US-Geheimdienste sollen mit russischem Einmarsch in Ukraine Mitte kommender Woche rechnen

US-Geheimdienste sollen mit russischem Einmarsch in Ukraine Mitte kommender Woche rechnen

12. Februar 2022 Aus Von ...Susanne Kimmpert

Medienberichten zufolge hat Russlands Präsident Wladimir Putin sich nach Kenntnis der US-Regierung dazu entschieden, in die Ukraine einzumarschieren – eine Invasion könne demnach bereits kommende Woche beginnen. Zunächst berichtete ein Reporter des US-Mediums „PBS News Hour“ unter Berufung auf drei Quellen, dass Putin seine Entscheidung dem russischen Militär mitgeteilt habe. Der„Spiegel“ berichtete zudem, dass Geheimdienste und Militär der USA damit rechneten, dass ein russischer Angriff bereits am kommenden Mittwoch erfolgen könnte. Das Magazin bezog sich dabei auf Aussagen mehrerer Diplomaten und Militärs.

Demnach seien in den geheimen Unterrichtungen konkrete Routen des russischen Militärs beschrieben worden sowie einzelne russische Einheiten samt ihrer jeweiligen Aufgaben. Insider hielten es jedoch auch für möglich, dass die USA durch das bewusste Streuen dieser Informationen russische Angriffspläne torpedieren wolle.

Die russische Regierung wies die Darstellung, sie plane eine Invasion in die Ukraine, erneut zurück. Westliche Staaten verbreiteten diesbezüglich Falschinformationen und würden dabei von Medien unterstützt, erklärte das Außenministerium in Moskau. Westliche Staaten versuchten damit, von eigenen aggressiven Handlungen abzulenken.

Die US-Regierung wollte Berichte über einen in den kommenden Tagen bevorstehenden Angriff bislang nicht bestätigen. Zuvor hatte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, am Freitag im Weißen Haus lediglich gesagt, dass man einen russischen Einmarsch in die Ukraine noch vor dem Ende der Olympischen Winterspiele in China am 20. Februar für möglich halte. „Wir sehen weiterhin Anzeichen für eine russische Eskalation, einschließlich neuer Truppen, die an der ukrainischen Grenze eintreffen“, sagte Sullivan. Er machte aber deutlich, dass er damit nicht sagen wolle, dass Putin eine Entscheidung für eine Invasion getroffen habe.

Amerikaner sollen Ukraine „in den nächsten 24 bis 48 Stunden“ verlassen

„Wir befinden uns in einem Zeitfenster, in dem eine Invasion jederzeit beginnen könnte, sollte sich (der russische Präsident) Wladimir Putin dazu entschließen, sie anzuordnen“, sagte Sullivan. „Ich werde mich nicht zu den Einzelheiten unserer Geheimdienstinformationen äußern. Aber ich möchte klarstellen, dass sie (die Invasion) während der Olympischen Spiele beginnen könnte, obwohl es viele Spekulationen gibt, dass sie erst nach den Olympischen Spielen stattfinden würde.“

Sullivan forderte US-Staatsbürger in der Ukraine dazu auf, das Land schnellstens zu verlassen. „Alle Amerikaner in der Ukraine sollten das Land so bald wie möglich verlassen – und auf jeden Fall in den nächsten 24 bis 48 Stunden.“ Auch Großbritannien, Dänemark, Lettland und Estland forderten ihre Bürger auf, die Ukraine zu verlassen. Die deutsche Regierung verfolgt unterdessen die Entwicklung in der Ukraine, hat die Deutschen aber noch nicht zur Ausreise aufgefordert.

In Berlin hieß es, die Lage werde von den Teilnehmern aus EU und Nato als „sehr, sehr ernst“ eingeschätzt. „Alle diplomatischen Bemühungen zielen darauf ab, Moskau zur De-Eskalation zu bewegen“, schrieb Regierungssprecher Steffen Hebestreit auf Twitter. „Es gilt, einen Krieg in Europa zu verhindern.“

3000 weitere US-Soldaten werden nach Polen verlegt

Die USA hielten für den Fall, dass Russland die Ukraine angreift, einen Luftschlag zu Beginn für wahrscheinlich, sagte Sullivan weiter. Mögliche Szenarien seien aus US-Sicht auch ein rascher Vorstoß des russischen Militärs gegen die ukrainische Hauptstadt Kiew oder eine Operation unter falscher Flagge. Russland habe genug Streitkräfte mobilisiert, um einen größeren Militärschlag auszuführen.

Die USA schicken derweil 3000 weitere Soldaten nach Polen. Die derzeit auf dem Stützpunkt Ford Bragg im US-Bundesstaat North Carolina stationierten Soldaten sollten „in den kommenden Tagen“ in das osteuropäische Land verlegt werden, kündigte am Freitag ein Vertreter des US-Verteidigungsministeriums an. Ressortchef Lloyd Austin hatte bereits Anfang Februar die Entsendung von 1700 Soldaten nach Polen angeordnet, nun kommen 3000 weitere Soldaten hinzu.

Auf Bidens Anordnung hin waren Ende Januar bereits rund 8500 Soldaten in den USA in erhöhte Bereitschaft versetzt worden, um bei Bedarf eine schnelle Verlegung nach Europa zu ermöglichen. Es sollen aber keine Soldaten in die Ukraine geschickt werden. In Europa sind auch außerhalb von Krisenzeiten viele US-Soldaten stationiert – derzeit mehr als 80.000 Soldaten, darunter etwa 35.000 in Deutschland.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sprach wegen des Ukraine-Konflikts am Freitag in einer Schalte mit seinen Kollegen aus Polen, Deutschland, Kanada, Frankreich, Rumänien und Italien.

Putin und Biden telefonieren

Angesichts der weiter zunehmenden Spannungen wollen Russlands Staatschef Wladimir Putin und US-Präsident Biden an diesem Samstag telefonieren. Nach Angaben des Kremls bat Washington um das Gespräch, dem Weißen Haus zufolge geht das Gespräch auf einen Vorschlag Russlands zurück.

Ein Vertreter der US-Regierung erklärte am Freitag (Ortszeit), Moskau habe ein Telefonat am Montag vorgeschlagen, schließlich aber den Gegenvorschlag eines Gesprächs schon an diesem Samstag akzeptiert. Biden verbringt das Wochenende in Camp David, dem Landsitz der US-Präsidenten im US-Bundesstaat Maryland.

Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte nach Angaben der Agentur Interfax: „Tatsächlich hat die amerikanische Seite um ein Gespräch mit Präsident Putin gebeten und morgen Abend Moskauer Zeit ist ein Gespräch der beiden Präsidenten geplant.“ Beide Seiten machten zunächst keine Angaben zur genauen Uhrzeit der geplanten Unterredung. Moskau bestätigte zudem ein ebenfalls für Samstag geplantes Telefonat des Kremlchefs mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron.