MV: Bundestag beschließt LNG-Terminal im Hafen Mukran auf Rügen
7. Juli 2023Der Bundestag hat beschlossen, im Hafen Mukran auf der Insel Rügen den Bau eines LNG-Terminals zu ermöglichen. Das Parlament hat für eine Änderung des LNG-Beschleunigungsgesetzes gestimmt.
Trotz Widerstands örtlicher Gemeinden und des Landes Mecklenburg-Vorpommern kann auf Rügen künftig Flüssigerdgas, sogenanntes LNG, entladen werden. In namentlicher Abstimmung votierten am Freitag 370 Abgeordnete für den Gesetzentwurf. 301 Parlamentarier waren dagegen, vier enthielten sich. Die Ampel-Fraktionen von SPD, Grünen und FDP hatten zuvor ihre Zustimmung signalisiert, alle Oppositionsparteien wollten dagegen stimmen. Im Laufe des Tages soll sich noch der Bundesrat mit dem LNG-Beschleunigungsgesetz befassen – danach wäre das Gesetzgebungsverrfahren abgeschlossen.
Gaslieferungen bereits im Winter 2024
Das Parlament stimmte in Berlin für eine entsprechende Ergänzung des LNG-Beschleunigungsgesetzes. Das soll schnellere Genehmigungen ermöglichen. Nach den Planungen des Bundes sollen am Standort Mukran zwei schwimmende LNG-Terminals mit einer Jahreskapazität von zehn Milliarden Kubikmeter Gas stationiert werden. Ziel ist es, dass das Terminal für die Versorgung im Winter Anfang 2024 zur Verfügung steht. Die Schiffe sollen privatwirtschaftlich von der Deutschen Regas betrieben werden. Die Bundesregierung will damit die Gasversorgung auch im kommenden Winter sichern.
Habeck: „Wir sind noch nicht durch.“
Bundeswirtschaftsminister und Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) warnte im Bundestag mit Blick auf die Versorgungssicherheit allerdings. Der Grünen-Politiker sprach heute im Bundestag mit Blick auf Proteste gegen das Terminal von einer schwierigen Abwägung. Es gehe aber darum, die Energieversorgung Deutschlands zu sichern. „Wir sind noch nicht durch.“»
Kritik aus der Opposition
Der CDU-Politiker Oliver Grundmann sagte, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ziehe hier die Strippen: „Eine Ferieninsel wird LNG-Standort. Basta.“ Auch der AfD-Politiker Leif-Erik Holm kritisierte die Regierung: „Der Tourismus steht auf der Kippe.“ Im vergangenen Jahr habe es auf Deutschlands beliebtester Insel 1,3 Millionen Gäste gegeben. Das LNG-Terminal werde aber Stress für Menschen und Natur bedeuten.
Gemeinde Binz will gegen LNG-Genehmigung klagen
Die Gemeine Binz will gegen den Bundestagsbeschluss zur beschleunigten Genehmigung des Flüssigerdgas-Terminals auf Rügen klagen. „Wir werden gegen die geplante Errichtung der Anlagen vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Einstweilige Anordnung mit dem Ziel des vorläufigen Baustopps beantragen“, teilte deren Anwalt, Reiner Geulen, am Freitag mit. Dies richte sich sowohl gegen den Hafenumbau in Mukran bei Sassnitz als auch gegen den Bau der Verbindungspipeline in Richtung Lubmin. Darüber hinaus will die Kommune eine weitere Einstweilige Anordnung gegen das Ausbaggern der Fahrrinne in Mukran erreichen. Begründet wird das Vorgehen wie auch zuvor mit den Auswirkungen eines möglichen Störfalls auf die Küstenregion sowie Zweifeln an der vom Bund angeführten drohenden Gasmangellage. Geulen wirft dem Bund zudem vor, unzulässigen Druck auf das Land und seine Genehmigungsbehörden auszuüben.
Gasspeicher seien bereits zu über 80 Prozent
Es gebe eine stabile Gasversorgungslage, die Gasspeicher seien bereits zu über 80 Prozent gefüllt, so Habeck. „Stand heute kommen wir sehr gut durch den Winter.“ Man sollte sich aber nicht darauf verlassen, dass immer alles gut gehe. Das sei die politische Lektion, die man gelernt habe, sagte er mit Blick auf die frühere Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen. Lieferanten könnten ausfallen, es könne zu Anschlägen kommen, es könne dazu kommen, dass Terminals nicht mehr funktionieren und dass der Winter kälter werde. Das „Vorsorgeprinzip“ müsse durchgehalten werden.
Habeck: „Keine Abstriche bei Umwelt- und Gewässerschutz“
Habeck sagte weiter, es gebe auf Rügen berechtigte Fragen und Sorgen, die er ernst nehme. Die Anliegen müssten so gut es geht beantwortet werden. „Trotzdem sind wir hier als Bundesgesetzgeber verpflichtet, auf die Energieversorgung und Energiesicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu achten.“ Man dürfe nicht in eine politische Handlungsunfähigkeit geraten. Es gebe beim LNG-Gesetz keine Abstriche bei materiellen Schutzgütern – vor allem Umwelt- und Gewässerschutz.
Schwesig: Bund müsse sich fragen, was man verkehrt gemacht hat
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuele Schwesig (SPD) betonte im Gespäch mit Phoenix, ihr sei wichtig, dass jedes Projekt im Einklang mit der Umwelt, dem Tourismus und der Akzeptanz der Bürger stehe. „Sicherlich wird man nie alle überzeugen. Aber wenn man alle gegen sich hat, dann muss man sich schon als Bund fragen, was man eigentlich verkehrt gemacht hat.“
Maßnahmen-Katalog vom Land unbeachtet geblieben
Landesumweltminister Till Backhaus (SPD) machte am Donnerstagabend klar, dass dem Land verbindliche Zusagen des Bundes zur Förderung der Region fehlen. Unter diesen Umständen lehne man das Projekt ab. Trotz zahlreicher Gespräche zwischen Bund und Land sei der Bund bis zum heutigen Tag nicht ausreichend auf die Vorschläge der Landesregierung eingegangen, sagte Backhaus. „Vor allem aber ist für uns enttäuschend, dass keine Perspektive als Wasserstoff-Standort aufgezeigt werden konnte.“ Das Land hatte einen Maßnahmen-Katalog mit Vorschlägen an den Bund geschickt, mit denen für mehr Akzeptanz in der Region geworben werden sollte.
Milliarden-Projekt soll staatlich finanziert werden
Ursprünglich sollten LNG-Schiffe auch vor Sellin auf Rügen ankern. Darauf wird Regierungskreisen zufolge nun aber verzichtet. Eines der beiden Flüssiggas-Schiffe der Deutschen Regas soll zudem von Lubmin abgezogen und vor Mukran stationiert werden. Die Kosten für den Umbau eines großen Teils der Erdgasversorgung auf Flüssiggas soll staatlich mit rund zehn Milliarden Euro finanziert werden. Der Bund erwartet allerdings über Gebühren zur Nutzung der Schiffe und Leitungen Rückflüsse.