Corona-Impfungen: Quote laut RKI vermutlich deutlich höher
7. Oktober 2021Ist die Corona-Impfquote in Deutschland höher als bislang bekannt? Das Robert Koch-Institut nimmt an, dass unter Erwachsenen in Deutschland bis zu 84 Prozent mindestens einmal geimpft sind und bis zu 80 Prozent bereits die zweite Dosis erhalten haben (Stichtag 5.10.). Das wären vier bis fünf Prozentpunkte mehr, als nach offizieller Statistik bekannt.
Es sei möglich, dass die offizielle Quote unterschätzt werde, da nur etwa die Hälfte der Betriebsärztinnen und -ärzte die Impfungen über eine Web-Anwendung melde, heißt es im aktuellen Bericht des RKI. Auch sei davon auszugehen, dass Ärztinnen und Ärzte im Praxisalltag nicht alle Impfungen melden. Die Schätzung basiert auf der Annahme, dass alle ausgelieferten Impfdosen auch verimpft wurden.
Noch größere Abweichung laut Umfrage
Im aktuellen Bericht veröffentlicht das RKI auch die Ergebnisse der siebten sogenannten Covimo-Studie. Für die Covimo-Studie befragt das RKI seit Januar 2021 deutschlandweit alle drei bis vier Wochen etwa 1.000 Personen aus der deutschsprachigen Bevölkerung ab 18 Jahren per Telefon.
Die Ergebnisse der aktuellen Umfrage legen nahe, dass die Impfquote sogar noch höher sein könnte. Zum Stichtag 18. August betrug die Differenz zwischen Umfrage und offiziellen Zahlen 13 Prozentpunkte bei den mindestens einmal Geimpften und 12 Prozentpunkte bei den vollständig Geimpften. Auch bei den vorherigen Befragungswellen war es bereits zu teils erheblichen Abweichungen gekommen, wie die Grafik zeigt.
In der Gruppe der 18- bis 59-Jährigen ist die Abweichung in den letzten beiden Berichten besonders hoch gewesen – in den Berichten davor wurde diese Altersgruppe nicht separat betrachtet. Die Quote der Erstimpfungen lag demnach jeweils um die 20 Prozentpunkte höher im Vergleich zu den offiziellen Zahlen.
Die aus der RKI-Umfrage berechneten Impfquoten würden wohl eher eine Überschätzung darstellen, während die Meldungen im Digitalen Impfquoten-Monitoring (DIM), also dem offiziellen Meldeweg, die Impfquoten vermutlich unterschätzen, schreiben die Autoren. Die Impfquote liege voraussichtlich zwischen diesen Werten.
Warum aber die Differenz gerade in dieser Altersgruppe und nur bei den Erstgeimpften so groß ist, darüber rätselten die Autoren schon im vorherigen sechsten Covimo-Bericht. Nora Schmid-Küpke, die beim RKI für den Bericht zuständig ist, nennt zwei Anhaltspunkte, warum dem so sein könnte: Zum einen können Impfungen mit dem Mittel von Johnson&Johnson beim Betrachten einzelner Altersgruppen nicht berücksichtigt werden, da bei diesen Impfungen das Alter nicht erfasst werde. Zum anderen würden Betriebsärztinnen und -ärzte vermutlich vorrangig Personen zwischen 18 und 59 Jahren impfen, so Schmid-Küpke. Fehlende Meldungen von Betriebsärztinnen und -ärzten fallen hier also schwerer ins Gewicht als bei den über 60-Jährigen.
Auch für die Überschätzung der Quote in den Umfragen nennen die Autoren mögliche Gründe. Möglicherweise würden sich Impfwillige eher im Rahmen der Studie interviewen lassen. Außerdem habe man mit den deutschsprachigen Interviews nur die deutschsprachige Bevölkerung erreicht.
Auch Umfrage von Infratest dimap wirft Fragen auf
Im August dieses Jahres sorgte nicht nur der vorherige sechste Covimo-Bericht des RKI für Diskussionen um die Qualität der Impfzahlen. Auch eine Auswertung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin zeigte im August große Abweichungen zwischen Umfrageergebnissen und offiziellen Zahlen. Die Auswertung basierte auf Daten des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap. Sie hatte zum damaligen Zeitpunkt eine Impfquote von 75 Prozent in der Gruppe der 18- bis 59-Jährigen ergeben, also rund 16 Prozentpunkte mehr als die offiziell erfasste Impfquote.
Die zugrunde liegende Befragung, der sogenannte Corona-Compass (Corona-Online-Meinungs-Panel-Survey-Spezial) ist eine Online-Befragung, die auch dazu genutzt wurde, Unterschiede in den Impfquoten und Einstellungen zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen zu untersuchen – also beispielsweise zwischen Menschen mit höherem und niedrigerem Bildungsabschluss. „Diese Gruppenunterschiede sind der Fokus unserer Studie, nicht die Abschätzung einer repräsentativen Imqfquote“, sagt Wissenschaftler Mathias Huebener vom DIW Berlin.
DIW-Forscher: Befragungen geben wichtige Hinweise
Eine repräsentative Impfquote lässt sich laut Huebener nicht aus den Daten ableiten, da Befragte immer die Antwort verweigern oder Falschangaben machen können. Dies sei eine grundsätzliche Einschränkung von Umfragen. Dennoch sei es sinnvoll, die Ergebnisse zu betrachten und zu diskutieren. So hätten mit der Auswertung des DIW Berlin und der Covimo-Studie mehrere Befragungen Hinweise darauf gegeben, dass im offiziellen Impfquotenmonitoring nicht alle Impfungen erfasst werden.
Der aktuelle RKI-Bericht bestätigt also einmal mehr, dass die Impfquoten in Deutschland höher sind, als es die offiziellen Zahlen vermuten lassen. Die offene Frage ist nur, wie groß diese Abweichung tatsächlich ist.