Hintergrund – Nord Stream 1 Was passiert bei der Pipelinewartung?

Hintergrund – Nord Stream 1 Was passiert bei der Pipelinewartung?

11. Juli 2022 Aus Von mvp-web
Stand: 11.07.2022 13:12 Uhr

Die Wartung von Gaspipelines wie Nord Stream 1 ist unter normalen Umständen Routine. Was und wie wird dabei geprüft? Und was geschieht, wenn Probleme in einer Röhre auftauchen?

Von Jörg Marksteiner, WDR

Nachsehen, kontrollieren, prüfen: Bei Gaspipelines sei das nicht ungewöhnlich, sagt Lutz Reimann. Bei Thyssengas in Dortmund ist er dafür zuständig, dass 4500 Kilometer Ferngasleitungen in Nord- und Westdeutschland funktionieren. Die Prüfintervalle sind genau vorgeschrieben. Solche Arbeiten bedeuten also nicht, dass es Fehlfunktionen gibt. „Ich vergleiche das immer gerne mit dem Auto: Wenn Sie Ihr Auto in die Werkstatt geben, dann werden Inspektionen gemacht“, sagt Reimann. Dann schaue man, „ob der Ist-Zustand gleich dem Soll-Zustand ist. Oder es wird ein Ölwechsel gemacht – das ist dann die Wartung. Und wenn was kaputt ist, dann ist es auch so, dass das instand gesetzt wird.“ Das werde bei Kleinigkeiten in einer Autowerkstatt ja auch sofort gemacht.

Jörg Marksteiner
Engmaschige Kontrolle der Ferngasleitungen

Mit Instandhaltung kennt sich Reimann aus. Mit 70 Mitarbeitern kümmert er sich um die Sicherheit der Erdgas-Hochdruckröhren, die knapp einen Meter unter der Erde liegen, quasi die Gas-Autobahnen Deutschlands. Thyssengas ist einer von 16 deutschen Betreibern dieser Ferngasleitungen, die regelmäßig auch aus der Luft kontrolliert werden. „Grundsätzlich ist es so, dass 14-tägig unsere Leitungen beflogen werden. Das heißt also: Es fliegt ein Hubschrauber mit einem Pilot und einem Beobachter unsere Leitung ab“, berichtet Reimann. „Der Beobachter achtet ganz genau darauf, was in unserem Pipelinebereich ist. Und ist da zum Beispiel ein Bagger unterwegs, wird das notiert.“ Dann fahre sofort jemand zu der Stelle und prüfe, ob der Bagger eine Gefahr für die Leitung darstelle.

Aus der Luft kann übrigens auch per Laser gemessen werden, ob die Röhren noch dicht sind. Sie können auch von innen gescannt werden. Doch das ist aufwendig. Dann fährt ein sogenannter Molch durch die Leitungen – ein etwa zehn Meter langes Gerät mit Sensoren und eigener Energieversorgung. Das wird aber nur etwa alle zehn Jahre gemacht.

Komplette Abschaltung nicht ungewöhnlich

Dennoch kommt es häufiger vor, dass eine Leitung komplett abgeschaltet werden muss. Auch das sei nichts Besonderes, sagt Pipeline-Experte Reimann. Denn kontrolliert werden nicht nur die Röhren, sondern auch die komplexe Steuerung und Technik übertage. „Um entsprechend die Transporte auch lenken zu können, gibt es eine Menge Armaturen. Wir alleine haben rund neuneinhalbtausend Armaturen im Netz“, erläutert Reimann. Armaturen sind zum Beispiel Schieberegler, um das Gas im Notfall abzustellen. „Und davon müssen wir uns nach Regelwerk jährlich überzeugen. Das heißt, man macht eine Funktionsprüfung. Und je nachdem, wo die Armatur im Netz sitzt, kann man sich vorstelle: Wenn ich die Hauptarmatur zudrehe, dann ist die Leitung nicht mehr in der Lage, das Gas zu transportieren.“ In solchen Fällen fällt die Leitung vorübergehend aus.

Das kommt auch vor, wenn Gebäude oder Anschlüsse auf Dichtigkeit geprüft werden. Dass so etwas im Sommer stattfindet, sei üblich und leichter zu verkraften, weil in dieser Zeit kaum jemand heize, sagt Niko Bosnjak von Open Grid Europe in Essen. Das ist Europas größter Ferngasnetzbetreiber. 12.000 Kilometer Rohrstrecke werden hier gesteuert, überwacht und eben auch regelmäßig überprüft, was allerdings normalerweise kaum jemand bemerkt. „Bei uns läuft das alles sehr geräuschlos ab, und in normalen Jahren interessiert sich auch die breite Öffentlichkeit im Grunde für die Wartung unserer Leistung überhaupt nicht mehr“, sagt Bosnjak. Das sei ein Standardgeschäft.

Keine Details zur Wartung von Nord Stream 1

Was genau diesmal an Nord Stream 1 gemacht wird, dazu wollen sich Open Grid Europe und Thyssengas übrigens nicht äußern. Darüber wisse man zu wenig. In der Branche heißt es, dass schwere Schäden an Pipelines und Technik insgesamt aber eher selten auftreten – auch wegen der engmaschigen Prüfungen.