Drittes Energie-Entlastungspaket: Geteilte Reaktionen aus MV

Drittes Energie-Entlastungspaket: Geteilte Reaktionen aus MV

4. September 2022 Aus Von mvp-web
Stand: 04.09.2022 16:13 Uhr

Ausweitung des Wohngeldes, Einmalzahlungen für Rentner und Studierende, mehr Kindergeld und Änderungen bei Hartz IV: Die Bundesregierung hat wegen der stark gestiegenen Energiekosten ein neues Entlastungspaket in Höhe von 65 Milliarden Euro geschnürt. In Mecklenburg-Vorpommern fielen die Reaktionen sehr unterschiedlich aus.

“Das ist ein großes Entlastungspaket mit den richtigen Schritten für die Menschen in unserem Land”, sagte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Sie freue sich, dass nun auch Rentner und Studierende eine Energiepreispauschale erhalten sollen. “Auch die vereinbarte Strompreisbremse sowie die geplante Abschöpfung von Zufallsgewinnen sind angesichts der Preissteigerungen im Strommarkt eine große Hilfe”, so Schwesig. Andere Maßnahmen wie etwa die Anhebung des Kindergeldes, die zügige Wohngeldreform und eine Nachfolgelösung für das Neun-Euro-Ticket seien besonders für MV entscheidend.

CDU: “Arbeitende Mitte geht weitgehend leer aus”

Von “einer einzigen Enttäuschung” sprach dagegen der Fraktionschef der CDU im Landtag, Franz-Robert Liskow. Das sogenannte Entlastungspaket sehe Einmalzahlungen für Gruppen wie Studierende und Rentner vor, die beim letzten Entlastungspaket vergessen worden seien. “Dafür geht diesmal die arbeitende Mitte weitgehend leer aus.” Zudem seien einige Maßnahmen wie etwa der Wegfall der EEG-Umlage bereits vorher verkündet worden. Vieles andere sei im Detail noch nicht geklärt. Liskow vermisst eine Entlastung bei den hohen Gas- und Spritkosten. Pendler schauten in die Röhre. Liskow forderte einen “Energiepreisdeckel, der die Kosten für Gas, Strom und an der Zapfsäule begrenzt.”

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AfD: “Menschen auf dem Land wurden vergessen”

Die Ampel-Koalition habe mit dem Entlastungspaket keinerlei Antwort auf die “explodierenden Spritpreise” gegeben, meint AfD-Landeschef Leif-Erik Holm. “Die Menschen auf dem Land wurden wieder vergessen. Gerade die Bürger bei uns in MV, die die weitesten Strecken zur Arbeit pendeln müssen, und das bei den geringsten Löhnen, sind die Gekniffenen.” Auch beim Gaspreis gebe es keine Lösung. “Das Energieangebot muss drastisch erhöht werden. Deshalb ist eine Entscheidung mehr als überfällig, alle verfügbaren Kern- und Kohlekraftwerke ans Netz zu bringen.”

FDP: MV profitiert – Linke: “Überfällig”

Die Vorsitzende der Linksfraktion im Landtag von MV, Jeannine Rösler, bezeichnete das Paket als “überfällig”. Nun würden auch Studierende und Rentner berücksichtigt, allerdings gebe es noch viele Unwägbarkeiten. Das Paket “bleibt in einigen Bereichen zu schwammig und greift in Teilen zu kurz”, so Rösler. Die geplante Abschöpfung von Übergewinnen von Energiekonzernen sei “ein richtiger Schritt”, aber es “fehlte offenbar der Mut, sich von der von vielen zu Recht kritisierten Gasumlage zu verabschieden.”

Das Paket verbinde durch eine Kombination von Steuerentlastungen und Direktzahlungen Leistungsgerechtigkeit mit Solidität, sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete Hagen Reinhold aus Mecklenburg-Vorpommern. “Besonders in Mecklenburg-Vorpommern werden viele Menschen unmittelbar davon profitieren können, beispielsweise durch die Verlängerung der Absenkung der Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie auf 7 Prozent, was die Gastronomiebranche unmittelbar entlastet.”

Unternehmerverband MV: Kleine und mittlere Betriebe kommen zu kurz

Der Geschäftsführer der Vereinigung der Unternehmensverbände (VUMV), Sven Müller, mahnte eine zeitnahe Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen an, dann könnten sie tatsächlich kostendämpfend und entlastend wirken. Müller kritisierte, dass unklar bleibe, wie den klein- und mittelständischen Betrieben, gerade auch den energieintensiven, zu verlässlicher Liquidität verholfen werden können. “Verlängerte Kreditprogramme und erweiterte Bürgschaftsrahmen greifen zu kurz.”

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Neues Entlastungspaket nach langen Verhandlungen

Die Spitzen von SPD, Grünen und FDP hatten sich in der Nacht zum Sonntag im Kanzleramt auf das neuen Entlastungspaket nach 22-stündigen Verhandlungen verständigt. “Die neuen Maßnahmen werden ein Gesamtvolumen von über 65 Milliarden Euro umfassen”, heißt es im 13-seitigen Ergebnispapier. Gegenfinanziert werden soll dies zum Teil dadurch, dass sogenannte Zufallsgewinne auf dem Strommarkt abgeschöpft und umverteilt werden. Die Schuldenbremse soll ab 2023 trotz allem wieder gelten.

Die geplanten Maßnahmen des dritten Entlastungspakets:

 

  • Die Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro, die alle einkommensteuerpflichtigen Bürger je nach Steuerkategorie im September erhalten, soll auch an Rentner gezahlt werden. Studierende und Fachschüler erhalten eine 200 Euro als Einmalzahlung.
  • Geringverdiener sollen durch eine Entlastung bei den Sozialversicherungsbeiträgen unterstützt werden. Die entsprechende Einkommensgrenze soll bei sogenannten Midi-Jobs von 2022 an auf 2.000 Euro angehoben werden. Sie liegt derzeit bei 1.300 Euro und ab Oktober bei 1.600 Euro.
  • Die sogenannte Doppelbesteuerung bei der Rente soll schon 2023 abgeschafft werden. Rentenbeiträge sollen damit von 2022 an voll absetzbar sein. Die Homeoffice-Pauschale wird entfristet, mit ihr können jährlich bis zu 600 Euro von der Steuer abgesetzt werden. Der Arbeitnehmerpauschbetrag wird um 200 Euro auf 1.200 Euro angehoben.
  • Das Kindergeld steigt zum kommenden Jahr für das erste und zweite Kind um 18 Euro pro Monat. Zudem soll der Höchstbetrag des Kinderzuschlags nochmals um 21 Euro auf 250 Euro angehoben.
  • Das Bezugsrecht für Wohngeld soll zum 1. Januar 2023 von bisher 640.000 auf rund zwei Millionen Personen ausgeweitet werden. Für die Zeit von September bis Ende Dezember 2022 erhalten Wohngeldempfänger einen zweiten Heizkostenzuschuss in Höhe von 415 Euro im Ein-Personen-Haushalt (540 Euro für zwei Personen, für jede weitere zusätzliche 100 Euro). Danach wird der Zuschuss dauerhaft in das Wohngeld integriert.
  • Die Grundsicherung für Arbeitsuchende (Hartz IV) wird zum 1. Januar 2023 in ein Bürgergeld umgewandelt. Der derzeitige Hartz-IV-Regelsatz für Alleinstehende wird dabei von 449 Euro auf etwa 500 Euro angehoben. In der Berechnung wird Inflation berücksichtigt.
  • Angelehnt an das Neun-Euro-Ticket soll künftig ein dauerhaftes Ticket eingeführt werden, mit dem bundesweit der öffentliche Personennahverkehr genutzt werden kann. 1,5 Milliarden Euro will der Bund dafür bereitstellen, wenn sich die Länder in gleicher Höhe beteiligen. Der Monatspreis soll zwischen 49 bis 69 Euro liegen. Startzeitpunkt: noch unklar.
  • Können Mieter die hohen Preise für Gas und Strom nicht zahlen, sollen Sperren vermieden werden. Dazu soll das Energierecht angepasst werden.
  • Die Koalition plant eine Preisobergrenze für Strom (“Strompreisdeckel” von Erzeugern, die nicht auf Gas angewiesen sind. Das soll für niedrigere Preise sorgen. Hohe Gewinne sollen abgeschöpft werden. Privathaushalte sollen einen “Basisverbrauch” an Strom zu einem vergünstigten Preis bekommen. Um den Strompreis möglichst niedrig zu halten, wird zudem die zum 1. Januar 2023 geplante Erhöhung des CO2-Preises um ein Jahr verschoben.
  • Um eine Steuererhöhung allein aufgrund der Inflation zu vermeiden, werden die Tarifeckwerte bei der Einkommensteuer angepasst. Rund 48 Millionen steuerpflichtige Bürger sollen davon profitieren.
  • Zusätzliche Zahlungen der Arbeitgeber an die Beschäftigten sollen bis zu einer Höhe von 3.000 Euro von Steuern und Abgaben freigestellt werden. So soll vermieden werden, dass die Inflation die Lohnforderungen und damit die Preisschraube antreibt.
  • Für energieintensive Unternehmen, die ihre erhöhten Energiekosten nicht weitergeben könnten, werde ein Programm aufgelegt. Die bestehenden Hilfsprogramme für Unternehmen sollen bis zum 31. Dezember 2022 verlängert werden.
  • Um kommunale und soziale Wohnungsunternehmen bei steigenden Energiekosten zu unterstützen, werde die befristete Förderung von Betriebsmitteln im KfW-Investitionskredit Kommunale und Soziale Unternehmen bis Ende 2023 verlängert.