Karlsruhe: Polizei darf Analyse-Software teils nicht nutzen

Karlsruhe: Polizei darf Analyse-Software teils nicht nutzen

16. Februar 2023 Aus Von mvp-web

Die Regelungen zum Einsatz einer neuartigen Datenanalyse-Software bei der Polizei in Hessen und Hamburg sind in ihrer derzeitigen Form verfassungswidrig. Das gab das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Donnerstag bekannt. Eine verfassungsgemäße Ausgestaltung sei aber möglich, sagte der Vorsitzende des Ersten Senats, Gerichtspräsident Stephan Harbarth, bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe.

Das Urteil betrifft ausschließlich die Datenanalyse zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten. Als Kläger waren Journalisten, Anwältinnen und Aktivisten aufgetreten. Die GFF hatte im Herbst noch eine dritte Verfassungsbeschwerde wegen der NRW-Software eingereicht. Diese war in dem Verfahren aber nicht mehr berücksichtigt worden.

Kritiker befürchteten, dass das Computerprogramm schnell zur Datenkrake wird und auch vor unbescholtenen Menschen nicht Halt macht. Um strenge Vorgaben für die Nutzung zu erreichen, hatten sie in Karlsruhe geklagt.

Wo die Software schon verwendet wird

In Hessen, wo die Polizei schon seit 2017 mit der Software arbeitet, bekommt der Gesetzgeber bis spätestens Ende September Zeit, die problematische Vorschrift neu zu regeln. Bis dahin bleibt sie mit deutlichen Einschränkungen in Kraft. In Hamburg wird die Technik noch nicht genutzt, hier erklärte das Gericht den Passus für nichtig.

Indirekt hat das Urteil auch Auswirkungen auf andere Bundesländer. Nordrhein-Westfalen setzt die Software ebenfalls bereits ein. Bayern arbeitet gerade an der Einführung – als Vorreiter für andere Länder und den Bund. Der Freistaat hat mit dem US-Unternehmen Palantir einen Rahmenvertrag geschlossen, damit alle anderen Polizeien dessen Programm ohne zusätzliche Vergabeverfahren übernehmen können.

Was das Programm kann

Das Programm durchforstet Datenbanken, um Querverbindungen zu entdecken, die den Ermittlern sonst vielleicht nie auffallen würden. In der Karlsruher Verhandlung am 20. Dezember hatte ein Abteilungsleiter des hessischen Landeskriminalamts einen Fall geschildert.

Die Software habe kurz vor der großen Razzia gegen sogenannte Reichsbürger eine Festnahme ermöglicht: Dank Hessendata – so der Name der Software – sei aufgefallen, dass eine Nummer aus einer Telefonüberwachung einmal bei einem Verkehrsunfall angegeben wurde. So hätten Aufenthaltsort und Personalien festgestellt werden können.

Eingesetzt wird Hessendata insbesondere zur Bekämpfung von Terrorismus, organisierter Kriminalität und Kinderpornografie. Bei rund 14 000 Abfragen jährlich arbeiten landesweit mehr als 2000 Polizistinnen und Polizisten mit dem System.

Welche Daten nutzt das Programm?

In Hessen werden zunächst einmal nur Daten aus Polizeibeständen ausgewertet. In einer der Datenbanken sind allerdings auch Opfer und Zeugen erfasst – oder jemand, der einmal einen Kratzer am Auto zur Anzeige gebracht hat.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die die Überprüfung in Karlsruhe angestoßen hatte, hält das für hochproblematisch. Das Programm mache auch vor unbescholtenen Menschen nicht Halt. Außerdem sei die Verlockung groß, mit der Zeit auch externe Daten einzuspeisen – etwa aus sozialen Netzwerken.

Kommen die Daten auch aus dem Internet?

Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) hatte den Richterinnen und Richtern des Ersten Senats versichert, es gebe keine Anbindung ans Internet und auch keinen automatisierten Zugriff auf Daten aus sozialen Netzwerken.

Journalisten hatte er vor der Verhandlung gesagt, unter bestimmten Voraussetzungen könnten auch Daten von außen zugespielt werden. Das sei aber die Ausnahme und nicht die Regel. dpa/chi