Fragen und Antworten: So entsteht der Strompreis

Fragen und Antworten: So entsteht der Strompreis

5. Mai 2023 Aus Von mvp-web

Der Strommarkt in Deutschland und Europa ist ein komplexes System. Die Preise je Kilowattstunde hängen von vielen Faktoren ab. Wir erklären in dieser Liste mit Fragen und Antworten, wie Stromhändler arbeiten, wie sich der Strompreis zusammensetzt, welchen Einfluss der Gaspreis gerade hat, was das für Ihre Stromrechnung bedeuten kann – und was Verbraucherinnen und Verbraucher jetzt tun können.

Wie wird Strom an Börsen gehandelt?

Unternehmen und Versorger handeln auf zwei Arten mit Strom. Auf sogenannten Spotmärkten finden kurzfristige Käufe und Verkäufe statt, zum Beispiel von heute für morgen oder sogar noch für denselben Tag. Langfristige Verträge schließen die Unternehmen auf den sogenannten Terminmärkten ab, dann geht es um Stromverträge mit teilweise mehreren Jahren Vorlauf. Diesen Strom verkaufen sie vereinfacht gesagt an Endkunden weiter.

Wo wird Strom gehandelt?

Für Termingeschäfte ist die Strombörse in Leipzig zuständig, die „European Energy Exchange“ (EEX). Für Tagesgeschäfte auf Spotmärkten gibt es die Strombörse „EPEX“ in Paris. An diesen Märkten sind die Strompreise derzeit auffällig hoch.

Wie hat sich der Strompreis in den vergangenen Monaten an den Strombörsen entwickelt?

Bei Termingeschäften mit Strom schätzen Erzeuger und Energieversorger ab, wie sich der Preis im nächsten Kalenderjahr entwickeln könnte. Dieser Preis an der Strombörse lag lange bei knapp 50 Euro pro Megawattstunde, das entspricht fünf Cent pro Kilowattstunde (kWh). Zuletzt lag dieser Preis bei 985 Euro pro Megawattstunde, was 98,5 Cent pro Kilowattstunde entspricht; das ist etwa 20-mal mehr.

Wann spüren Endverbraucher die höheren Preise?

 

Energiemarkt-Experte Tobias Federico.

Stadtwerke und andere Energieversorger ordern Strommengen auf Terminmärkten oft mindestens ein Jahr im Voraus. Einige Endverbraucher haben zudem Stromverträge mit Preisgarantie, die weiter gilt. Die höheren Preise kommen also erst nach und nach bei den Haushalten an. Tobias Federico vom Energie-Portal „Energy Brainpool“ erwartet, dass die hohen Strompreise im Jahr 2024 bei vielen Endverbrauchern ankommen werden.

Wie wird der Strompreis für Endkunden festgelegt?

Die Stromversorger legen den Preis nach eigenem Ermessen fest. Dabei spielen mehrere Aspekte eine Rolle.

Wie setzt sich der Strompreis zusammen?

Abgesehen vom Preis für den Strom an sich, für den Vertrieb und die Verwaltung kommen noch Beträge für die Stromleitungen und staatliche Beträge hinzu: Steuern, Umlagen und weitere Abgaben. Die EEG-Umlage, die für den Ausbau von Erneuerbaren Energien diente, gibt es seit 1. Juli nicht mehr.

Welchen Einfluss hat der Gaspreis auf den Strompreis?

Der Preis für elektrische Energie wird nach dem „Merit-Order-Prinzip“ bestimmt. Weil derzeit Gas vergleichsweise teuer ist, ist Strom aus Gaskraftwerken gerade die teuerste Strom-Art. Das „Merit-Order-Prinzip“ legt in diesem Zusammenhang fest, dass für jede Art der Stromerzeugung der Preis der derzeit teuersten Produktionsart verlangt wird. Das bedeutet, dass auch für Strom aus günstigeren Kraftwerken wie Kohle-, Atom- sowie Wind-, Sonnen- und Wasserkraftwerken derzeit der Kilowattstundenpreis von Strom aus Gaskraftwerken berechnet werden muss.

Welchen Zweck hat das „Merit-Order-Prinzip“?

Das System habe zwei wesentliche Funktionen, sagt Tobias Federico vom Energie-Portal „Energy Brainpool“ bei NDR MV Live. Zum einen stelle das Prinzip sicher, dass zunächst die jederzeit günstigsten Kraftwerke eingesetzt werden, das sind im Moment die Anlagen für erneuerbare Energien, danach Atomkraftwerke und Kohlekraftwerke. Am teuersten sind derzeit Gaskraftwerke. Das bedeute auch, dass zum Beispiel Wind- und Sonnenkraftwerke derzeit besonders ertragreich produzieren. Die teuren Gaskraftwerke würden derzeit kaum Gewinn machen können.
Außerdem schaffe das „Merit-Order-Prinzip“ Anreize, in besonders effiziente Kraftwerke zu investieren.

Inwieweit lohnt es sich für Endverbraucher, jetzt den Stromanbieter zu wechseln?

Ein Stromanbieterwechsel bringe derzeit wenig, sagt Tobias Federico von „Energy Brainpool“: „Das ist genau das Falsche, was man jetzt machen kann.“ Die üblichen Versorger hätten lange im Voraus eingekauft, davon würden Kunden nun noch eine gewisse Zeit profitieren können. Neue Anbieter hätten hingegen schon erheblich höhere Preise aufrufen müssen.

Welche Alternativen gibt es zum Anbieterwechsel beim Strom?

Fachleute raten immer wieder dazu, Strom zu sparen. Dazu haben wir eine eigene Liste mit Tipps und Hinweisen auf ndr.de.

Wie weit könnte der Strompreis an den Strombörsen noch steigen?

Eine genaue Vorhersage ist nicht möglich. Tobias Federico vom Beratungsunternehmen „Energy Brainpool“ nennt mehrere Faktoren, die Einfluss haben könnten. Grundsätzlich sei der Markt derzeit sehr nervös. Dabei gehe es auch um die Frage, wie viel Gas künftig durch Nord Stream 1 geliefert wird. Andererseits sei der Füllstand der Gasspeicher in Deutschland sehr gut. Wenn diese Speicher zu 85 oder gar 95 Prozent befüllt sind, könnten sich die Märkte beruhigen. Das könnte Ende September der Fall sein. Andere Szenarien gehen davon aus, dass es noch bis zum Ende des nächsten Winters dauern könnte, bis die Strompreise an den Börsen wieder sinken.