Flüchtlinge: Steht Deutschland vor einer neuen Krise wie 2015?

Flüchtlinge: Steht Deutschland vor einer neuen Krise wie 2015?

9. Mai 2023 Aus Von mvp-web

Archiv-Foto: Kriegsflüchtlinge aus Syrien stehen auf dem Gelände einer Flüchtlingsunterkunft in Hessen zusammen. Foto: Arne Dedert/dpa


Am Mittwoch sprechen Bund und Länder auf einem Flüchtlingsgipfel über die Verteilung finanzieller Lasten infolge der Migration nach Deutschland. Im Kern verlangen die Länder, dass der Bund einen größeren Kostenanteil übernimmt. Die Bundesregierung lehnt dies unter Verweis auf die Haushaltslage ab.

Doch warum wird überhaupt gestritten, bahnt sich, ähnlich wie 2015, wieder eine Flüchtlingskrise an? Tatsache ist: In den ersten vier Monaten dieses Jahres wurden 101.981 Asylerstanträge vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) entgegengenommen. Das waren 78 Prozent mehr Anträge als von Januar bis April 2022.

Warum kommen gerade jetzt so viele?

Laut dem UNO-Flüchtlingswerk ist die Anzahl der ukrainischen Schutzsuchenden seit der russischen Invasion in die Ukraine Hauptauslöser für den Anstieg. Daneben spielen aber auch die verheerenden Erdbeben in der Türkei und Syrien eine Rolle.

Anfang 2023 lebten in der Türkei rund vier Millionen Flüchtlinge, die Mehrheit aus Syrien, unter teils unwürdigen Umständen. Da Präsident Recep Tayyip Erdogan um seine Wiederwahl am 14. Mai fürchtet, lässt er viele Flüchtlinge ziehen, um dem Druck der Opposition nicht klein beizugeben, schreibt die BILD.

Wie kommen die Menschen zu uns?

Die BILD beruft sich auf den Bericht «Migrationsanalyse» der Bundespolizei für den April. Demzufolge ziehen viele Asylsuchende neuerdings mit russischen Visa über Belarus in die EU und von dort aus nach Tschechien und Polen respektive weiter nach Sachsen. In Deutschland wurden zwischen Januar und März 19.627 unerlaubte Einreisen erfasst.

Tatsache ist, dass viele EU-Länder Geflüchtete nicht aufhalten. Viele Menschen aus Asien oder Afrika kommen in Länder wie Italien und Griechenland an der EU-Außengrenze an. Das ist gewissermaßen ihr geografischer Nachteil.

Stimmt das Klischee vom männlichen und allein reisenden Flüchtling?

Allein reisend lässt sich nur schwer ermitteln. Beim Geschlecht ist die Sache jedoch recht eindeutig. Laut offiziellen Zahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) waren 2022 knapp 68 Prozent aller Erstantragssteller auf Asyl männlichen Geschlechts. Der Trend setzt sich in diesem Jahr fort und es gilt vor allem für Jüngere: In der Altersgruppe 18 – 25 Jahre waren 86 Prozent männlichen Geschlechts zwischen Januar und März 2023.

Gehen Flüchtlinge vor allem nach Deutschland?

Laut europäischem Statistikbehörde Eurostat nahm Deutschland im vergangenen Jahr mit Abstand am meisten Geflüchtete auf: 2022 waren es fast 160.000 positive Asylbescheide, was 41 Prozent aller europäischen Anträge entspricht. Danach folgten Frankreich mit 13 Prozent, Italien mit 10 und Spanien mit 9 Prozent.

Schaut man auf die Zahl der Asylanträge – vor Annahme oder Ablehnung des Antrags – so registrieren sich auch hier die meisten Flüchtlinge in Deutschland. Etwa jeder Vierte war es innerhalb der EU im Jahr 2022, insgesamt rund 218.000.

Will Deutschland Einreisen erschweren?

Bundesinnenministerin Nancy Faeser sprach sich vor dem Treffen zwischen Bund und Ländern für den verstärkten Schutz von EU-Außengrenzen aus. Dem Handelsblatt sagte sie, dass in Brüssel über Verfahren verhandelt werde, die noch an der Grenze und nicht erst innerhalb der EU zu raschen Entscheidungen in Asylverfahren führen sollen. «Dann können abgelehnte Asylbewerber schnell bereits von den EU-Außengrenzen aus zurückgeführt werden.» Verbindlich ist der Vorschlag jedoch noch nicht.

Der früherer Innenminister Horst Seehofer (CDU) hatte sich 2018 für ein ähnliches Verfahren mithilfe sogenannter Transitzentren an deutschen Außengrenzen ausgesprochen, damals aber viel Kritik erhalten.

Auch will Nancy Faeser die Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern vorantreiben, „um reguläre Migration – vor allem von qualifizierten Arbeitskräften – zu ermöglichen und irreguläre Migration zu begrenzen“.

Von der FDP sprachen sich auch Bundesfinanzminister Christian Lindner in einer Talkrunde bei RTL/ntv und FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai in der FAZ für stärkeren Grenzschutz aus. Des Weiteren wird vor allem innerhalb der FDP verstärkt diskutiert, die Liste der sicheren Herkunftsländer auszuweiten. Damit sind die Grünen jedoch nicht einverstanden. Britta Haßelmann, Vorsitzende der Bundestagsfraktion, betonte bei RTL/ntv, dass man sich in der Debatte nicht darauf konzentrieren könne, wie man sich am besten abschotte. fsi/dpa