauche die Ostseepipeline für die künftige Energieversorgung, so Schwesig. Sie sehe das ähnlich wie die Bundesregierung. „Der Fall Nawalny muss durch die russische Politik und die russische Justiz vollumfänglich und transparent aufgeklärt werden“, sagt Schwesig, „darf aber gleichzeitig nicht genutzt werden von denen, die schon immer gegen die Ostseepipeline waren, diese jetzt in Frage zu stellen“. Indirekt wirft sie damit den Gegnern der Gaspipeline vor, ihrerseits den Anschlag auf Nawalny zu nutzen, um das Aus für das Projekt zu fordern.

Grüne in MV verweisen auf Sicherheitsinteressen in Osteuropa

Der CDU-Außenpolitiker Röttgen, der als einer der ersten schon am Mittwochabend gefordert hatte, Nord Stream 2 auf den Prüfstand zu stellen, fährt nicht ganz überraschend diese Linie. Röttgen hatte sich schon in der Vergangenheit kritisch zu dem Projekt geäußert, vor allem mit Blick auf die Sicherheitsinteressen in Polen, in der Ukraine und in den drei baltischen Ländern. Ein Punkt, den auch die Grünen in Mecklenburg-Vorpommern betonen.

Stand: 03.09.2020 14:02 Uhr  – NDR 1 Radio MV