Waffensysteme und Soldaten Bundeswehr plant Verstärkung für NATO
25. Februar 2022Die Bundesregierung will zusätzliche Soldaten, Waffensysteme und Kriegsschiffe zur Stärkung der NATO-Ostflanke anbieten. Zuvor gab es Kritik an der Ausrüstung der Truppe und Forderungen nach höheren Militärausgaben.
Die Bundeswehr will der NATO zusätzliche Soldaten und Waffensysteme zur Verstärkung der Ostflanke anbieten. Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios könne zeitnah eine Infanterie-Kompanie – etwa 150 Soldaten mit einem Dutzend „Boxer“-Radpanzern – verlegt werden. Die deutschen Soldaten könnten sich einem französischen Gefechtsverband in Rumänien anschließen, den die französische Regierung bei der NATO bereits angekündigt hat.
Zudem will Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht der NATO das „Patriot“-Flugabwehrraketensystem anbieten, das etwa im Baltikum für besseren Schutz sorgen könnte. Darüber hinaus will die Bundesregierung der Allianz für NATO-Missionen in der Nord- und Ostsee eine Korvette und eine Fregatte offerieren. Diese Kriegsschiffe müssten allerdings von anderen Missionen im Mittelmeer abgezogen werden. Hinzu kommt noch ein deutsches Flottendienstboot mit Sensortechnik, das bereits in die Ostsee unterwegs ist.
Högl beklagt Ausrüstung in Litauen
Zuvor hatte es Kritik an der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr gegeben. So beklagte die Wehrbeauftragte Eva Högl erschreckende Ausrüstungsmängel bei den Soldatinnen und Soldaten, die in Litauen auf dem Militärstützpunkt Rukla die russische Armee abschrecken sollen. „Die Soldatinnen und Soldaten müssen sich durch Wald und Feld schlagen, sind lange draußen. Mir haben reihenweise Soldatinnen und Soldaten erzählt, dass sie keinen ausreichenden Kälte- und Nässeschutz haben“, sagte die SPD-Politikerin der „Augsburger Allgemeinen“.
Es fehle etwa an dicken Jacken und Unterwäsche. „Und das dürfte es in einem der reichsten Länder der Welt, in der Mitte Europas, eigentlich nicht geben“, sagte Högl. Die Ausrüstung sei aber reserviert für die schnelle Eingreiftruppe der NATO. Dies sei „ein Skandal“, der schon ihre Vorgänger beschäftigt habe.
Strack-Zimmermann unterstreicht Mais‘ Kritik
Auch Heeresinspekteur Alfons Mais hatte die schlechte Ausrüstung der Truppe beklagt. In seinem 41. Dienstjahr im Frieden habe er nicht geglaubt, noch einen Krieg erleben zu müssen. „Und die Bundeswehr, das Heer, das ich führen darf, steht mehr oder weniger blank da“, schrieb der Generalleutnant im Netzwerk Linkedin. „Die Optionen, die wir der Politik zur Unterstützung des Bündnisses anbieten können, sind extrem limitiert.“
Deutschlands oberster Heeressoldat schrieb weiter: „Wir haben es alle kommen sehen und waren nicht in der Lage, mit unseren Argumenten durchzudringen, die Folgerungen aus der Krim-Annexion zu ziehen und umzusetzen. Das fühlt sich nicht gut an! Ich bin angefressen!“
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, hielt die Kritik von Mais wegen einer Vernachlässigung der Bundeswehr grundsätzlich für berechtigt. „Der Zeitpunkt der Aussagen von General Mais mag unglücklich erscheinen“, sagte die FDP-Politikerin der Nachrichtenagentur dpa. „Den Menschen in Deutschland, die einer gut ausgerüsteten Bundeswehr bisher kritisch gegenüber standen, wird angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine allerdings deutlich gemacht, wie wichtig eine gut ausgestattete Bundeswehr ist.“
Habeck: In Einsatzfähigkeit der Bundeswehr investieren
Als Konsequenz auf dem Überfall Russlands auf die Ukraine muss aus Sicht von Vizekanzler Robert Habeck mehr in die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr investiert werden. Deutschland sei jetzt quasi Nachbar eines aggressiv Krieg führenden Landes, sagte der Grünen-Politiker in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“. Das werde sicherlich zur Konsequenz haben, dass die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr noch einmal überprüft – „und – ich glaube, da verrate ich kein Geheimnis – gesteigert werden muss“.
In den tagesthemen betonte Habeck, man müsse auch in Deutschland darauf achten, „dass wir eine voll wehrfähige Armee haben, die einsatzfähig und robust ist“. Daran könne man auch Zweifel haben, sagte der Grünen-Politiker mit Blick auf den aktuellen Zustand der deutschen Streitkräfte.
„Ein Tag, der nie hätte passieren dürfen“, so Robert Habeck, Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister
Lindner: Bundeswehr braucht mehr Mittel
Bundesfinanzminister Christian Lindner verlangte als Reaktion auf den Angriff Russlands auf die Ukraine mehr Mittel für die Bundeswehr. „Wir müssen uns mit der Tatsache vertraut machen, dass unsere Streitkräfte seit vielen, vielen Jahren auf Verschleiß gemanagt wurden“, sagte der FDP-Vorsitzende in der ARD-Sendung „Maischberger“. Die deutsche Politik müsse lernen, „dass auch Bündnisverteidigung eine politische Priorität ist“.
Nach der Finanzplanung der alten Bundesregierung wären die Mittel für die Bundeswehr in den kommenden Jahren gesunken, sagte Lindner. „Sinkende Verteidigungsausgaben, die passen nicht mehr in die Zeit.“ Für ihn sei schon vor dem heutigen Tag klar gewesen, „dass die Mittel für die Bundeswehr verstärkt werden müssen“.
Auch der Grünen-Co-Vorsitzende Omid Nouripour schloss höhere Ausgaben für die Bundeswehr als Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine nicht aus. Es gehe derzeit nicht darum, alte Positionen zu wiederholen, sagte Nouripour im Deutschlandfunk. Man betrete sicherheitspolitisches Neuland, weshalb er nichts ausschließen könne. Er sehe durch den russischen Angriff „ein Ende der Friedensordnung in Europa“.