Kriegsbedingte Lieferengpässe – Özdemir will mehr Getreideanbau ermöglichen
6. August 2022Eigentlich sollte Deutschland ab 2023 weniger Getreide anbauen – wegen des Artenschutzes. Doch angesichts der Lieferengpässe will Agrarminister Özdemir nun umdisponieren. Der Bauernverband begrüßt das, fordert aber mehr.
Landwirte in Deutschland sollen angesichts angespannter internationaler Agrarmärkte infolge des Ukraine-Kriegs auf mehr Flächen als bisher geplant Getreide anpflanzen können. Nach einem Kompromissvorschlag von Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) sollen dafür die EU-Neuregelungen zu Flächenstilllegung und Fruchtwechsel im kommenden Jahr einmalig ausgesetzt werden. Die Umsetzung der Vorgaben hatte Brüssel den jeweiligen EU-Staaten überlassen.
Hintergrund sind ab 2023 greifende EU-Vorgaben, wonach ein Teil der Landwirtschaftsflächen dem Artenschutz dienen soll. Außerdem soll der Anbau derselben Ackerpflanze zwei Jahre in Folge auf derselben Fläche – zum Zwecke des Bodenschutzes – grundsätzlich nicht mehr möglich sein.
Nach Ministeriumsangaben soll die verpflichtende Flächenstilllegung im kommenden Jahr einmalig ausgesetzt werden. Stattdessen solle weiter ein landwirtschaftlicher Anbau ermöglicht werden, „allerdings – im Sinne der Ziele des Kommissionsvorschlags – eingeschränkt auf die Produktion von Nahrungsmitteln“.
Plan betrifft weder Mais noch Soja
Das betreffe die Kulturen Getreide – ohne Mais -, Sonnenblumen und Hülsenfrüchte – ohne Soja. Zudem gelte der Vorschlag nur für die Flächen, die nicht bereits 2021 und 2022 als brachliegendes Ackerland ausgewiesen gewesen seien. „Die bestehenden Artenvielfaltsflächen werden dadurch weiterhin geschützt und können ihre Leistung für Natur- und Artenschutz sowie eine nachhaltige Landwirtschaft erbringen“, so das Ministerium.
Russlands Präsident Wladimir Putin spiele mit dem Hunger, so Özdemir – und er tue dies auf Kosten der Ärmsten in der Welt. Zugleich sei der Hunger bereits dort am größten, wo die Klimakrise schon schwere Folgen habe.
Für mich gilt daher, dass jede Maßnahme zur Lösung einer Krise darauf hin überprüft werden muss, dass sie eine andere nicht verschärft.
Der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied, begrüßt den Vorschlag zwar grundsätzlich, übte aber auch Kritik: „Diese Entscheidung war überfällig und kommt in letzter Minute“. Während Özdemir sagte, die Agrarbetriebe wüssten nun, was sie in wenigen Wochen aussäen dürften, sagte Rukwied:
Wir Bauern haben bereits mit der Anbauplanung für das kommende Jahr begonnen und brauchen Planungssicherheit.
Der Bauernverband kritisierte zudem den aktuellen Zeitplan: Eine Aussetzung für ein Jahr reicht aus Sicht Rukwieds nicht aus. Um weiter eine sichere Lebensmittelversorgung gewährleisten und in Krisenzeiten reagieren zu können, müssten alle Flächen genutzt werden können, auf denen es landwirtschaftlich sinnvoll sei. Die Bundesländer müssten dies jetzt zügig bestätigen.
Kritik auch von Greenpeace
Zustimmung für Özdemirs Vorschlag kam aus Baden-Württemberg und von der FDP. Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU), der auch Sprecher der unionsgeführten Agrarressorts der Länder ist, lobte, Özdemir habe endlich eingelenkt. Ähnlich äußerte sich die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Carina Konrad. Nun müssten die Regelungen schnell und rechtssicher umgesetzt werden, da die Aussaat bevorstehe.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace warf Özdemir vor, dem Druck der Agrarlobby nachgegeben zu haben.