Neue Regeln im Dezember: Schon der Verdacht genügt: So schnell stehen Arbeitnehmer mit Fake-Impfpass auf der Straße
11. Dezember 2021
erade den Supergau, ich habe schon viele tränenreiche Gespräch geführt.“ Was Impf-Tricksern jetzt blüht:
Ist das Vorzeigen eines falschen Impfausweises strafbar?
Ja. Auch wenn es noch nicht alle mitbekommen haben sollten, die sich einen falschen Impfpass oder gefälschte negative Testergebnisse besorgten: Der Gebrauch solcher Fake-Dokumente, um sich damit Zutritt zum Arbeitsplatz, ins Restaurant oder in ein Geschäft zu erschleichen, steht jetzt unter Strafe. Dafür wurde Paragraf 279 Strafgesetzbuch (StGB) verschärft. Wer täuscht und erwischt wird, muss mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe rechnen. Das sollten sich alle vor Augen führen, die am Arbeitsplatz gefordertes Testen umgehen, ungeimpft bleiben und den Fake-Impfnachweis dazumöchten, um ihren Job behalten zu können, wie Beismann betont. Bislang mussten Trickser kaum Konsequenzen fürchten. Ausnahme: Wenn die Fälschungen bei Behörden, Versicherungen oder Apothekern präsentiert wurden.
Darf mir der Chef kündigen?
Ja. Präsentiert ein Mitarbeiter im Betrieb gefälschte Impfdokumente, ist das ein Verstoß gegen das Impfschutzgesetz. Ein triftiger Grund für eine fristlose Kündigung. Nicht davon zu reden, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zerstört ist. Wer den Chef täuscht, riskiert jetzt also definitiv seine Entlassung, steht schnell auf der Straße und hat viel zu verlieren. Tricksen kann schlimme Folgen für das Leben ganzer Familien haben, warnt Hans-Christoph Hellmann, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Versicherungsrecht aus Bremen. Das Risiko aufzufliegen ist hoch. Betriebe mit 2G- oder 3G-Regeln kontrollieren die Einhaltung. Neben den digitalen Zertifikaten werden nun auch die gelben Impfpässe in Papierform zunehmend auf Echtheit überprüft. Mithilfe der App SafeVac lässt sich checken, ob es sich bei den Nummern auf dem Sticker um eine tatsächlich verimpfte Charge handelt.
Was passiert, wenn ich auffliege?
Wer viel Glück und ein bislang gutes Verhältnis zum Chef hat, kann mit einer Abmahnung davonkommen, erklärt Fachanwalt Beismann. Die meisten Trickser müssen sich jedoch auf knallharte arbeitsrechtliche Konsequenzen gefasst machen. Sie bekommen häufig die fristlose Kündigung auf den Tisch und dürfen gleich ihre Sachen packen, den Spind oder das Büro räumen. Damit ist nicht nur der Job weg. Sie stehen auch von einem Moment auf den anderen ohne jegliche Bezüge da, ohne Geld,Lohn und Gehalt werden von einem Tag auf den anderen eingestellt. Und weil der Jobverlust selbstverschuldet ist, gibt es auch kein Arbeitslosengeld I. Das ist gesperrt. „Damit ist ein Wiedereinstieg ins Berufsleben deutlich erschwert“, warnt Beismann. Dazu kommt: Zeigt die Firma den tricksenden Mitarbeiter obendrein an, hat dieser auch noch ein Strafverfahren am Hals. „Manche Betriebe leiten den Fall weiter, manche nicht. Nur – wenn sie es tun, ist das der Supergau“, so Beismann.
Kann der Chef auch bei Verdacht kündigen?
Ja. Selbst das ist möglich. Ein Beispiel: Eine Mitarbeiterin hat sich in der Firma seit Monaten schon lautstark als klare Impfgegnerin positioniert. Mit Einführung von 2G-Regeln zaubert sie plötzlich ein Impfbuch mit vollständigem Impfstatus aus dem Hut. „Hegt der Arbeitgeber schwere Zweifel an der Echtheit des Nachweises, darf er ihr kündigen‘“, erläutert Beismann. Der Chef müsse den Verstoß, von dem er ausgeht, nicht zu 100 Prozent nachweisen. Allein der begründete Verdacht, dass getäuscht wurde, kann für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ausreichen. „Das ist die Besonderheit des Arbeitsrechts, es gilt nicht die sonst übliche Vorgabe „Im Zweifel für den Angeklagten“, so der Fachanwalt. Aber: Eine Verdachtskündigung lässt sich nicht bei geringem Misstrauen aussprechen.
Was, wenn mich der Chef zum Gespräch zitiert?
Haben Mitarbeiter mit ihren Fake-Ausweisen geltende Regeln ausgehebelt, wird in der Regel ein Personalgespräch angeordnet. „Wer eine Straftat begangen hat, muss sich auch den Folgen stellen“, betont Hellmann. Betroffene sollten sich vorher anwaltlich beraten lassen, wenn das möglich ist. Grundsätzlich gilt: Niemand muss sich selbst belasten. Nicht jede Frage des Arbeitgebers muss sofort beantwortet werden. Wollen Vorgesetzte das Fake-Dokument fotografieren, ist das nicht erlaubt. Beschuldigte müssten sich auch nicht 3,5 Stunden lang „verhören“ lassen, sagt Beismann. Legt der Chef einen Aufhebungsvertrag ohne Abfindung auf den Tisch, sollte Zeit sein, die Vor- und Nachteile zu prüfen, rät Hellmann. Wer unterschreibt, trägt zwar nicht den Makel der fristlosen Kündigung mit sich herum, kann aber nicht mehr klagen.
Was können Gekündigte tun?
Eine Verdachtskündigung ist bislang oft angreifbar. Selbst wer die fristlose, verhaltensbedingte Kündigung kassiert, ist nicht schutzlos. Betroffene können auch in diesem Fall dagegen vorgehen, Kündigungsschutzklage einreichen und die Wirksamkeit des Rauswurfs gerichtlich auf den Prüfstand stellen lassen. Aber Eile tut Not. Für die Klage bleiben nur drei Wochen Zeit ab Erhalt des Kündigungsschreibens. Wird die Frist auch nur um einen Tag überschritten, wird die Kündigung wirksam, mahnt Beismann zur Vorsicht. Auch dann, wenn der Empfänger die Frist etwa wegen Krankheit versäumte. Ob ein Prozess wegen gefälschter Impfnachweise Aussichten auf Erfolg hat, ist ungewiss und hängt immer auch vom Einzelfall ab. Noch gibt es keine wegweisenden Gerichtsentscheidungen dazu. Ziel einer Klage sei es, die fristlose Kündigung beiseite zu räumen und die drohende Sperre beim Arbeitslosengeld zu verhindern, so Beismann. In jedem Fall geht ein Klageverfahren ins Geld, erläutert Hellmann. Denn: In der ersten Instanz trägt im Arbeitsrecht jede Partei ihre Anwaltskosten selbst, ganz gleich, wer am Ende gewinnt oder verliert. Wer verliert, zahlt auch noch die Gerichtsgebühren.