Rostock als Drehscheibe für Wasserstoff-Erzeugung in Ostdeutschland?
7. Juli 2022Könnte der Raum Rostock zu einem Zentrum der Energieerzeugung mit sogenannten sauberem Wasserstoff für den Osten Deutschlands werden? Planungen geben erste Hinweise darauf: Ein norwegisch-deutsches Konsortium will prüfen, ob in der Region CO2-armer Wasserstoff als Energieträger in Gigawatt-Größenordnung hergestellt werden kann.
Die Investitionssumme für das Projekt läge bei etwa einer Milliarde Euro. Das gab der Gaskonzern VNG mit Sitz in Leipzig bekannt. Demnach sollen das norwegische Energieunternehmen Equinor und VNG gemeinsam Möglichkeiten für die Herstellung CO2-armen Wasserstoffs aus norwegischem Erdgas in oder bei Rostock prüfen. Hintergrund ist die Unsicherheit hinsichtlich der Gasversorgung durch Russland und das bundesweit forcierte Ziel, von russischen Lieferungen unabhängig zu werden. Nach dem Willen der Landesregierung sollen vor allem „grüne Kraftstoffe“ im Energiemix der Zukunft am Standort Rostock eine größere Rolle spielen. Mit diesem „sauberem Wasserstoff“ könnte nach Ansicht der Landesregierung unter anderem der Schiff- und Flugverkehr – per Brennstoffzellen – klimaschonend, wie es heißt, umgebaut werden.
„Grüner Wasserstoff“ versus „blauer Wasserstoff“
Mit „grünem Wasserstoff“ ist die Erzeugung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen gemeint. Im Gegensatz dazu handelte es sich bei der Erzeugung von Wasserstoff aus Erdgas, also einem fossilen Brennstoff, um sogenannten „blauen Wasserstoff“. Nach Ansicht von VNG müsse Deutschland „als Industrienation auch langfristig auf gasförmige und flüssige Energieträger“ setzen. Das Unternehmen argumentiert, dass „grüner Wasserstoff bis 2030 nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen wird“, um die „Klimaziele für Wärmemarkt, Verkehr und Industrie“ zu erreichen. VNG spricht in diesem Zusammenhang von sogenanntem „dekarbonisierten Wasserstoff“ als „Brückentechnologie“ zur Einsparung von CO2 bei der Energie-Erzeugung.
Planungen noch unkonkret
Nach Angaben von VNG sind im Zuge der Zusammenarbeit mit dem norwegischen Energiekonzern Equinor mehrere denkbare Teilprojekte in Planung. Grob geht es dabei neben der Erzeugung von Wasserstoff auch um CO2-armen Ammoniak und die Abscheidung, Nutzung und Offshore-Speicherung von CO2. Demnach könnte in einem ersten Schritt CO2-armer Wasserstoff sowie Ammoniak als Energieträger direkt aus Norwegen geliefert werden. Im Gespräch sind den Angaben zufolge aber auch bereits der Bau und Betrieb einer Anlage, die bis zu 230.000 Tonnen Wasserstoff aus norwegischem Erdgas produzieren kann. Mit der Wasserstofferzeugung in dieser Größenordnung könnten laut VNG rund 20 Prozent des gesamtdeutschem Wasserstoffmarktes gedeckt werden.
Pipeline-Ausbau und CO2-Speicherung
Teil der möglichen Pläne soll außerdem der Ausbau der Pipelinenetze in den Süden sein, die den in Rostock erzeugten Wasserstoff in die Industriegebiete bei Leipzig leiten würde. Zeitpläne, Kostenschätzungen, konkrete Ansiedlungspläne sind bislang allerdings nicht bekannt. Ein Baustein zur Erzeugung des sogenannten CO2-armen Wasserstoffs soll außerdem die Speicherung von verflüssigtem CO2 sein, das bei der Wasserstoffherstellung anfiele. Dafür sollen laut VNG rund zwei Millionen Tonnen CO2 jährlich in Rostock abgeschieden und verflüssigt und anschließend nach Norwegen verschifft werden, wo es „dauerhaft und sicher“ offshore in entsprechenden Gaslagerstätten in der Nordsee gespeichert werden soll, so VNG. Damit würden sich die Emissionen des erzeugten Wasserstoffs um rund 95 Prozent gegenüber einer Herstllung ohne CO2-Abscheidung reduzieren, heißt es.
Visionäres Ziel: Rostock als Wasserstoff-Drehkreuz
Nach den Vorstellungen von Equinor und VNG Leipzig sollen diese Projekte in Rostock die Basis für Rostock als CO2- und Wasserstoff-Drehscheibe für Ostdeutschland legen. Nach VNG-Informationen läge die Investitionssumme für das Gesamtprojekt nach jetzigen Schätzungen bei etwa einer Milliarde Euro. Die Finanzierung, denkbare Fördermöglichkeiten, konkrete Rahmenbedingungen wie beispielsweise Genehmigungsprozesse sollen zunächst im Rahmen einer Machbarkeitsstudie untersucht werden, die „zeitnah“ starten solle. VNG strebe eine Investitionsentscheidung bis 2025/ 2026 an und rechnet den Angaben zufolge mit einer Bauzeit von etwa drei Jahren.