Nordex baut ab – Rostocks industrielle Basis bröckelt

Nordex baut ab – Rostocks industrielle Basis bröckelt

25. Februar 2022 Aus Von MVP-WEB Team
Stand: 25.02.2022 14:01 Uhr

Es klingt paradox: Bundes- und Landesregierung wollen die erneuerbaren Energien massiv ausbauen und gleichzeitig deutet sich beim Windkraftanlagenbauer Nordex ein massiver Arbeitsplatzabbau an.

von Jürgen Opel und Martin Möller

Bereits am Freitag war die Nachtschicht im Werk am Rostocker Überseehafen durch die Betriebsräte über den aktuellen Stand informiert worden. Laut des Betriebsratsvorsitzenden Thomas Theuer hat der Vorstand am Montag zu einer Informationsveranstaltung am Rostocker Standort eingeladen.

Diese aktuellen Signale versprechen wenig Hoffnung: Aus Spanien kam bereits die Nachricht, dass die Produktion an einem Standort eingestellt werden soll. Und aus dem Nordex-Umfeld in Rostock wird berichtet, dass die Schließung und Verlagerung bereits vorbereitet würde.

Gute Auftragslage, aber steigende Kosten

Es geht um rund 800 Jobs, vor allem im Bereich Flügelproduktion, aber auch die Montage von Maschinenhäusern soll heruntergefahren werden. Der Grund sind steigende Material-, Logistik- und Personalkosten. Nordex steckt weiter in den roten Zahlen, trotz guter Auftragslage und konkurrenzfähiger Windturbinen. Bei Nordex geht es um viel. Das Unternehmen ist auch ein Symbol für den mühsamen Wiederaufbau der Industrie nach der Wende, für neue Technologien, für neue Wertschöpfungsketten.

Turbinen-Gondeln aus Polen, China oder Indien

Seit Jahren fährt das Nordex-Management bereits einen deutlichen Sparkurs. Die Produktion von Teilen und Komponenten wird nach und nach ausgelagert. Wo “Made in Rostock/Germany” draufsteht, ist immer weniger Germany drin. Allerdings hat das auch Nachteile bei den Lieferketten, die durch die Pandemie nur noch sehr unzuverlässig funktionieren. Heimische Zulieferer, wie der Kunststoffproduzent Eikboom, haben sich allerdings schon längst andere Geschäftsfelder gesucht. Turbinen-Gondeln laufen nun in Polen, China oder Indien vom Band.

Madsen verlangt Standorttreue

Rostocks Oberbürgermeister Madsen (parteilos) kritisiert den geplanten Arbeitsplatzabbau scharf und appelliert an die unternehmerische und soziale Verantwortung des Unternehmens. Wer in Deutschland Geschäfte machen wolle, müsse auch nachweisen, dass zumindest ein Teil der Wertschöpfung auch in Deutschland bleibe. So würden es schon jetzt große dänische Konzerne bei Ausschreibungen vorgeben. Dänemark ist die Heimat des Weltmarktführers Vestas. Aber gerade Vestas hatte vor einem halben Jahr angekündigt, seinen Fabriken im dänischen Esbjerg, im spanischen Viveiro und in Lauchhammer zu schließen. Allein in Brandenburg gehen dadurch 460 Arbeitsplätze verloren. Der Grund: stark gestiegene Kosten.

Schwacher heimischer Markt

Dabei war es auch die Nähe zu den skandinavischen und mitteleuropäischen Märkten, die Nordex den Aufstieg ermöglichte. Noch reihen sich im Rostocker Seehafen Rotorblätter und Maschinenhäuser aneinander. Gut 1.500 Windräder produziert Nordex pro Jahr. Gut die Hälfte davon kommt aus Rostock. Das wird sich vermutlich ändern, auch weil der Ausbau der Windenergie hierzulande stockt. Der Grund sind langwierigen Genehmigungsverfahren, restriktive Abstandsregeln und die niedrige Akzeptanz in der Bevölkerung.

Madsen: Ausbau der deutschen Windenergie muss wieder in Gang kommen

Windräder von Nordex sind besonders in den USA, in Chile, Brasilien, Südafrika, der Türkei, Frankreich und Spanien nachgefragt. Auch deshalb hat das börsennotierte Unternehmen Werke in Brasilien und Indien aufgebaut. “Wir können es nicht kampflos hinnehmen, wenn ganze Branchen Deutschland und Europa den Rücken kehren und ihre Fertigungen auf Kontinente verlagern, die nur einen Bruchteil der hiesigen Löhne und Gehälter zahlen”, sagte Madsen der Ostseezeitung. Aber damit Rostock wieder ein größeres Stück vom Kuchen abbekommt, müsste der Ausbau der Windenergie hierzulande wieder in Gang kommen.