Kampfjet-Verbände: In 48 Stunden von den USA nach Europa

Kampfjet-Verbände: In 48 Stunden von den USA nach Europa

5. April 2023 Aus Von mvp-web
Stand: 04.04.2023 19:37 Uhr

Es geht ums Tempo: Bei dem großen Luftwaffen-Manöver Air Defender im Juni wird demonstriert, wie schnell Kampfjet-Verbände aus den USA und Europa im Verteidigungsfall eine große Einheit bilden können.

von Peer-Axel Kroeske

250 Starts von Militärmaschinen sind vom 12. bis zum 23.Juni jeweils täglich geplant. Die Kampfjets werden dabei vor allem über Nord- und Ostsee trainieren. Somit konzentriere sich das Geschehen auf die Militärflugplätze in Jagel (Kreis Schleswig-Flensburg) und Hohn (Kreis Rendsburg-Eckernförde), sagte Luftwaffen-Inspekteur Ingo Gerhartz am Dienstag in der deutschen Botschaft in Washington. Dort stellte er zusammen mit dem Direktor der US Air National Guard Michael Anthony Loh die Pläne zum Großmanöver Air Defender im Juni vor. Rund 100 Maschinen werden aus den USA nach Europa verlegt, weitere 120 kommen von Bundeswehr und europäischen Partnern hinzu. Einheiten aus Schleswig-Holstein bereiten die Übung bereits seit Monaten vor.

„Wir können schnell“

Es sei eine Verteidigungsübung – rein defensiv – betonte Gerhartz mehrfach. Angriffs-Szenarien Richtung Osten stünden nicht auf dem Plan. Osteuropa ist allerdings eingebunden: Der neue NATO-Partner Finnland ist dabei, Estland und auch Schweden, insgesamt 24 Nationen. Dabei ist es keine reine NATO-Übung. Es geht um Tempo: Innerhalb von 48 Stunden könnten zahlreiche Kampfflugzeug-Verbände aus den USA in Europa sein, hieß es. Gerhartz stellte die besonderen Fähigkeiten der Luftwaffe heraus und brachte es auf den Punkt: „Wir können schnell.“ Allerdings kommen nicht alle Maschinen gleichzeitig. Die ersten Flugzeuge werden schon Anfang Juni nach Europa verlegt.

Größte Verlegungsübung seit Bestehen der NATO

Trainiert wird auch, unterschiedliche Kampfjets an Standorten zu versorgen, an denen diese Modelle sonst nicht beheimatet sind. So kommen F-16 und F-35 Kampfjets sowie KC-46, C-17 und C-130 Transportflugzeuge aus den USA nach Europa, zählte Loh auf. Diese „Dickschiffe“, so Gerhartz, sollen bei der Übung vor allem im niedersächsischen Wunstorf stationiert werden. Es sei die größte Verlegungsübung seit Bestehen der NATO. Loh sprach zudem von einem „Artikel 5 Szenario“, auf das sich die Streitkräfte vorbereiten wollten. Dieser Passus im Nordatlantikvertrag regelt die Abläufe, wenn ein NATO-Land angegriffen wird.

Das NATO-Territorium ist die rote Linie

Luftwaffen-Inspekteur Ingo Gerhartz hatte NDR Schleswig-Holstein bereits während seines Flugs nach Washington berichtet, er habe erste Ideen für die Übung schon vor fünf Jahren gehabt. Diese erschienen nach dem russischen Angriff auf die Ukraine natürlich in einem neuen Licht. Wenn es zum Ernstfall komme, sei es wichtig, dass sich alle NATO-Partner zusammenschlössen. „Und jetzt hat es natürlich auch umso mehr den Aspekt einer glaubwürdigen Abschreckung, um allen zu zeigen: NATO-Territorium ist die rote Linie und über die darf niemand rüber.“ Loh ergänzte, der Angriff auf die Ukraine habe die NATO vereint.

10.000 Menschen aus 24 Ländern nehmen mit mehr als 220 Flugzeugen an der Übung teil. Hauptstandorte sind Jagel und Hohn.

Morgens Nordsee, dann Süddeutschland, abends Ostsee

Wie sich das Manöver auf die zivile Luftfahrt und den anlaufenden Urlaubsverkehr auswirken wird, ist noch nicht im Detail klar. Derzeit läuft noch eine Studie, in der die Szenarien simuliert werden. Passagierflugzeuge müssen möglicherweise Umwege nehmen. Jedoch rotieren Lufträume alle zwei bis drei Stunden. Die erste Welle des Manövers soll laut Gerhartz täglich über der Nordsee geflogen werden, dann über Süddeutschland und schließlich im Osten. An den Wochenenden und in der Nacht pausiert der militärische Flugbetrieb.

Perspektive für den Standort Hohn

Mit dem Manöver wird auch der zuletzt nur noch wenig genutzte Standort Hohn aufgewertet. Seit dem Ende des Kalten Krieges waren viele Stützpunkte der Bundeswehr geschlossen worden. Laut Gerhartz müssen die verbleibenden Standorte auf jeden Fall erhalten bleiben.

So schnell, wie die amerikanischen Flugzeuge kommen, sollen sie auch wieder abziehen. Einige seien anschließend für Operationen im pazifischen Raum vorgesehen, erläuterte US-Kommandant Loh. Sie werden Ende Juni deshalb Richtung Osten starten.