Schulen in Corona-PandemiePräsenz-, Wechsel-, Distanzunterricht: Lehrerverband will Hygienestufenplan nach Inzidenz

3. Januar 2021 Aus Von mvp-web
19:49:04
Dass der allgemeine Lockdown verlängert wird, scheint unstrittig. Anders sieht es aus bei der Frage, ob die Schulen und Kitas nach dem 10. Januar wieder öffnen sollen. Dabei nimmt die Kritik an den Kultusministern zu.

Vor den Beratungen der Kultusminister am Montag und dem Bund-Länder-Gipfel am Dienstag hält die Diskussion über Schulen und Kitas an. Dabei fordern Lehrerverbände und Kinder- und Jugendmediziner eine möglichst umfassende Öffnung. Andere raten zu längeren Schließungen. Zugleich fordern Lehrer bessere Schutzkonzepte und werfen den Kultusministerien Versäumnisse vor.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprachen sich für eine längere Schließung von Schulen und Kitas aus. Aus Söders Sicht wäre es „angesichts der hohen Infektionszahlen verantwortungslos, Lehrer und Schüler einfach wieder komplett in die Schulen zu schicken“. Es habe sich gezeigt, dass sich das Virus auch dort verbreite. Spahn betonte, es sei „für alle leichter, jetzt eine Woche länger die Schulen zu zu haben, als sie aufzumachen und dann irgendwann in einigen Wochen wieder vor Debatten zu stehen“.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hält es für möglich, in der zweiten Januarhälfte Kitas und Grundschulen wieder zu öffnen. Zwingende Voraussetzung sei aber, dass alle anderen Klassenstufen geteilt würden und die Schüler abwechselnd Präsenz- und Digitalunterricht erhielten. Er warnte davor, alle Schulen wieder zu öffnen. Schließlich sei erwiesen, dass Kinder ab zwölf Jahren so ansteckend seien wie Erwachsene.

Lehrer-Chef Meidinger kritisiert Kultusminister: „Hausaufgaben nicht erledigt“

In einem gemeinsamen Appell riefen der Deutsche Lehrerverband (DL) und die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ) auf, längere Schulschließungen zu vermeiden und Schulen besser zu schützen. Den Vorschlag, die Weihnachtsferien zu verlängern und dafür die Sommerferien zu verkürzen, lehnen beide Dachverbände ab. Dies sei „nichts anderes als eine weitere Phase der Schulschließung, in der wir Kinder und Jugendliche sich selbst überlassen und unseren Bildungsauftrag nicht wahrnehmen“, sagte DL-Präsident Heinz-Peter Meidinger. Präsenzunterricht sei sowohl zur Erfüllung des Bildungsauftrages als auch unter psychosozialen Gesichtspunkten das Beste.

Meidinger forderte darüber hinaus, „endlich einen bundesweit gültigen Hygienestufenplan für Schulen in Kraft zu setzen“. Die Aussage der Kultusminister, Schulen seien von der Pandemie kaum betroffen, „lässt sich in keiner Weise mehr aufrechterhalten“, kritisierte er und stellte den für Schulpolitik zuständigen Bundesländern ein schlechtes Zeugnis aus.

Alle Schulministerien hätten sich ausschließlich auf Präsenzunterricht konzentriert und versäumt, die Schulen ausreichend auf Digitalunterricht und Distanzlernen vorzubereiten: „Die Kultusminister haben schlicht ihre Hausaufgaben im Sommer und Herbst nicht ordentlich erledigt.“

Lehrerverband will bundesweiten Hygienestufenplan je nach Inzidenz

Auch der Deutsche Realschullehrerverband fordert klare Regeln etwa beim Wechselunterricht und wirft der Politik Ignoranz vor. „Die Verantwortlichen müssen endlich erkennen, dass Inzidenzwerte und Abstandsregeln auch an den Schulen umgesetzt und eingehalten werden müssen“, sagte der Bundesvorsitzende Jürgen Böhm.

Die Schulen selbst seien zum Großteil vorbereitet und könnten Unterricht im Wechselmodell oder in Distanz gut organisieren, betonte er weiter. In einigen Ländern wolle man aber „immer noch nicht verstehen, dass es auch an den Schulen ein Infektionsgeschehen gibt und sich Kinder, Jugendliche und Lehrkräfte dort anstecken“, fügte er hinzu.

Böhm forderte zusammenfassend „Wechselunterricht ab einer Inzidenz von 50, Distanzunterricht ab 100, eindeutige Abstandsregeln auch an Schulen, rechtssichere und zuverlässige Lernplattformen und kein Abrücken von der Qualität der Abschlüsse“.

Bildungsexperte Köller für eingeschränkten Unterricht ab 11. Januar

Der Deutsche Philologenverband sprach sich dafür aus, 2021 ein vollwertiges Abitur auch unter Corona-Bedingungen anzubieten. Dafür sollten die Kultusminister den Ländern mehr Freiheiten gewähren: „Geben Sie den Lehrkräften eine größere Auswahl bei den Klausurprüfungsthemen, lassen Sie landeseigene neben zentralen Abiturklausurfragestellungen zu.“

Der Kieler Bildungsexperte Olaf Köller schlug in der „Welt“ einen eingeschränkten Unterricht ab 11. Januar vor. Dazu zählt er kleinere Gruppen und eine Konzentration auf die wichtigsten Kernfächer in der Grundschule. Ältere Schüler sollten in den Distanzunterricht wechseln, denn „ab der achten Klasse gibt es zu Hause kein Betreuungsproblem mehr“. Auch Köller warf den Kultusministerien vor, sich zu wenig um Alternativen zum Präsenzunterricht gekümmert zu haben: „Die Schulen sind nach wie vor nur begrenzt auf das Distanzlernen vorbereitet.“